KRÜSI, HANS

* 15.4.1920 SPEICHER, † 9.9.1995 ST. GALLEN

Maler und Zeichner.

Hans Krüsi wächst bei Pflegeeltern und im Waisenhaus von Speicher auf. Seine Mutter lernt er erst als 16-Jähriger näher kennen, ein Jahr vor ihrem Tod, und seinen Vater hat er nie gesehen. Nach acht Jahren Volksschule möchte Krüsi eine Gärtnerlehre absolvieren, was ihm aber verwehrt bleibt. Er arbeitet 1936–1942 als Bauernknecht im Thurgau, dann während mehrerer Jahre, vor allem als Gärtnergehilfe, in den Kantonen Zürich und Waadt sowie in der Berner Stadtgärtnerei. 1947 kehrt Hans Krüsi in die Ostschweiz zurück. Ein Jahr später lässt er sich in St. Gallen nieder und macht sich selbständig. Er reist fast täglich mit dem Zug von St. Gallen nach Zürich und verkauft dort Blumen an der Bahnhofstrasse.

Um 1975 beginnt er zu malen und zu zeichnen. In der St. Galler Engros-Blumenhandlung Hans Fischer stellt Krüsi 1975–76 zum ersten Mal aus. Für wenige Franken verkauft er seine Arbeiten an seinem Blumenstand, in Quartier- und Selbstbedienungsrestaurants, in der Eisenbahn und auf den Zürcher Flohmärkten. Künstler werden zuerst auf seine Werke aufmerksam. Ausstellungen in der Galerie Buchmann in St. Gallen und in der Galerie Anton Meier in Genf machen ihn 1981 einem breiteren Publikum bekannt. Krüsi ist in der Folge nicht mehr darauf angewiesen, Blumen zu verkaufen, und kann sich ausschliesslich seinem künstlerischen Werk widmen. 1990 finden Retrospektiven im St. Galler Museum im Lagerhaus und in der Lausanner Collection de l’art brut statt, 1995 im Kunstmuseum des Kantons Thurgau in der Kartause Ittingen.

Hans Krüsi beginnt früh, autodidaktisch zu fotografieren, zum Teil mit Apparaten aus zweiter und dritter Hand. Später macht er auch eigene Tonbandaufnahmen: Kuh- und Kirchenglocken, menschliche Stimmen und summende Wespen sind unter anderem darauf zu hören. Als er regelmässig zu zeichnen und zu malen beginnt, ist der Blumenverkäufer 55 Jahre alt. In rund 20 Jahren schafft Hans Krüsi ein umfangreiches zeichnerisches und malerisches Werk. Die Serviettenzeichnungen, die er zuerst noch neben seinen Blumen verkauft, stehen am Anfang: Mit Filzstiften zeichnet Krüsi auf Papierservietten, anschliessend werden die durchgepausten Motive auf den aufgefalteten Servietten überarbeitet und ergänzt. Mit der seriellen Wiederholung von ähnlichen Bildelementen spielt Krüsi auch in seinen Arbeiten aus zusammengeklebten und übermalten Milchkartons und in seinen objekthaften Kuhmaschinen mit aufgerollten beweglichen Papierstreifen, die er mit langen Reihen von Kühen bemalt.

Hans Krüsis Arbeiten fehlt jede gespielte Naivität. Er malt nicht die bäuerliche Idylle, sondern seine Welt: Kühe und Bauernhöfe, aber auch die Zürcher Bahnhofstrasse, von Menschen und Kühen bevölkert, und St. Galler Stadtansichten. Er nutzt und kombiniert, oft mit sehr viel Fantasie, Techniken und Materialien, Scherenschnitt und Collage, Sprüh- und Abklatschtechniken. Krüsi verwendet Farne als Schablonen, er übermalt Fotokopien und verwendet als Bildgrund häufig Wellpappe, baut aus Abfallholz zusammengestückte Hausmodelle. In seinen letzten Lebensjahren malt Hans Krüsi kaum mehr, enttäuscht von angeblichen Freunden, die sich vor allem für seine Bilder und Zeichnungen interessieren, beziehungsweise für das schnelle Geld, das sich damit verdienen lässt.

SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz

Marco Obrist, 1998, aktualisiert 2017 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4005477

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