Provenienz: - Vermutlich ursprünglich aus einem Dominikanerkonvent in Lucca, danach in der Certosa Santo Spirito ebd. - Seit ca. 1838 Edinburgh, Collection of Lord James Dennistoun of Dennistoun (1805-55). - Danach in Familienbesitz (Mr Henley-Henson) und nachfolgend in der Sammlung des Bischofs von Durham Castle Bishop Auckland (Durham). - Seit 1933 Saltwood Castle (Kent), Collection of Lord Kenneth Clark (1903-1983), Lord of Saltwood Castle. - London Sotheby's 1984, 3. Juli, Los Nrn. 94/2 u. 94/32. - 1994 London, Sam Fogg. - Danach in heutigem Besitz. Bibliographie: - William M.Voelkle, Roger S. Wieck, The Bernard Breslauer Collection of Art. Manuscript Illuminations, New York 1992, S. 181-185. - Mittelalterliche Handschriften und Miniaturen, Katalog Jörn Günther Hamburg, Hamburg 1995, S. 220. - Milvia Bollati in: Sumptuosa tabula picta. Pittori a Lucca tra gotico e rinascimento, Lucca 1998, S. 64-75, 217-218. - Gaudenz Freuler in: Ada Labriola, Cristina De Benedictis, Gaudenz Freuler, La miniatura senese.1270-1420, Mailand 2002, S. 196. Friedrich G. Zeileis, Più ridon le carte (3.ed.), Rauris 2014, S. 238-243. Die Initialen der beiden Blattfragmente mit den Buchstaben T und Q leiteten die Antiphon der Laudes für Philippus und Jakobus (1. Mai) Tanto tempore vobis cum sum ... resp. für die Apostelfürsten Petrus und Paulus (29. Juni) Quodcumque ligaveris super terram... ein. Sie sind Teil einer grösseren Serie von Fragmenten, die 1838 von James Dennistoun angeblich - so sein Vermerk - von der Certosa in Lucca angekauft wurden. Sie gelangten, 1933 von Kenneth Clark angekauft, schliesslich 1984 über Sotheby's wieder in den Handel (vgl. dazu Milvia Bollati, in Lucca 1998, S. 74 Anm. 26). Die Richtigkeit für Dennistouns Vermerk einer Provenienz aus Lucca ergibt sich aus verschiedenen ikonographischen und stilistischen Überlegungen, doch die Tatsache, dass eine Miniatur der Serie dem Dominikaner Thomas von Aquin gewidmet ist, mag die von Dennistoun vermeldete Provenienz aus einem Karthäuserhaus zumindest in Frage stellen. Die verschiedentlich für einige der Bildinitialen beobachtete künstlerische Bezugnahme zu Niccolò di Giacomo und Martino di Bartolomeo - der erste Autor eines im letzten Trecentojahrzehnt im Auftrag des Luccheser Bischofs Niccolò di Lazzaro Giunigi für die Karthäuser in Lucca illuminierten Chorbuchs, der zweite Autor der ebenfalls vom Giunigi Bischof in Auftrag gegebenen Chorbuchserie für den Dom von Lucca ca. 1394-1400 - bestätigen eine in Lucca tätige Buchmalerwerkstatt als Autorschaft der in Rede stehenden Bildinitialen. Innerhalb dieser zusammenhängenden Serie von Initialen sind verschiedene Hände zu scheiden; eine scheint sich, wie die gedrängte Komposition und die Figurentypen der Pfingstdarstellung in einer Initiale D zeigen (Bollati in: Lucca 1998 Abb. 49), aus der Buchkunst Nicolò di Giacomos entwickelt zu haben. Ihr müssen zugleich auch die Miniaturen des Sienesen Martino di Bartolomeo in den Chorbüchern für den Dom von Lucca bestens vertraut gewesen sein, wenn die Komposition der Auffahrt Christi direkt aus Martinos Initiale auf fol 139v des Corale 9 der Luccheser Chorbücher rezipiert ist (Bollati in: Lucca 1998 Abb. 50,51). Eine zweite gestaltet mit verfeinerter Klinge und orientiert sich ebenfalls primär an den Chorbüchern des Doms von Lucca (G. Freuler, 2002, S. 196 Abb. 88,89). Eine dritte jedoch ist es, der wir die beiden hier in Rede stehenden Initialen und weitere Elemente der Serie zuweisen. Diese dritte Hand scheint die etwas späteren Verhältnisse der Luccheser Malerei zu reflektieren, wie sie im Gebiet von Lucca und Pisa gegen 1405 von den aus Iberien eingewanderten respektive zurückgekehrten Malern wie dem Portugiesen Alvaro Pirez und Gherardo Starnina, aber auch von heimischen Malern wie dem Meister von Barga bestimmt wurden. Die gotischen Kadenzen ihrer Kunst finden sich in den bewegten Gewändern unserer Heiligenfiguren wieder, deren etwas kernige, mitunter hölzern wirkenden Gesichter Tendenzen erkennen lassen, wie sie auch im Werk des Meisters von Barga, etwa den vier Heiligen in einer Florentiner Privatsammlung (ca. 1405; vgl.Lucca, 1998, S. 300,Kat 36), aber auch in späteren von gotischeren Kadenzen geprägten Gemälden ähnlich vorzufinden sind. Die frische Erinnerung unseres Buchmalerkollektives an das Werk der in den letzten Jahren des 14. Jahrhunderts in Lucca tätigen Buchmaler Nicolò di Giacomo und Martino di Bartolomeo, lassen uns vermuten, dass die Antiphonare, aus denen die hier in Rede stehende Fragmentenserie stammt, wohl bereits um 1400 begonnen wurden. Auch diese dürften vom Bischof von Lucca, Niccolò di Lazzaro Giunigi, in Auftrag gegeben worden sein, denn sein Wappen - obwohl nie vollendet - figuriert als Skizze auf einem dieser Fragmente, der Initiale A mit der Auferstehung Christi aus der ehemaligen Sammlung Breslauer in New York (William M.Voelkle, Roger S. Wieck 1992, S. 181-185). Womöglich wurden die fraglichen Antiphonare gegen Ende des 14. Jahrhunderts von Giunigi in Auftrag gegeben. Da die Buchmaler seines Vertrauen gegen 1398 bereits nicht mehr zur Verfügung standen, muss er sich im lokalen Bereich umgesehen und eine lokale Buchmalergruppe berücksichtigt haben. Die Arbeit dürfte womöglich während Giunigis temporären politischen Schwierigkeiten, die aber entgegen alten, von der Kunstgeschichte kolportierten Meinungen nie eine Exilierung des Bischofs nach sich trugen, unterbrochen worden sein. Schon 1404 sass er wieder fest im Amt. Was auch immer die Gründe für einen Unterbruch des Buchprojekts gewesen sein mögen, dürfte dieses womöglich gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts vom dritten Miniaturisten, eben jenem der beiden hier in Rede stehenden Initialen, zu Ende geführt worden sein. Seine Buchkunst misst genauestens die Temperatur der eklektischen, von verschiedensten künstlerischen Strömungen geprägten Malerei in Lucca.
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