MOOS, MAX VON
* 6.12.1903 LUZERN, † 28.5.1979 LUZERN
Maler, Zeichner und Grafiker.
Als zweiter Sohn von Helena und Joseph von Moos wächst Max von Moos im Atelierhaus Im Heimbach in Luzern auf. Sein Vater ist Künstler, unterrichtet an der Luzerner Kunstgewerbeschule und wird später deren Direktor. 1917 erkrankt Max von Moos an Tuberkulose und verbringt ein halbes Jahr bei Verwandten an der Riviera. 1918 Rückfall, einjähriger Kuraufenthalt in Arosa. Während seiner Krankheit beginnt er zu zeichnen und zu malen. 1919 tritt Max von Moos in die Luzerner Kunstgewerbeschule ein, wo er drei Jahre bleibt; Unterricht beim Vater Joseph von Moos, den er später als seinen wichtigsten Lehrer bezeichnet. 1922–1923 Studienaufenthalt an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in München beim Niederländer Johan Thorn Prikker.
Von Moos besucht Vorlesungen der Kunsthistoriker Joseph Popp und Heinrich Wölfflin. 1923 Rückkehr ins Luzerner Elternhaus; er liest Nietzsches Also sprach Zarathustra und gibt die künstlerische Tätigkeit entmutigt auf. 1924–1927 Lehre als Buchantiquar in Basel. 1927–1928 Arbeit in einem Genfer Antiquariat. Nach seiner Entlassung kehrt Max von Moos nach Luzern zurück. 1929 arbeitet er während kurzer Zeit in einer Reklameagentur in Horw. Anregende Bekanntschaft mit dem deutschen Maler Ernst Maass. Beide sind begeistert vom Œuvre Paul Klees, das von Moos in München noch nicht überzeugt hat. Max von Moos nimmt die unterbrochene künstlerische Tätigkeit wieder auf. 1931 Teilnahme an der Ausstellung Junge Kunst aus der Innerschweiz in der Galerie Aktuaryus in Zürich. 1933 feste Anstellung als Lehrer an der Luzerner Kunstgewerbeschule, wo er seit 1929 als Hilfslehrer tätig war und bis zu seiner Pensionierung 1969 eine Reihe von Fächern unterrichtet. 1934 entstehen die ersten surrealen Werke. 1936 nimmt von Moos an der Ausstellung Zeitprobleme in der Schweizer Malerei und Plastik im Zürcher Kunsthaus teil.
Er ist ein Gründungsmitglied der Allianz, der Vereinigung moderner Schweizer Künstler, die sich im Anschluss an diese Ausstellung formiert. 1937 Ausstellung im Kunstmuseum Luzern (mit Fritz Pauli). Auseinandersetzung mit dem Marxismus, gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Konrad Farner; der in Paris exilierte marxistische Kunsthistoriker Max Raphael besucht von Moos in Luzern. 1939 Tod des Vaters. 1944–1947 aktive Mitarbeit in der Partei der Arbeit. Gründungsmitglied der Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion. 1947 zieht sich Max von Moos aus der aktiven Politik zurück, gestaltet aber weiterhin Wahlplakate. Vorausgegangen war diesem erzwungenen Rückzug eine Untersuchung wegen angeblichen Missbrauchs des Lehramts zu politischen Zwecken; es drohte der Stellenverlust. 1955 und 1960 Reisen nach Griechenland. 1961 Retrospektive im Kunstmuseum Luzern; beginnende öffentliche Anerkennung, zuerst in der Innerschweiz, dann vor allem in der deutschen Schweiz. 1964 Reise in die UdSSR; die innere Distanz zum Marxismus verstärkt sich. 1966 Kunst- und Kulturpreis der Stadt Luzern. 1968 Ausstellung im Kunstmuseum Winterthur (mit Otto Tschumi). 1971 im Anschluss an eine Operation ist die künstlerische Schaffenskraft vorübergehend stark eingeschränkt. 1973 Ausstellung im Kunstmuseum Luzern (mit Ernst Maass). Ein altes Augenleiden verschlimmert sich; von Moos gibt die Malerei in Öl und Tempera auf. 1974 erste Monografie über Max von Moos. 1979 Ausstellung im Kunsthaus Zürich (mit Camille Graeser). 1984–1985 Retrospektive in Luzern, München und Wien.
