GLARNER, FRITZ
* 20.7.1899 Zürich, † 18.9.1972 Locarno
Maler und Zeichner.
Bereits die Jugend Fritz Glarners ist geprägt durch lange Aufenthalte im Ausland. Die Tätigkeit des Vaters als Konstrukteur von Mühlen bedingt einen häufigen Wechsel des Wohnsitzes der Familie. 1905–1909 wächst er in Neapel auf, es folgen drei Jahre in Paris und zwei in Chartres. Mit der Rückkehr nach Neapel 1913 beginnt seine künstlerische Ausbildung; Besuch des Regio Istituto di Belle Arti (1914–1920). Die wesentliche Anbindung an die französische Avantgarde vollzieht sich 1923–1935 in Paris. Er trifft Michel Seuphor, Fernand Léger, Theo van Doesburg, Piet Mondrian, Robert und Sonja Delaunay sowie Jean Arp und Sophie Taeuber-Arp. Dieser Zirkel von Freunden bestimmt wesentlich Glarners theoretische Reflexion und Standortbestimmung in der Avantgarde, geprägt von den Gedanken des Konstruktivismus. Der ersten Einzelausstellung in der Galerie d’Art Contemporain 1926 folgt die Teilnahme an wichtigen Gruppenausstellungen: 1934 Groupe Abstraction-Création und Salon des Surindépendants.
Ein Jahr verbringt Glarner in Zürich, bevor er 1936 nach Amerika übersiedelt, von wo er erst 1971 zurückkehrt. Dennoch besteht in diesen Jahren eine enge Beziehung zur Schweizer Kunstszene: 1930 nimmt er am Wettbewerb für ein Wandbild einer Luzerner Kirche teil, 1936 ist er auf der Ausstellung Zeitprobleme in der Schweizer Malerei und Plastik im Kunsthaus Zürich vertreten, und 1937 schliesst sich der bereits nach Amerika übergesiedelte Maler der Künstlervereinigung Allianz an, die von Max Bill getragen wird. New York, wo das Ehepaar Glarner von 1936 bis 1957 lebt, ist ihm durch längere Aufenthalte bei der Familie der Ehefrau bekannt. Bereits 1931 hatte er im dortigen Civic Club seine erste Einzelausstellung in Amerika. Ab 1938 regelmässige Teilnahme an den Ausstellungen der American Abstract Artists (AAA), deren Mitglied er wird. Mit Mondrian, der 1940 aus London emigriert, verbindet ihn ebenso eine Freundschaft wie mit dem amerikanischen Maler Burgoyne Diller.
In den 1940er Jahren wird er zu einer der zentralen Figuren der Kunstszene in New York. Sein Vortrag Relational Painting an der Kunstschule der Abstrakten Expressionisten, Subjects of the Artist, 1949 ist ein Beleg für die unmittelbare Teilnahme an der amerikanischen Diskussion um die Entwicklung der Moderne. Im Vortrag beschreibt Glarner rückblickend seine stilistische Entwicklung als einen kohärenten Prozess der Abkehr vom Gegenständlichen hin zum rein räumlichen und formalen Problem. Der Schweizer, der 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhält, wird als einer der führenden Vertreter der neuen amerikanischen Malerei gefeiert.
Bereits 1949 organisiert einer der wichtigsten New Yorker Galeristen, Samuel Kootz, eine Einzelausstellung für Glarner. In den programmatischen Ausstellungen von Kootz und David Porter Gallery in Washington ist er zusammen mit Künstlern wie Robert Motherwell, Jackson Pollock, Mark Rothko ebenso vertreten wie in den Contemporary Painting Annual des Whitney Museums. Das Museum of Modern Art nimmt ihn in die Ausstellungen zur Entwicklung der abstrakten amerikanischen Kunst auf. 1951 werden Werke Glarners innerhalb des amerikanischen Beitrags auf der Bienal de São Paulo gezeigt. Ausstellungen in Paris (1952, 1955, Galerie Louis Carré) und Zürich (1956, Kunsthaus) lassen ihn auch in Europa bekannt werden.
