WELTI, ALBERT
* 18.2.1862 ZÜRICH, † 7.6.1912 BERN
Maler und Radierer.
Albert Welti wurde als ältestes von sieben Kindern des Ehepaars Barbara und Albert Welti-Furrer in Zürich-Aussersihl geboren und wuchs im lebhaften Grosshaushalt des schon damals bedeutenden Transportunternehmens auf. Beim Grossvater Jakob Furrer 1871 einquartierte Soldaten der Bourbaki-Armee und das alltägliche Geschehen auf dem Artillerieexerzierplatz vor der Fuhrhalterei sind Auslöser seines Interesses an geschichtlichen Szenen und Quellen für seine späteren Hauptthemen mit Szenen von Ross und Reiter.
Nach dem Realgymnasium in Zürich Besuch der kaufmännischen Abteilung der Industrieschule. Erster Unterricht beim Kupferstecher Johann Konrad Werdmüller. 1880 Beginn einer Fotografenlehre bei seinem Onkel Oswald Welti in Lausanne, die er nach einem Jahr abbricht. Dringliche Bitte an den Vater, endlich mit der sehnlichst erwünschten Malerlaufbahn beginnen zu dürfen. Mit dessen Erlaubnis zieht Welti 1881 nach München, wo er 1882 in die Akademie aufgenommen wird (Antikenklasse bei Alexander Strähuber, Naturklasse bei Nikolaus Gysis, Malunterricht bei Ludwig von Löfftz). Regelmässige Aufenthalte in Zürich. 1885 erste Begegnung mit Arnold Böcklin, der Weltis Vater in einem Gutachten die Begabung des Sohnes zum Maler attestiert. 1886 erste Radierungen. 1887–1888 in Venedig, danach Eintritt als Schüler in das Atelier von Böcklin.
1901 Auftrag für die Glasfenster im Treppenhaus des Bundeshauses mit dem Thema Die ostschweizerische Textilindustrie. 1903 Geburt des Sohnes Ruedi. 1904 unausgeführter Auftrag für das Wandbild Ehestandsfries (Kunsthaus Zürich, Depositum der Gottfried Keller-Stiftung) im Zivilstandsamt Zürich. 1906 Tod des Vaters. Anschliessend Aufenthalt in Innertkirchen und später in Vättis, wo zahlreiche Naturstudien (Pastelle) entstehen. 1907 unerfreuliche Auseinandersetzungen um die 25-Rappen-Briefmarke mit dem Tellenbüblein. Im gleichen Jahr Anfrage des Bundes zur Ausführung des grossen Wandbildes für den Ständeratssaal im Bundeshaus. Nach längerer Bedenkzeit Zusage unter der Bedingung, dass die Arbeit gemeinsam mit dem Malerfreund Wilhelm Balmer ausgeführt werden kann. 1908 Rückkehr in die Schweiz, Niederlassung in Bern. Bis zu seinem Tode 1912 vornehmlich mit dem Bundesauftrag beschäftigt, dessen Thema Die Landsgemeinde der Künstler selber wählt.
Dazu zahlreiche Entwürfe, Skizzen, Zeichnungen und Kartons. 1911 unerwarteter Tod von Weltis Frau. 1912, kurz vor seinem Ableben, Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Zürich. 1912 Gedächtnisausstellungen im Kunsthaus Zürich und im Kunstmuseum Basel, 1962 im Kunsthaus Zürich, 1991 Retrospektive im Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen. 2011 ̶ 2012 Ausstellung der Pastelle Weltis im Kunsthaus Zürich. Albert Weltis Werk steht an der Wende zweier Jahrhunderte. In seinen Gemälden und Auftragsarbeiten ist er einer altmeisterlichen Temperatechnik verbunden, in seinen Pastellen und Zeichnungen verarbeitet er die von ihm verbal abgelehnten impressionistischen Eindrücke der «modernen Prosaheini». Der Übergang als zentrales Thema erscheint in Metaphern wie der Brücke (Die Fahrt ins 20. Jahrhundert, 1899, Radierung), in Lebensalter-Ritualen (Hochzeitsabend, 1898, zerstört; Lebensalter, 1897, Kunsthaus Zürich, Depositum der Gottfried Keller-Stiftung), als Schritt vom Leben zum Tod (Auszug der Penaten, 1905, Kunstmuseum Winterthur) und in der Darstellung der Dämmerung in seinen Landschaftspastellen.
