Lot 3256* - A168 Tableaux du 19e siècle - vendredi, 28. mars 2014, 17h00
CARL SPITZWEG
(1808 Munich 1885)
In the garden–the philosopher. Circa 1850-55. Oil on panel. Monogrammed lower left: S in rhombus. 21 x 15.2 cm. Provenance:–Galerie Caspari, Munich, until 1936.–private collection, Munich from 1937.–European private collection. Exhibited:–Gerstenberger, Chemnitz 1936, from the collection of Galerie Caspari, Munich, entitled "Der Naturfreund".–Gerstenberger, Chemnitz, April 1937, from Munich private collection, entitled "Der Philosoph"
Öl auf Holz.
Unten links monogrammiert: S im Rhombus.
21 x 15,2 cm.
Provenienz: - Galerie Caspari, München, bis 1936. - Privatbesitz München, ab 1937. - Europäische Privatsammlung. Ausstellungen: - Gerstenberger, Chemnitz 1936, aus dem Besitz der Galerie Caspari, München, mit dem Titel "Der Naturfreund". - Gerstenberger, Chemnitz, April 1937, aus Münchner Privatbesitz, mit dem Titel "Der Philosoph" (verso Etikette). Literatur: - Roennefahrt, Günther: Carl Spitzweg. Beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde, Ölstudien und Aquarelle, München 1960, Nr. 888. - Wichmann, Siegfried: Werkverzeichnistext, Starnberg, 1.6.1987, S. 1-8. - Wichmann, Siegfried: Carl Spitzweg. Die Lektüre. Dokumentation, Starnberg-München, R.f.v.u.a.K. 1997, S. 23-25 Text und Abb., Bayer. Staatsbibl. München, Inv.-Nr. Ana 656 SW 148. - Wichmann, Siegfried: Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke, Stuttgart 2002, Kat. Nr. 528, S. 275, Farbabb. S. 274. Naturwissenschaftlicher Untersuchungsbericht: H. Kühn, München, 15.4.1987 (gemäss Erwähnung bei Wichmann, 2002, ebd.). Im blauen Morgenmantel, das Hemd am Hals locker geöffnet, einen niedrigen Hut auf dem Kopf, so geniesst der Naturfreund die erste Pfeife auf dem morgendlichen Rundgang durch den Garten. Er liebt es gemütlich und leger in seiner ganz privaten Welt. Seinen Pflanzen lässt er dieselbe Freiheit. Üppig blüht, wächst, ja wuchert es an Rankhilfen in die Höhe, spriesst über Wegbegrenzungen hinweg, quillt aus Mauerritzen und ergiesst sich auf Treppenabsätze. Ein veritabler kleiner Urwald hat sich erschaffen, der mit einer wohl gegen drei Meter hohen Wand gegen das Wetter und neugierige Blicke schützt. In den oberen Ästen des Baumes links, der über die hohe Mauer im Hintergrund ragt, sitzt eine Amsel. Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf beobachtet sie den Sonderling, der unter ihr regungslos verharrt. Er hat seine Zähne entblösst, denn er muss gegen die grelle Morgensonne hinter der Brille seine Augen zusammenkneifen, um den Vogel betrachten zu können. Ein stiller und doch intensiver Dialog zwischen Mensch und Tier entspannt sich, fragil in der Gewissheit, dass eine hastige Bewegung des Mannes die Amsel erschrecken und in die Flucht treiben würde, und zugleich exquisit durch die Freiwilligkeit ihres Besuchs. Ein kostbarer Augenblick. Als Botin, gleichsam als Vertreterin der Aussenwelt, sucht der Vogel den Garten unseres Einsiedlers auf und kündet vom Leben da draussen, von dem ihn nur wenige Flügelschläge trennen. Neugierig wandert der Blick des Betrachters die unregelmässige, von Moosen und Gräsern bewachsene Reihe von Ziegeln am oberen Ende der Mauer entlang, dieser bürgerlichen Festung gegen den Rest der Welt. Was mag sich auf der anderen Seite befinden - eine pulsierende Innenstadt? Ein ruhiges Wohnviertel? Nur den blauen Himmel und einige