Die Schweiz, zu der er weiterhin intensiven Kontakt pflegt und mit der ihn Künstlerfreundschaften verbinden, integriert ihn in ihren nationalen Beitrag zur internationalen Moderne. Gruppenausstellungen zur Schweizer Abstraktion: 1957 Neuenburg, 1958 Winterthur, 1964 Schweizerische Landesausstellung in Lausanne, 1966 Wanderausstellung Schweizer Malerei und Plastik 1946–1965 und 1958, 1964 und 1968 auf der Biennale di Venezia. Nach längeren Besuchen in der Schweiz, wo er in Locarno im Atelierkomplex des Bildhauers Remo Rossi arbeitet, kehren Glarners 1971 endgültig in die Schweiz zurück, um sich in Locarno niederzulassen.
1972 erhält Glarner eine Retrospektive in der Kunsthalle Bern. 1976, vier Jahre nach seinem Tod, erscheint eine Monographie mit Werkverzeichnis. Gemäss der testamentarischen Verfügung von Lucie Glarner, die 1979 verstirbt, wird der Nachlass von Fritz Glarner dem Kunsthaus Zürich übergeben. Aus dieser reichen Sammlung, die Dokumente, Fotografien, Zeichnungen und Ölgemälde umfasst, werden einige wichtige Werke dem Kanton Tessin übergeben. Fritz Glarners Landschaften und Porträts aus der Zeit in Neapel sind wenig bekannt. Seine frühen Interieur- und Stilleben-Abstraktionen aus Paris sind entscheidende Belege für die Auseinandersetzung mit den formalen Problemstellungen der europäischen Avantgarde. Er experimentiert in Paris mit einer reduzierten Farbskala und Annäherungen zwischen Raum und Bildfläche. Geometrische Kompositionen stehen neben Arbeiten mit klaren Objekt-Referenzen.
Wie bei Mondrian ist eine schrittweise Annäherung an die reinen Bildmittel, befreit von jeglicher Objektbezogenheit, in der Entwicklung von Glarners Werk nachzuvollziehen. Seine Zuordnung zu den Zürcher Konkreten stützt sich auf die Werke der Jahre 1935–1936. Glarners herausragende Stellung in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts gründet sich jedoch auf seinen Beitrag zur Entwicklung der geometrischen Abstraktion in Amerika. Er ist dabei in Zusammenhang mit amerikanischen Künstlern wie Ilya Bolotowsky, Harry Holtzman und Burgoyne Diller zu sehen. Glarners Werk geniesst als amerikanischer Beitrag in der Auseinandersetzung mit Mondrian sehr früh grosse Erfolge. Nach Mondrians Tod 1944 entwickelt Glarner eigenständige künstlerische Zielsetzungen und Ausdrucksformen.
Die 1936 gegründete Künstlervereinigung American Abstract Artists profiliert sich als Vertretung der amerikanischen Avantgarde. Glarner arbeitet hier in einer Gruppe, die getragen wird von den Europäern Josef Albers, Fernand Léger, Laszló Moholy-Nagy und natürlich Mondrian. 1938–1944 steht Glarner im Zentrum einer Diskussion, die auf der einen Seite die Abstraktion als Weltsprache propagiert und auf der anderen nach dem spezifisch amerikanischen Beitrag fragt. Glarner stellt seine theoretischen Positionen nicht nur in der Kunstschule Subjects of the Artist zur Diskussion, sondern beteiligt sich auch an zahlreichen bedeutenden Symposien (Vorträge A Visual Problem, The Club, 8th Street, 1949; What Abstract Art Means to Me, The Museum of Modern Art, 1951). Das Rechteck und die geometrische Farbfläche als Ausgangspunkt für jede Komposition, die sich direkt aus der Bildform ableitet, stellen ihn in die Tradition der konkreten Kunst.
