GIACOMETTI, AUGUSTO
* 16.8.1877 Stampa, † 9.6.1947 Zürich
Maler. Glasmalerei und Wandbilder.
Der in Stampa, Bergell, geborene Augusto Giacometti, ein Vetter zweiten Grades von Giovanni Giacometti, dem Vater von Alberto Giacometti, besucht in Zürich die Sekundarschule und tritt 1891 in die Bündner Kantonsschule in Chur ein. 1894–97 Ausbildung zum Zeichenlehrer an der Kunstgewerbeschule in Zürich. In der Schulbibliothek stösst Giacometti 1897 auf das im Vorjahr erschienene Buch La plante et ses applications ornamentales von Eugène Grasset, was ihn im Frühsommer des gleichen Jahres veranlasst, nach Paris zu ziehen, wo er Kurse an der Ecole Nationale des Arts Décoratifs belegt und die Académie Colarossi besucht.
Ab Herbst 1897 studiert Giacometti bei Eugène Grasset an der Ecole normale d’enseignement du dessin. Von 1902 bis 1915 hält er sich in Florenz auf, wo er sich intensiv mit der Frührenaissance auseinandersetzt und ab 1908 einem Lehrauftrag für figürliches Zeichnen an der privaten Accademia internazionale des Luzerner Bildhauers Joseph Zbinden nachkommt. Freundschaft mit den Malern Wilhelm Balmer und August Babberger.
1915 lässt sich Giacometti in Zürich nieder und bezieht ein Atelier an der Rämistrasse, nahe dem Bellevue-Platz. Er macht die Bekanntschaft der Zürcher Sammler Richard Kisling und Alfred Rütschi. Die zahlreichen Aufträge für Fresken und Glasmalereien in öffentlichen Profan- und Sakralbauten in Zürich und Umgebung sowie in Graubünden nehmen ihren Anfang. 1917 lernt Giacometti die Dadaisten Tristan Tzara, Marcel Janco, Sophie Taeuber-Arp und Hugo Ball kennen und nimmt zusammen mit Alice Bailly an der 8. Dada-Soirée im Zürcher Kaufleutensaal teil. Mitgliedschaft bei der Künstlergruppe Das Neue Leben (1918–1920). Gegen Ende der 1920er-Jahre feiert Giacometti internationale Erfolge mit Ausstellungen in Berlin (Kunsthandlung Victor Hartberg, 1928), Paris (Galerie Bernheim Jeune, 1930 und 1933) und Mailand (Castello Sforesco, 1935). 1932 Teilnahme an der XVIII. Biennale in Venedig.
Die wiederholten Aufenthalte in Paris und die zahlreichen Reisen nach Italien, Frankreich, Deutschland, Norwegen, Holland, England und Nordafrika finden im Schaffen ihren unmittelbaren Niederschlag. 1933 hält Giacometti im Studio Fluntern in Zürich den Rundfunkvortrag Die Farbe und ich. 1937 Ausstellung im Kunsthaus Zürich zum 60. Geburtstag. 1934 wird er zum Mitglied der Eidgenössischen Kunstkommission gewählt, die er von 1939 bis zu seinem Tod 1947 präsidiert. Giacometti stirbt nach schwerer Krankheit im Alter von 70 Jahren in Zürich. 1981 Retrospektive im Bündner Kunstmuseum Chur, 1987 im Kunstmuseum Luzern; 2003 Ausstellung im Bündner Kunstmuseum Chur, die Giacomettis Beitrag zur Abstraktion ins Zentrum stellt, 2014 Ausstellung Die Farbe und Ich im Kunstmuseum Bern. Während der Ausbildung orientiert sich Giacometti an Ferdinand Hodler und am Jugendstil.
Die Besuche in den Pariser Museen erweisen sich insofern als zukunftsweisend, als Giacometti die italienischen Maler der Frührenaissance wie etwa Fra Angelico sowie Puvis de Chavannes, den Monumentalmaler symbolistischer Ideallandschaften, entdeckt. Bei Grasset eignet sich Giacometti rasch das Vokabular des Jugendstils an. Für den zweiten Band von Grassets Publikation schafft er mehrere Tafeln sowie das Titelblatt. Skizzen nach Pflanzen und Tieren überträgt er in flächig ornamentale, dekorative Arbeiten mit regelmässiger Wiederholung gleicher, strukturierender Elemente.
