Lotto 3005* - A138 Dipinti antichi - venerdì, 22. settembre 2006, 15h00
FLEMISH, CIRCA 1460–70
iese Pieta tauchte vor kurzem in den Beständen eines katholischen Institutes in Europa auf und ist als eine wichtige Neuentdeckung im Bereich der frühesten Malerei auf Leinwand in der westlichen Kunst zu bezeichnen. Insbesondere auch durch seinen ursprünglichen Zustand, der über die Jahrhunderte erhalten geblieben ist, stellt das Werk ein exzellentes Beispiel dieser frühen Malerei dar. D. Wolfthal hat dazu eine Übersicht erfasst: The Beginnings of Netherlandish Canvas Painting, 1989. Wie D. Wolfthal (op.cit., S. 30) erläutert, müssen Gemälde, wie die hier vorliegende Pieta damals in grosser Anzahl für den Markt gemalt worden sein. Das Thema ist meistens die Madonna mit Kind, die Grablegung oder die Pieta. Davon ist bis heute nur noch eine sehr beschränkte Anzahl übrig geblieben. Sie waren bestimmt für die private Verehrung, wobei die Bandtexte wie hier die Gläubigen zum Gebet anhalten sollten. Der Text steigert die Empfindung des Betrachters zu Maria: Wie traurig und erschüttert ist sie / die begnadigte Mutter der Erstgeborenen / sie weint und trauert und zittert, wenn Sie Ihren Sohn anschaut, der gestorben ist wegen der Sünden der Welt. Im Zentrum folgt das Gebet: Möge dein Geist eindringen. Die Technik dieser frühesten Gemälde auf Leinwand wurde auf Grund intensiver technischer Recherchen der Pieta von Dirk Bouts in der National Gallery von D. Bomford untersucht und publiziert (Bomford, D./Roy, A./Smith, A.: The Techniques of Dieric Bouts: two Paintings Contrasted, in: National gallery technical Bulletin, X, 1986, S. 39/57). Die Schlussfolgerung dieser Recherchen war, dass es sich bei der hier angewandten Technik um eine äusserst einfache, aber auch sehr sensible handelt. Die Leinwände sind nicht grundiert und die mit Tierleim angerührten Bindemittel machen die Oberfläche sehr empfindlich auf Wasser und Feuchtigkeit. Dazu sind die Werke nicht gefirnisst, was die Sensibilität der Malerei gegenüber äusseren Einflüssen noch erhöht. Insofern lässt sich auch erklären, aus welchem Grund heute kaum noch in dieser Technik gemalte Gemälde aus jener Zeit erhalten sind. Wie D. Wolfthal erkläutert, sind die meisten frühen Gemälde auf Leinwand von nicht namentlich bekannten Meistern geschaffen worden, die in einem grossen Gebiet von Frankreich, über Flandern bis nach Deutschland tätig waren. Das wichtigste Zentrum dieser Produktion, an deren Spitze mit mehr als sechs heute noch erhaltenen Werken Hugo van der Goes stand, war Brügge (vgl. Wolfthal, op.cit. Nrn. 11 - 15, m. Abb.). Die hier angebotene Pieta schliesst sich diesen Werken recht nahe an. Stimmung und Expressivität sind ähnlich. Die vergleichbare gotische Umrandung lässt einen Vergleich mit der Kreuzabnahme im Lindenau Museum, Altenburg, zu, die von Wolfthal einem Nachfolger von Hugo van der Goes in Ghent zugewiesen wurde (Wolfthal, op.cit., Nr. 16, Abb. 76). Die Produktion von Leinwandgemälden, wie unserer Pieta, ist in Verbindung zu sehen mit den im 15. Jahrhundert schnell in ihrer Popularität steigenden "Devotio Moderna", einer Erfindung von Geert Groote. Die Devotio Moderna, die in den Schriften von Thomas à Kempis ihre grösste Verbreitung fand, stellt die Imitatio Christi im Gebet ins Zentrum eines gläubigen Lebens.
CHF 30 000 / 45 000 | (€ 30 930 / 46 390)
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