Lot 3047* - Z23 Art Suisse -
ALBERTO GIACOMETTI
(Stampa 1901–1966 Chur)
Portrait de Pierre Josse. 1961.
Öl auf Leinwand.
Unten rechts signiert: Alberto Giacometti.
55 x 46 cm.
Provenienz: - Pierre Matisse Gallery, New York - Janss Collection, Los Angeles - Thomas Ammann Fine Art, Züerich - Privatsammlung, Schweiz. Ausstellungen: - Zürich, Thomas Ammann Fine Art, Faces and Figures, Juni-September 1989, Nr. 20 (mit Farbabbildung) - Madrid, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Alberto Giacometti, Dibujo, Esculutura, Pintura, 1990, Nr. 284, S. 608/609 (mit Farbabbildung) - Andros, Griechenland, Musée d'art moderne, Fondation Basil et Elise Goulandris, Alberto Giacometti, Juni-September 1992, Nr. 98, S. 153 (mit Farbabbildung) - Wien, Kunsthalle, Alberto Giacometti 1901-1966, Februar-Mai 1996, Nr. 232, S. 332 (mit Farbabbildung; schwarz-weiss nochmals auf S.59) / Edinburgh, Scottish National Gallery of Modern Art, Juni-September 1996 / London, Royal Academy of Arts, Oktober 1996- Januar 1997. Die Darstellung der menschlichen Gestalt, insbesondere das Portrait, spielte in Giacomettis knapp fünf Jahrzehnte überspannendem Werk immer eine zentrale Rolle. Sie diente ihm als Projektionsfläche seiner von ihm stets thematisierten künstlerischen "Suche", an ihr manifestieren sich seine Schaffensphasen. Bereits als Jugendlicher portraitiert er Freunde und Verwandte und orientiert sich dabei an dem Postimpressionismus und Divisionismus seines geliebten Vaters Giovanni Giacometti. 1920 und nochmals 1936 wird er mit dem Werk von Paul Cézanne konfrontiert, eine Begegnung, die ihn tief beeindruckt und vor allem in seinen Bildnissen ihre Spuren hinterlässt. Allerdings widmet er sich ab 1922 verstärkt der Bildhauerei, die er in Paris - mit grossen Unterbrechungen - bis 1927 studiert. Dort schliesst er sich zunächst dem Kreis der Surrealisten an, wendet sich 1935 aber wieder von ihnen ab, als er die figürliche Darstellung wiederentdeckt. In der intensiven Auseinandersetzung mit Raum und Grösse entstehen nun jene überlangen, schmalen Skulpturen, für die Giacometti so berühmt wurde. Er zeichnet unablässig. 1951 sagt er in einem Gespräch, "dass meiner Ansicht nach sowohl in der Malerei wie in der Bildhauerei im Grunde nur die Zeichnung zählt. Man muss sich einzig, ausschliesslich an die Zeichnung halten." Die Malerei tritt dagegen in diesen Jahren in den Hintergrund. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg nimmt er den Pinsel wieder zur Hand - und benutzt ihn für seine Bildnisse wie einen Zeichenstift. Seine Modelle webt er in ein komplexes Raumgefüge aus Horizontalen, Vertikalen, und Diagonalen ein, die häufig einen beunruhigenden Tiefensog entfalten. Aus der schieren Masse der zahllosen Linien werden die Umrisse der Gestalt und ihrer Umgebung erkennbar, ohne dass sie präzise bezeichnet werden. In den fünfziger Jahren verliert der Körper der Dargestellten an Bedeutung, und an die Stelle des ganzen Körpers tritt der Kopf, den flüchtig skizzierte Schultern tragen. Giacometti findet zu einer strengen Frontalität seiner Portraitgestaltung, mit der er bereits zwanzig Jahre zuvor experimentiert hatte. Dieses harte en-face ermöglicht, ja erzwingt einen unmittelbaren Dialog der Blicke zwischen der dargestellten Person und ihren Betrachtern. 1951 erkennt er: "Wenn der Blick, also das Leben, das Wichtigste wird, zählt zweifellos einzig der Kopf wirklich. Die übrigen Körperteile spielen nur noch die Rolle von Antennen, die das Leben der Person ermöglichen - das Leben, das im Gehäuse des Kopfes konzentriert ist." Ebenso fallen die diffizilen Raumgebilde in sich zusammen und verdichten sich zu amorphen Gebilden, die in düsterer Grisaille den zentralen Kopf zu bedrängen scheinen. In seinen letzten Lebensjahren entstehen bedrückende, von Todesahnung geprägte Bildnisse seines Bruders Diego. "Der lebende Mensch unterscheidet sich einzig durch den Blick vom Toten. Da fragte ich mich […], ob man im Grunde nicht besser einen Totenschädel formen würde. Man will einen lebendigen Kopf formen, aber das einzig Lebendige ist zweifellos der Blick" Unser Portrait des Pierre Josse, das Giacometti etwa fünf Jahre vor seinem Tod schuf, ist dieser letzten Phase zuzuordnen. Wie häufig in seinen Portraits umgibt Giacometti die Büste Josses mit einem schnell gezeichneten Binnenrahmen, der nur am unteren Bildrand von herabtropfender Farbe durchbrochen wird. Mit nervösem Pinselduktus in grau und weiss umschreibt Giacometti die wichtigen Partien wie Augen, Lippen, Kinn. Zentraler Bildmittelpunkt ist die