Wolken erlaubt der Gartenbesitzer in sein kleines Paradies. So weltfremd, wie ihn uns der erste Eindruck darstellt, ist er aber nicht. Vor ihm auf dem Treppenabsatz steht eine Pflanze, die man heute problemlos im Pflanzenhandel kaufen kann, damals aber eine Rarität gewesen sein muss: eine Agave in einem blauen Topf. Agaven sind wärmeliebende Blattsukkulenten, also Pflanzen, die Feuchtigkeit in ihren Blättern speichern, und sind in den südlichen Bundesstaaten der USA, Mexiko, Mittelamerika bis in das nördliche Südamerika beheimatet. 1748 wurden sie erstmals als eigene Gattung botanisch erfasst. Der 1836 in Mexiko gestorbene Arzt und Botaniker Christian Julius Wilhelm Schiede brachte von seinen ausgedehnten Mexikoreisen zahlreiche Pflanzen mit, u.a. Agaven, die dann in England und Italien kultiviert wurden. Zum Entstehungszeitpunkt dieses Bildes (1850-55) können sich also noch nicht viele Exemplare in den Händen europäischer Sammler befunden haben. Hier mag der studierte Pharmazeut und Botaniker Carl Spitzweg dem eigenen Interesse an einer damals noch in der Erforschung begriffenen Pflanzengattung und aktuellen Modepflanze Ausdruck verliehen haben. Sein alter ego, der Maler Spitzweg, muss auch von der pittoresken Form der Blätter fasziniert gewesen sein, positionierte er doch in der rund dreissig Jahre später entstandenen Mondnacht, die ebenfalls in dieser Auktion angeboten wird, eine imposante Agavengruppe in den Vordergrund einer nächtlichen Landschaftsdarstellung. (siehe Los 3220) Auch die Kopfbedeckung unseres Naturfreundes, die an einen Fes erinnert, ist bemerkenswert. Zwar trugen Männer während der Biedermeierzeit diesen aus Nordafrika stammenden und damals weit verbreiteten Filzhut als Zeichen der Gemütlichkeit, doch ist das hier abgebildete Exemplar mit dem breiten goldenen Rand eher ungewöhnlich. Unser Vogelfreund hat also entweder selbst die Welt bereist oder begegnet ihr und ihren Dingen mindestens mit Interesse. Die von Spitzweg geschilderte intime Momentaufnahme, in der einige wenige Dinge an ferne Länder, an Abenteuer und Exotik erinnern, lässt uns Zeugen seines Rückzugs ins Private werden. Ein klassisches Motiv der ausgehenden Biedermeierzeit und eine typische, liebevolle ebenso wie ein wenig boshafte Schilderung beschaulichen Bürgertums, das sich am Vorabend bedeutender politischer Umwälzungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts in den eigenen vier Wänden behaglich einrichtet. Präzise lässt Spitzweg die dunkle Silhouette des Mannes gegen die hell erleuchtete Wand hervortreten, und ebenso scharf zeichnet er die Hell-Dunkel-Kontraste, die die Schatten auf den Gartenweg werfen. Allerdings distanziert sich der Künstler mit dieser kleinformatigen Preziose technisch von dem überzeichneten Naturalismus, der für die Malerei der Epoche kennzeichnend war. Mit Weiss- und Cremetönen setzt Spitzweg Lichtreflexe und modelliert effektvoll Pflanzenformen und Architekturelemente, die er durch die erdige Farbpalette ineinander verschwimmen lässt. Die Verbindung von Rot-Grün-Kontrasten zur Darstellung der vegetabilen Üppigkeit, die mit wenigen Pinselstrichen skizzierten Grashalme und das Flirren des Lichtes in den Blattspitzen der Baumkrone sind fulminante Vorgriffe auf die Malerei des Impressionismus.
CHF 80 000 / 120 000 | (€ 82 470 / 123 710)
Vendu pour CHF 96 000 (frais inclus)
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