LUGINBÜHL, BERNHARD
* 16.2.1929 BERN, † 19.2.2011 LANGNAU IM EMMENTAL
Eisenplastiker, Zeichner, Kupferstecher und Filmer.
Die früheste erhaltene Zeichnung von Bernhard Luginbühl, entstanden im Jahr 1946, zeigt einen Dinosaurier. Als Sohn eines Metzgers aus dem Berner Lorrainequartier bleibt Luginbühl den Tieren, insbesondere den grossen unter ihnen, sein Leben lang in einer unsentimentalen Faszination verbunden. Die Zoologie ist die zentrale Inspirationsquelle seiner Arbeit, und spätere Skulpturen zeigen Stiere, Giraffen, Bulldoggen, Mäuse, Saurier, Elefanten, Skarabäen.
In der zweiten Hälfte der 1940er Jahre, während und nach einer (abgebrochenen) Bildhauerlehre, entstehen zunächst Frauenfiguren und Porträtbüsten in Holz und Stein. Der Künstler hat dieses Frühwerk später fast vollständig zerstört, erhalten sind wenige Fotografien. Die Bekanntschaft mit dem Direktor der Berner Kunsthalle, Arnold Rüdlinger, der den jungen Bildhauer als Gehilfen für den Ausstellungsaufbau engagiert, bringt Luginbühl in Kontakt mit der modernen Plastik seiner Zeit (Julio González, Alexander Calder, Eduardo Chillida) und verändert seine Arbeit grundlegend: Ein erster Stier aus Eisen löst Ende 1949 an der Weihnachtsausstellung der Berner Künstler in der Kunsthalle einiges Befremden aus. Für Luginbühl aber öffnet sich mit dem neuen Material eine Strasse. Ab 1953 widmet er sich fast ausschliesslich der Eisenplastik.
Er hat sein mythisches Material gefunden, im Guten wie im Bösen: «zum böseisen gehören panzer splitter hack und das klemmböseisen das kettenundgittereisen [...]aber es gibt auch das liebeisen aus dem die eisenbahn gemacht ist es gibt das liebe brotkneteisen und das zuckerlutscheisen mammibretzeleisen [...]» (1972). Retrospektiven in verschiedenen europäischen Museen und Aufträge aus mehreren Kontinenten bestätigen Anfang der 1970er Jahre den Weltrang von Luginbühls Arbeit. Luginbühl, Jean Tinguely und Robert Müller machen Schweizer Eisenplastik zu einem begehrten Exportartikel. Während sich jedoch Tinguely leichtfüssig auf dem internationalen Kunstparkett bewegt, zeigt sich Luginbühls ländliche Verwurzelung schon in einem mangelnden Talent zu einem Jet-Set-Dasein. Das 1966 bezogene grosse Bauernhaus in Mötschwil wird mit den Jahrzehnten zum Refugium und zum Zentrum einer kreativen Existenz, welche die ganze Lebensumwelt gestaltend einbezieht.
Der Rückzug ins Emmental wird nur 1979–1981 durch Aufenthalte in Hamburg und in Berlin unterbrochen. 1997 wurde die Bernhard Luginbühl Stiftung gegründet, die seit 1998 den Skulpturenpark Bernhard Luginbühl in Mötschwil der Öffentlichkeit zugänglich macht. Die Stiftung betreibt ausserdem seit 2007 im Alten Schlachthaus Burgdorf ein Luginbühl Museum. Das erste Jahrzehnt des Schaffens ist geprägt von kämpferischem Pathos. Es äussert sich in Werkserien, die formale Umsetzungen von Energie und Masse vom Abstrakten langsam in die körperhaft-elementare organische Konkretion führen. Die Serien heissen: Element (1954), Kopfvolumen (1955), Aggression (1955–1962), C-Figur (1958–1964), Raumhaken (1959– 1967), Strahler (1960–1964) und Bulldog (1963–1964). Die meist noch kleinformatigen Plastiken erschliessen Luginbühl die nötige Materialkenntnis und handwerkliche Erfahrung, ein statisches Gespür sowie eine formale Sicherheit, die in den 1960er Jahren in einem mächtigen Atemstoss eine Sequenz herausragender Arbeiten entstehen lässt. Sie umkreisen allesamt die kreatürlichen Rudimente einer industriellen Maschinenästhetik. Die Skulpturen sind nun grösser, die Formen reduziert. Sie verquicken mit sicherer Hand und scharfem Auge die epische Schönheit auf dem Schrottplatz gesammelter Exempel (früh-)industriellen Eisengusses mit zoomorphen Anspielungen.
