RITZ, RAPHAEL
* 17.1.1829 BRIG, † 11.4.1894 SITTEN
Genre- und Landschaftsmaler.
Raphael Ritz war das zweite von vier Kindern des Lorenz Justin Ritz und der Josefa-Klara Kaiser, genannt Josephine. Der Vater stammte aus Niederwald von jener Linie der Ritz, die mit der Künstlerfamilie Ritz von Selkingen verwandt sein soll; er gilt als der bedeutendste Porträt- und Kirchenmaler des Wallis im 19. Jahrhundert. Zwei Brüder des Vaters betätigten sich ebenfalls als Künstler: Franz Ritz war Maler und Vergolder, Anton Ritz Bildhauer und Maler. Josephine Kaiser kam aus Stans; unter ihren Geschwistern finden sich der Bildhauer Franz Kaiser und der Kirchenmaler Heinrich Kaiser. Auch Raphael Ritz’ älterer Bruder Wilhelm ergriff den Malerberuf. 1839 siedelte die Familie von Brig nach Sitten über, wo die Mutter 1842 starb.
Den ersten Zeichenunterricht erhält Raphael Ritz bei seinem Vater, der, obwohl Porträtmaler, seinen Sohn nicht daran hindert, sich der Landschaft zuzuwenden. Raphael Ritz ist sehr naturverbunden und begeistert sich am Gymnasium für die naturwissenschaftlichen Fächer. 1851–53 Malerlehre bei Heinrich Kaiser in Stans. Der Historienmaler bezweifelt die Eignung des auf die Landschaftswiedergabe ausgerichteten Raphael Ritz, Onkel und Vater erwägen eine naturwissenschaftliche Laufbahn. Die Begegnung mit Paul von Deschwanden und dem mehr zum Genre neigenden Theodor von Deschwanden führt zur Entscheidung.
1853–56 Studium an der in Genre- und Landschaftsmalerei als führend geltenden Akademie Düsseldorf unter Heinrich Mücke, Carl Ferdinand Sohn, Wilhelm Schadow und Theodor Hildebrandt. 1856–1860 Arbeit beim Genremaler Rudolf Jordan. Immer wieder Aufenthalte im Wallis, wo Ritz auf seinen Wanderungen Studien mit Motiven aus dem heimatlichen Volksleben vor landschaftlichem Hintergrund anfertigt. Ab 1860 besitzt er ein eigenes Atelier in Düsseldorf. Erfolge stellen sich ein: 1860 Ankauf der Waldkapelle durch die Commission directrice de l’Exposition in Brüssel, einzelne Werke werden reproduziert, und der König von Preussen erwirbt 1862 die Kleine Kavallerie. 1863 wegen Alter und Krankheit des Vaters widerstrebend Heimkehr nach Sitten, wo er diesem bei der Ausführung von Altarbildern hilft. 1865 Abreise nach Düsseldorf, wo Raphael Ritz bleiben will, im Winter 1865–66 aber erkrankt und endgültig nach Sitten zurückkehren muss. Erst 1867 geht es ihm gesundheitlich wieder besser. In den folgenden Jahren ist Ritz auch wissenschaftlich tätig: Publikationen auf den Gebieten der Botanik, Geologie, Mineralogie, Archäologie, Geschichte und Volkskunde. 1874 Kuraufenthalt in Albisbrunn.
1875 Heirat mit Caroline Nördlinger aus Tübingen. Der Ehe entspringen fünf Kinder. Raphael Ritz’ Leben im Wallis ist gekennzeichnet durch eine wachsende Heimatverbundenheit, die sowohl in seinem künstlerischen als auch kulturpolitischen Schaffen zum Ausdruck kommt. Enge Beziehungen vor allem zur westschweizerischen Künstlerschaft. Er beteiligt sich an der Gründung des Kantonalen Museums und des Schweizerischen Landesmuseums und erwirbt sich Verdienste um die Restaurierung von Walliser Kulturdenkmälern. Ritz ist auch Mitglied überkantonaler Gesellschaften, wie der Eidgenössischen Kommission für die Erhaltung historischer Kunstdenkmäler. Wissenschaft und Kunst verhelfen ihm trotz seiner kulturellen Isolierung im Wallis zu grosser Bekanntheit. Er erfährt Anerkennung und findet namhafte Auftraggeber und Käufer, deren Interesse an den Werken des Künstlers während seiner Düsseldorfer Zeit zwar grösser ist, aber nie völlig erlischt.
Ab 1889 prägt Krankheit das Leben von Raphael Ritz. Sein letztes Bild, Pilger von Savièse, wird in seinem Todesjahr 1894 von der Schweizerischen Eidgenossenschaft erworben. Raphael Ritz selbst definierte im Jahre 1859 sein eigentliches Lebenswerk: das schweizerische landschaftliche idyllische Genre. Das Gesamtwerk umfasst etwa 500 Ölgemälde. Die Zeichnung, die in den Düsseldorfer Jahren noch ein künstlerisches Eigenleben zu führen vermochte, wurde später zur unselbständigen Vorstufe seiner Bilder; es gibt kein einziges völlig gesichertes Aquarell des Künstlers. Ritz’ Schaffen blieb der Düsseldorfer Schule verpflichtet, insbesondere was die Hinwendung zu einem gründlichen Studium der Natur und der Probleme der Lichtwiedergabe betrifft – ein Trend, der allerdings weniger von der Akademie, als vielmehr von hier ansässigen Künstlern ausging, die sich dem deutschen Frühimpressionismus zugewandt hatten.
Von grösserer Bedeutung als der Akademieunterricht war für Ritz denn auch das vierjährige Studium im Atelier von Rudolf Jordan, der als eigentlicher Vertreter des folkloristischen Genres betrachtet wurde. Tatsächlich handelt es sich hier um eine ethnologisch ausgerichtete Malerei. Jordans materialgerechte und lebhafte Verwendung der Farbe findet sich auch in Ritz’ Studien aus Kleinbremen im Wesergebirge von 1856, die zu seinen besten Werken zählen. Beeinflusst durch den Malunterricht bei Jordan, rückt die Farbe mit ihren Ausdrucksmöglichkeiten ins Zentrum von Ritz’ Interesse. Im Jahrzehnt der blühenden Spätromantik 1870–1880 versuchte er die Einheit des Bildes aus lichten Farbklängen gleichen Helligkeitsgrades heraus ohne Auflösung der dinglichen Umrisse zu gestalten. Dies führte in seinem Werk zu einer stärkeren Ausprägung und Differenzierung realistischer Lichtwirkungen und zur Wiedergabe der stofflichen Schönheit der Oberflächen.
Das Bemühen um ein realistisches Festhalten der Lichteffekte vermischte sich in den frühen 1880er-Jahren mit einem romantischen Überströmen von unwirklichen Farbtönen, was zu einem Eigenleben der Farbe führte, die in Ritz’ Werk überrascht. Später liegt das Schwergewicht des Schaffens auf Pinselschrift und Impasto, ist aber auch vom Wiederaufleben romantischer Tendenzen und einem spürbaren Verebben der Farbgestaltungskraft geprägt. In Raphael Ritz’ Werk durchdringen sich romantische und realistische Einflüsse. Davon zeugt einerseits die etwas starre Altertümlichkeit der fertigen Kompositionen, andererseits aber auch die grosse Zahl wertvoller Studien, die jenen um ein halbes Jahrhundert vorauseilen.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Fabian Perren, 1998, aktualisiert 2015 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4022945
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