Weitere wichtige Motive sind das Pferd sowie Pferd und Reiter oder Reiterin, Motive aus dem Alltag seiner Kindheit, die er in Vorstellungs- und Fantasiegebilde aus Märchen, Sagen und Legenden überführt. Seine literarischen Impulse erfährt er aus dem Werk von Gottfried Keller. In München und auf seinen Reisen lernt er das Pferd als Gegenstand der Wand- und Historienmalerei kennen (Tiepolo, Rubens). In den Pferdeskizzen Steigerung von Bewegungsabläufen. Nimmt die traditionelle Symbolik des Pferdes als Sinnbild ungezügelter Leidenschaft (Hans Baldung Grien) auf und führt sie in die Sprache des Unbewussten der modernen Tiefenpsychologie über. Ein weiteres Thema ist der Eremit, der oft selbstbildnishafte Züge besitzt (Die drei Eremiten, 1907–1908, Öffentliche Kunstsammlung Basel, Kunstmuseum).
Daneben entstehen sensible Selbstbildnisse und Porträts der Familienmitglieder. Prägend für Weltis Bildauffassung im Sinne Böcklins bleibt die «grosse Idee (Auffassung)» eines Werkes und eine Farbigkeit, die von einem Grundton zusammengehalten wird. Das Malerische hat sich dabei der Idee unterzuordnen; am Hell-Dunkel-Kontrast und an der Lokalfarbe wird festgehalten. In Ablösung von der Gedankenmalerei seines Lehrers Einbezug von Naturstudien. In den Landschaftspastellen Nähe zu den Paysages intimes der Schule von Barbizon. Mit der Wiedergabe märchenhafter Stimmungen gelingt es Welti, Traumempfindungen zu evozieren; darin Verwandtschaft zu den Pastellen von Odilon Redon. In Weltis Druckgrafik, die zum Bedeutendsten in seiner Zeit und in der Schweizer Grafik überhaupt gehört und mit derjenigen von Max Klinger verglichen werden kann, erfolgt eine Zuspitzung des Unheimlichen und Irrealen.
Durch sie (Der Ehehafen, 1906) und die radierten Neujahrskarten und Exlibris erreicht er zu Lebzeiten seine grösste Popularität. Welti zeigt auch grosses Interesse an Kunsthandwerk und Kunstgewerbe. Die von ihm in Annährung an die Jugendstilornamentik gefertigten Rahmen erweisen sich in diesem Zusammenhang als fantastische architektonische Konstruktionen. Die Modernität von Welti ist nicht in einer neuen Formensprache zu suchen, sondern in einer Trivialisierung der festgelegten historisch-mythologischen Ikonografie, die er in eine individuell geprägte Traumwelt überführt. Darin Vermittlung einer Sphäre des Unbewussten mit entsprechenden Traum- und Triebstrukturen (Haus der Träume, um 1897, Schaffhausen, Museum zu Allerheiligen; Nebelreiter, 1896, Öffentliche Kunstsammlung Basel, Kunstmuseum; Walpurgisnacht, 1896–1897, Kunsthaus Zürich).
Welti offenbart sich damit gleichzeitig als ein Zeitgenosse Freuds, als ein Nachfahre seines Landsmanns Johann Heinrich Füssli wie auch als ein Vorläufer des Surrealismus. Es gehört zu den absurden Entscheiden schweizerischer Kulturpolitik, dass der für Kleinformate bekannte Welti den Auftrag für das Wandbild im Ständeratssaal erhielt, während gleichzeitig dem für seine Grossformate gefeierten Hodler ein Auftrag für die 50er- und 100er-Banknote zugesprochen wurde, ein Paradox, das Welti selbst kritisierte.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Tina Grütter, 1998, aktualisiert 2012 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4022850
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