Nase, die besonders räumlich herausgearbeitet ist; gleichzeitig scheint sich der Schädel in den grauen Nebeln seiner Umgebung aufzulösen. Pierre Josse fixiert den Betrachter mit einem beklemmend direkten Blick und bleibt doch ephemer und unerreichbar. Dieses widersprüchliche Portrait verweist in seiner fast monochrom grau geprägten Farbskala auf Giacomettis letzte, passend "Têtes Noires" genannten Arbeiten, wie auf Grand Tête Noir, aus demselben Entstehungsjahr 1961 (unsere Abbildung), das sich in einer Privatsammlung befindet, oder Portrait de Diego, ou Tête Noire (Marseille, Musée Cantini) das bereits 1957 entstand. Allerdings fällt das Portrait des Pierre Josse in Giacomettis Werk in gewisser Weise etwas aus dem Rahmen des Üblichen. Denn es zählt zu einer Gruppe von Portraits von Künstlerfreunden, die nach Valerie Fletcher "eine grosse Spontaneität" verströmen . Diese Modelle sind eher ungewöhnlich, denn meist malte Giacometti nur die Personen seiner nächsten Umgebung, so Diego, seine Frau Annette, seine Mutter oder seine berühmt-berüchtigte späte Muse Caroline. Diese rief bei Giacometti eine letzte künstlerische Blütephase hervor, in der auch unser Portrait des Pierre Josse entstand. Pierre Josse (1908-1984), Bankier und selbst Bildhauer, war ein gemeinsamer Bekannter von Giacometti und Henri Cartier-Bresson (1908-2004), einem der berühmtesten Fotografen des 20. Jahrhunderts, mit dem Josse eine innige Freundschaft verband. Josse ist als historische Person nur schwer zu fassen. Cartier-Bresson lernte ihn 1925 im Umfeld der Surrealisten kennen und zog mit ihm häufig durch die Pariser Rotlichtbezirke. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Josse und Giacometti ebenfalls schon früh begegneten, denn Giacometti verkehrte in ähnlichen Kreisen, und beide studierten an der Académie de la Grande Chaumiére in Paris, einer offenen Kunstschule, die noch heute am gleichen Ort betrieben wird. Jedenfalls hatte Josse bei Giacometti, dem er zahlreiche Anregungen für sein eigenes Werk verdankt, nach Cartier-Bressons Erinnerungen eine Sonderstellung inne: "Selten spricht er [i.e. Giacometti, die Verf.] mit anderen Bildhauern über Bildhauerei, ausgenommen mit Pierre Josse, dem Jugendfreund, Bankier und Bildhauer, und mit Diego seinem Bruder." Cartier-Bresson fotografierte Josse im Entstehungsjahr unseres Bildes (1961) in Giacomettis kleinem, einfachen Atelier in der Rue Hippolyte Maindron im 14. Arrondissement. Im Hintergrund sind mehrere auf dem Boden stehende Portraits aus dieser Zeit erkennbar, unter anderem von Caroline. Giacometti malte seinen Künstlerfreund ein weiteres Mal (unsere Abbildung); dieses Portrait wurde 1994 zusammen mit 14 Skulpturen aus Annette Giacomettis Nachlass beim Pariser Auktionshaus Tajan versteigert. Giacometti hatte offenbar bis kurz vor seinem Tod im Januar 1966 Kontakt mit Josse; jedenfalls dokumentierte Cartier-Bresson 1965 ein weiteres Treffen der beiden in Giacomettis Atelier. From the very beginning, the human head played an integral role in the paintings of Alberto Giacometti. Until he began concentrating on sculpture in 1922, he employed frontal portraits to develop his personal artistic expression, sometimes adopting his beloved father Giovanni Giacometti's postimpressionism and divisionism; sometimes reflecting influential encounters with the work of other artists, especially Paul Cézanne, whose oeuvre deeply impressed him. Although Giacometti executed countless drawings throughout the almost five decades of his working life, he painted only sporadically prior to World War II. Again, it was the image of the human body that Giacometti used to refine his art in the late 1940s when he took up painting again. Using the brush almost as he would a pen, he built up lines around the most important features such as eyes and nose and circumscribed rather than actually painted them. He wove the person into an intricate net of vertical, horizontal and diagonal lines to describe complex surroundings, often creating a visual maelstrom that draws the observer's gaze into the picture's depth. As the 1950s advanced, however, Giacometti concentrated on the head; the neck and shoulders received only cursory attention. Gone are the once elaborately constructed spaces; the background dissolves into amorphous monochrome clouds. During his last years, the range of colours he used was often reduced to austere shades of grey. These added to the grim foreboding of death that the severe en-face mode of the portraits ev
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