Er nennt seine Kompositionen ab 1941 Relational Painting (Malerei der Beziehungen). Die Arbeiten der 1940er Jahre sind geprägt von einer verstärkten Hinwendung zur planimetrischen Geometrie. Es entstehen Sequenzen, die auf intensiv weissem Grund formale Variationen als Kausalität erproben. Glarners Kompositionen entwickeln jedoch ihre besondere Stärke im Problem der Schichtung grafischer Elemente zu einem Bildraum. Die Schwerpunkte der Kompositionen finden sich häufig zum Rand hin platziert, so dass in der Mitte eine Leere entsteht. Glarner bevorzugt bis 1958 ein fast quadratisches Hochformat. Er hat in diesen Jahren sein eigenes Vokabular geometrischer Elementarformen erarbeitet und entwickelt Mondrians Gerüst und Theorie des «Neoplastizismus» weiter. Gemälde und Skizzen belegen die intensive Auseinandersetzung mit dem Problem des «dynamischen Gleichgewichtes» (Mondrian) (Skizzen zu Dynamic Balance, 1942, Kunsthaus Zürich). Die signifikanten Merkmale von Glarners künstlerischen Fragestellungen führen über Studien der Endpunkte der Vertikalen und Horizontalen, die er nicht länger bis zum Bildrand führt. Gleichzeitig sucht er nach Zentralpunkten in der aufbrechenden Liniengliederung. Das von Mondrian als kompositorisches Grundelement bestimmte Quadrat wird von Glarner in zwei Rechtecke unterteilt. Diese Basis wird weiter unterteilt durch zwei farblich abgesetzte Flächen, die eine Trennungslinie im Winkel von 15 Grad entstehen lassen. Er sprengt so Mondrians horizontal-vertikales System. Die Wechselwirkung der Primärfarben intensiviert Glarner durch ein differenzierteres Studium der Grauabstufungen als Mondrian. Diese fein abgestufte Palette vermittelt nicht nur zwischen dem reinen Weiss und dem reinen Schwarz, sondern lässt die Primärfarben in immer wieder neuen Ausdrucksqualitäten im planimetrischen Teilungssystem hervortreten. Oft sind es die Farbfelder, die in ihrer extremen Streckung die Funktion der gliedernden Strukturen übernehmen, und die Flächen erscheinen in den für Glarner eigenen Weiss- und Grautönen. Gleichzeitig durchbricht er mit ihnen die Planimetrie des Bildes zugunsten räumlicher Tiefenwirkung.
Ähnlich wie Bolotowsky, der den Rhombus, das Oval und das Tondo als neue Bildformate erkundet, findet Glarner ab 1943/1944 im Tondo zu einer seiner interessantesten künstlerischen Problemstellungen. Die Tondi bilden einen eigenen Typus des Relational Painting. Seine ersten Tondi lassen die rechteckigen Rhythmen ohne Vermittlung auf die gegenläufigen Formkräfte des Rahmens stossen. Spätere Werke zeigen eine Bearbeitung dieses Spannungsverhältnisses durch einen schmalen Grenzbereich, der in die Komposition selbst die Rundung des Kreises aufnimmt. Für diese Rundbilder ersetzt Glarner die Leinwand durch die Hartfaserplatte. In den 1950er Jahren setzt er sich mit dem Problem des grossen Formates auseinander und findet zum Wandbild. Das grosse Werk im Time-Life-Gebäude in New York (1958–1960) bedeckt eine Fläche von 64 Quadratmetern. 1961 kann er nochmals ein grosses öffentliches Wandgemälde für die Dag-Hammarskjöld-Bibliothek des UNO-Hauptsitzes in New York verwirklichen.
Die Primärfarben treten in eine Wechselwirkung mit 35 verschiedenen Grautönen. Wände und Decke des Speisezimmers im New Yorker Stadt-Appartement des Unternehmers und Politikers Nelson Rockefeller werden von Glarner 1963–1964 vollständig ausgemalt. Er greift hier ein künstlerisches Problem auf, das die Gruppe De Stijl beschäftigte, nämlich Architektur und Farbe miteinander zu verbinden. Ein weiteres Monumentalwerk wird, bedingt durch die gesundheitliche Verfassung des Künstlers, nach seinen Anweisungen angefertigt: die Wandinstallation für das Gerichtsgebäude in Albany (N.Y.), 1967–1968, fertig gestellt 1972. Sie erstreckt sich über siebzig Quadratmeter. Ungewöhnlich ist dabei Glarners Technik, mit einzeln montierten Leinwandbildern zu arbeiten. Im lithographischen Rückblick, der auf 14 Blättern (1964–1968) Kompositionsstudien und handschriftliche Notizen umfasst, reflektiert Glarner über die Entwicklungslinien seines Relational Painting. Die Recollection macht deutlich, dass für das Verständnis dieser Entwicklungslinien das Medium der Zeichnung, Glarners zahlreiche Studien und Entwürfe, von zentraler Bedeutung ist.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Peter J. Schneemann, 1998, aktualisiert 2010 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4000303
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