Von den Zeitgenossen werden sie in den 1960er Jahren vorwiegend zivilisationskritisch interpretiert. Hier scheint jedoch Vorsicht am Platz: Luginbühl schweisst sich voller Lust seinen schwerindustriellen Zoo fantastischer Spielzeugtiere zusammen, und zwar in den Dimensionen, die ihm angemessen erscheinen: Elefant (1964), Giraffe (1965–1968), Silver Ghost (1966), Tell (1966), Zyklop (1967), Stengel (1968–1970) sowie die Serie von Flügelmutterfiguren (Punch, Bimbo, Sam, Wys Ma, Osakapunch, alle 1966–1996). Diese Arbeiten der 1960er und frühen 1970er Jahre bestechen durch die formale Strenge und Geschlossenheit der Aussenform, welche den Überschwang der Fantasie, der in den Binnenstrukturen ausbricht, kontrolliert. Winkelbildungen, konvexe und konkave Wölbungen, die Spannungsverhältnisse des Tragens und Lastens, das Zusammenspiel von geschlossener Form und ihrer Umgebung sowie die Verzahnung von Volumen und Flächen im Raum sind ebenso bezeichnend wie die grosse Geste, die physische Wucht der Arbeiten und ihre herausfordernde Aggressivität. Luginbühl stellt im Zweifelsfall Kraft über Eleganz und überbietet seine Vorläufer (Picasso, González, Müller) durch Energie und Masse. Alle seine urtümlichen Kolosse scheinen trotz ihrer massiven statischen Präsenz zur Bewegung hinzustreben.
Diese stellt sich – nicht zuletzt aufgrund der engen Freundschaft Luginbühls mit Tinguely – mit der Atlas-Serie ein: Grazile Ungetüme wiegen gigantische Eisenkugeln gemächlich über eine Bahn aus zarten Eisenrohren. Neben der plastischen Arbeit widmet sich Luginbühl auch intensiv dem Film; erste Experimente, vornehmlich Trickfilme, entstehen ab den 1950er Jahren. Der Kleine Emmentalfilm, eine eigenwillige ethnografische Dokumentation über den Modernisierungsprozess in einer ländlichen Region, entfacht in der Schweiz heftige Kontroversen (1970). Daneben wächst Luginbühls grafisches Werk kontinuierlich. Die Entstehung der Plastiken wird von Anbeginn begleitet durch intensive zeichnerische Kontrolle in Tusche, Bleistift und Filzstift sowie mit Lithografien und Kaltnadelradierungen. Das grafische Werk legt den spätsurrealistischen Kern von Luginbühls Schaffen frei: einen in der Zeichnung oft noch virtuoser als im Dreidimensionalen umgesetzten überbordenden Reichtum fantastisch-figurativer Formen. Ab Mitte der 1970er Jahre konsolidieren sich die plastischen Bestände. Sisyphus (1977) und Skarabäus (1978) entwickeln das Atlas-Motiv weiter.
Es zeigt sich neu Luginbühls Hang zu spätbarock-wuchernden Assemblagen in grossen, knallbunten Arbeiten aus ausrangierten hölzernen Gussformen der Eisenindustrie: Stucki (1975), Kulturkarette (1975), Blauer Ritter (1976) oder Tischlein deck dich (1976). Diese eigentliche «Holzphase» produziert zudem kleinere, feinteilige, vielgliedrige Holzreliefs, Assemblagen und Skulpturen. In spektakulären Verbrennungsaktionen lässt Luginbühl verschiedentlich gigantische Holzskulpturen in Rauch und Feuerwerk aufgehen. Er manifestiert so seinen Zorn (so der Titel verschiedener Aktionen in den 1970er Jahren) über Traditionsverlust und den Triumph einer Beton- und Kunststoffkultur. In seinem kulturkritischen Zorn bezieht sich der Künstler unmittelbar auf Adolf Wölfli. Am sprechendsten wird diese früh entdeckte Wahlverwandtschaft im poetischen Werk. Luginbühl ist nicht nur ein fantastischer Prahler und Raconteur, mit manischer Energie schreibt und zeichnet er über Jahrzehnte Berge von (Tage-)Büchern voll. Sie enthüllen hinter dem ruppigen Handwerkerimage sprudelnde Sprachlust, feinen Humor und eine hohe, sensible und nervöse Intelligenz. Die seinem Charakter und seiner Arbeit inhärenten Gefährdungen des Grössenwahns meistert Luginbühl, indem er sich titanische Aufgaben auferlegt. Sei es als Plastiker, als Gärtner, als Tierzüchter, als Koch oder als Patriarch eines stets wachsenden, drei Generationen umfassenden und in das kreative Gesamtkunstwerk eingebundenen Familienclans.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Tobia Bezzola, 1998, aktualisiert 2012 ;https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4000063
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