Provenienz: - 1996 Paris, Les Enluminures. - Danach in heutigem Besitz. Bibliographie: - P. Palladino, Treasures of a Lost Art. Italian Manuscript Painting of the Middle Ages and Renaissance, exhib. cat. Cleveland/San Francisco/New York 2003. - Gaudenz Freuler, Studi recenti sulla miniatura medievale: Emilia, Veneto e Toscana. Appunti intorno ad una recente mostra americana (parte II), in: Arte Cristiana, XCII, 2004, S.164 ff; Ada Labriola, Alcune proposte per la minatura fiorentina del Trecento, in: Arte Cristiana, XCIII, 2005, S. 14-26. - Veruska Pieroni, in: Giancarlo Savino (Hrsg.) Pistoia. Un' officina di Libri in Toscana dal medioevo all' Umanesimo, Florenz 2011, S.140-148. - Christina Sciacca (ed.), Florence at the dawn of the Renaissance. Painting and Illumination 1300-1350, Los Angeles 2012, S. 325 Anm.3. - Friedrich G. Zeileis, Più ridon le carte (3.ed.), Rauris 2014, S.194-196. Die in eine Initiale A eingebundene, auf einige wenige starke Farbtöne reduzierte Szene, zeigt die Heilung des Blindgeborenen nach Johannes 9, 1 -7. Dies ist der Inhalt der Lesung vom Mittwoch der 4. Fastenwoche, deren dritte Respons unsere Initiale A einleitet: Attendite populus meus ... Die bei ihrer Erstpublikation (Les Enluminures 1996) der Werkstatt des Florentiner Malers und Buchmalers Pacino di Bonaguida zugewiesene Bildinitiale mit der Heilung eines Blinden, wurde in der Folge treffend als Werk des nach seinen Miniaturen in zwei Chorbüchern aus der Collegiata San Giovanni Fuorcivitas in Pistoia genannten Meisters von San Giovanni Fuorcivitas erkannt (Pia Palladino, 2003). Dieser Zuschreibung folgte die nachfolgende Literatur (Ada Labriola, 2004, Gaudenz Freuler, 2008, Veruska Pieroni, 2011). In der Tat entspricht der Stil der charakteristischen ausdrucksstarken Figuren, ihre Gesichtsbildung mit prononcierter Kinnlade und festem Blick, die grosse plastische Präsenz ihrer wuchtigen Körper gleich wie das noch etwas archaisch wirkende limitierte Kolorit, das in erster Linie auf Rot und Blautöne, sowie Ocker und Grau abgestimmt ist, der Kunst des in Rede stehenden Buchmalers. Der Meister von San Giovanni Fuorcivitas darf zweifelsfrei zu den grossen Protagonisten der Florentinischen Buchmalerei des 2. Viertels des 14. Jahrhunderts gezählt werden und darf in einem Atemzug mit Pacino di Bonaguida, dem Meister der Effigi Domenicane, dem Maestro Daddesco genannt werden. Es überrascht kaum, dass er mit ihnen gelegentlich zusammenwirkte, so etwa für die Chorbücher von Impruneta, wo im VII. Band seine Hand zusammen mit jener Pacino da Bonaguidas ausgemacht werden kann (Ada Labriola 2004, S. 548). Die starke Expressivität seiner Figuren, die an die Fresken des Buffalmacco im Camposanto in Pisa und deren Exegeten in der pisanischen Buchmalerei erinnern, gleich wie die mitunter reiche Ausschmückung der Bordüren seiner Blätter (Cleveland, Cleveland Museum of Art, Wade 1939.677), die eine ähnliche künstlerische Gesinnung erkennen lässt wie die der pisanischen Miniaturisten, mag ein Indiz sein, dass sich seine Wege als Buchmaler zu einem gewissen Zeitpunkt mit denen einer pisanischen Werkstatt gekreuzt haben mögen. Seine Kunst präsentiert sich als hybrid und birgt Elemente des Pacino di Bonaguida und zeigt ganz klare Anleihen aus dem Werk des sogenannten Maestro Daddesco, einer erstrangigen Persönlichkeit im Panorama der frühen florentinischen Buchkunst der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die hier angesprochene Initiale mit der faszinierenden, mit einer Bildregie "von direkter Rede" vorgebrachten Erzählung der Heilung des Blinden, reiht sich unter eine erstmals von Palladino (2003) zusammengetragene umfassende Serie von 9 Einzelseiten und Bildinitialen, die mittlerweile durch Schreibenden (2004) und Ada Labriola (2008) auf rund 20 Fragmente angestiegen ist, wenn wir die beiden jüngst (2013) im Pariser Handel aufgetauchten Initialen D mit der Berufung der ersten Apostel (Basel, Jörn Günther, Abb.1) und E mit der Anbetung des Paulus durch eine Gruppe weisser Flagellanten (Paris, Sothebys, 8-9 April 2013, lot 225 Abb.2) sowie eine weitere S mit der Gefangennahme Christi (ehemals Hamburg, Jörn Günther) dazuzählen. Die Antwort auf die Frage, ob nun letztlich alle Fragmente, wie bisher postuliert, einer einzigen Serie aus zwei Bänden mit dem Proprium de tempore und dem Proprium und Commune de sanctis zugewiesen werden können, muss letztlich eine eingehende kodikologische und ikonographische Untersuchung an den einzelnen Fragmenten zutage fördern. Interessant ist jedenfalls, dass eines davon, jenes mit dem Paulus spricht zu den Geisselbrüdern auf die Involvierung der Compagnia dei Bianchi, einer Flagellanten-Gemeinschaft, hindeutet. Diese könnte sich unter den Schutz des Paulus gestellt haben. Damit wäre die Auftraggeberschaft im Umfeld einer compagnia di San Paolo zu suchen, welche die Chorbücher wohl gegen 1335 gestiftet hätte.
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