In den 1930er Jahren entwickelt Max von Moos in Luzern seine eigene surreale Ikonografie. Im Unterschied zu Alberto Giacometti, Meret Oppenheim, Kurt Seligmann oder Serge Brignoni sucht er nie den direkten Kontakt zu den Pariser Surrealisten. Er scheint sich auch kaum für deren Schriften und Theorien zu interessieren und bleibt ein Einzelgänger. Ganz abgeschnitten vom zeitgenössischen Geschehen ist er allerdings nicht: 1935 findet im Kunstmuseum Luzern die berühmt gewordene avantgardistische Ausstellung These–Antithese–Synthese statt, und von Moos gehört der Künstlergruppe Allianz an, die für moderne Tendenzen eintritt.
In seiner Heimatstadt gilt er jedoch vor allem als Lehrer; seine künstlerischen Arbeiten entstehen neben dem Unterricht und werden während Jahrzehnten kaum wahrgenommen. In den Werken der frühen 1930er Jahre geht Max von Moos vom Œuvre Paul Klees aus. Um 1933 finden sich in seinen Bildern vermehrt antike Theatermasken und Säulen, Reflexe der Pittura Metafisica; 1934 malt er ein frühes surreales Bild, ein stillebenhaftes Arrangement mit einem maskierten gehörnten Kopf (Dämonisches Frühstück). Masken und maskenhafte Köpfe bleiben auch später ein zentraler Motivkreis im Schaffen von Max von Moos. Archäologisch muten vier Versteinerte Tänzerinnen auf einem Gemälde von 1936 an, aufgereiht auf einem rechteckigen Block, der vom reliefierten Fries eines griechischen Tempels stammen könnte. Der Surrealist ist auch ein humanistischer Bildungsbürger, und seine Titel zitieren nicht selten mythologische Gestalten: wir treffen auf griechische Moiren, römische Parzen und germanische Nornen. In den 1930er Jahren entwirft der erklärte Atheist von Moos Paramente und trägt sich mit dem Gedanken, Werkstätten für Paramentik zu gründen.
1938–1939 entstehen einige konstruktive Werke, die auf den Einfluss Hans Ernis zurückgehen, und ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre malt von Moos auch eine Reihe tachistischer Gemälde. Nachdem der Künstler 1973 die Malerei aufgeben muss, entstehen bis in die Mitte der 1970er Jahre noch Filzstiftzeichnungen, dann versiegt die künstlerische Produktion. Max von Moos malt in einer fast altmeisterlichen Technik – er verbindet Öl- und Temperamalerei – und schafft ein bedeutendes, zugleich sensibles und zeitkritisches, anklägerisches surreales Œuvre, das von Hans-Jörg Heusser einer eingehenden tiefenpsychologischen Analyse unterzogen wurde. In Hauptwerken wie Parade von 1954 und Totenparade von 1962, Höhepunkten einer umfangreichen Werkgruppe, die ihn während Jahrzehnten immer wieder beschäftigt, inszeniert Max von Moos einen strengen, mitten in mechanischer Bewegung erstarrten Totentanz.
In den surrealen Werken, die zu seinen bedeutendsten Arbeiten zu zählen sind, verschränkt er Vergangenheit und Gegenwart. Er arbeitet einerseits mit karikaturesken oder grotesken Bildelementen und anamorphotischen Verzerrungen – Mittel, die bereits der Manierismus kennt. Seine Bilder künden von einer pessimistischen, bisweilen apokalyptischen Weltsicht. Vergleichbares findet sich etwa in Höllenvisionen des späten Mittelalters oder in barocken Vanitas-Darstellungen. Andererseits lassen sich formale Parallelen in den Werken von Zeitgenossen wie Max Ernst, Pablo Picasso, Fernand Léger oder Giorgio de Chirico feststellen. Weniger eigenständig als das surrealistische Werk sind von Moos’ abstrakte Arbeiten der späteren 1930er Jahre und die tachistischen Werke der 1950er und frühen 1960er Jahre.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Marco Obrist, 1998, aktualisiert 2015 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4000066
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