Die wichtigste Leistung stellen aber jene Pastelle dar, bei denen die Abstraktion bis zur Ungegenständlichkeit getrieben wird. Giacometti interessiert weniger die Arabeske des Fin de siécle als vielmehr eine neue Auffassung der Farbe. Er übersetzt das Erlebnis leuchtend transparenter Glasfenster oder schillernder Schmetterlingsflügel in seiner Malerei in eine reine Erscheinung von Licht und Farbe. Das Bildfeld weist eine regelmässige, meist neunteilige Struktur von Farbfeldern auf, deren geschwungene Umrisse sich puzzleartig verzahnen. Die Felder werden mit unterschiedlichen Farbqualitäten besetzt, wobei ein bestimmter Grundton gleichzeitig mehrere Kompartimente füllen kann.
In Florenz entstehen die grossen symbolistischen und religiösen Gemälde wie Die Nacht (1903, Kunsthaus Zürich), Narziss (1905), Contemplazione (um 1907), Das Kreisen der Planeten (1907, Kunsthaus Zürich), Adam und Eva (1907, Kunsthaus Zürich), Dado di Paradiso (1910, Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Winterthur) oder Phaëton im Zeichen des Skorpions (1911, Kunsthaus Zürich). Danach wendet sich Giacometti in Landschaften und Bildnissen bis gegen 1917 einer aus dem Neoimpressionismus weiterentwickelten Auffassung von Malerei zu. Mosaiksteinen gleich werden die Farben in grossen Flecken mit dem Spachtel so nebeneinandergelegt, dass der helle Leinwandgrund oft durchscheint und die pastos aufgetragene Farbe ihre bildwirksame Materialität behält. Die neoimpressionistische Technik des Pointillismus – Giacometti kannte die theoretischen Grundlagen, zum Beispiel Michel Eugène Chevreuls Schriften zur Theorie der Farbe De la loi du contraste simultané des couleurs von 1839 oder Paul Signacs De Delacroix au Néo-Impressionnisme von 1899 – wird hier zu einer groben, einsichtigen Struktur reiner Farben.
Zwischen 1910 und 1917 entstehen auch bedeutende ungegenständliche Gemälde (Phantasie über Kartoffelblüte, 1917, Kunstmuseum Chur; Sternenhimmel (Milchstrasse), 1917, Kunstmuseum Chur). Nach wie vor wird die Ölfarbe mit dem Spachtel gleich einem Mosaik aufgetragen. Die Farbflecken besetzen die ganze Bildfäche bis an die Ränder, bilden Verdichtungen oder lassen weite Teile im hellen Weiss aufleuchten. Die Farbpartikel, die in kraftvoller Dynamik und mit neu gewonnener Lockerheit aufgetragen werden, sind nun nicht mehr an einen Gegenstand gebunden.
Die lichthaltige Malerei erinnert trotz der immer noch durchscheinenden Struktur regelmässiger Felder kaum mehr an die additive Ordnung der früheren Pastelle. Das von den Rändern her sich frei über die Bildfläche ausbreitende «All-over-patterning» der Farbflecken lässt die auf der Zweidimensionalität beruhende Komposition wie einen willkürlichen Ausschnitt aus einem grossen, kosmischen Ganzen erscheinen. Allein mit koloristischen Mitteln, wie die Ballung der Farbflecken zu «Zentren», kommt eine räumliche Wirkung zustande. Anstelle der traditionellen Komposition wird die Ausschnitthaftigkeit und die Horizontlosigkeit entscheidendes Stilmittel, das auf dem Impressionismus und seinen Nachfolgetendenzen beruht. Giacomettis Auffassung der Natur kennt in den «Paysages planétaires» Ferdinand Hodlers oder im Spätwerk Claude Monets und dessen Konzept der «reinen Wahrnehmung» eine Parallele.
Giacometti gilt als herausragender Maler in der Nachfolge des Jugendstils und des Symbolismus, als einer der Erneuerer der Glasmalerei seiner Zeit und Exponent der monumentalen Wandmalerei sowie als Gestalter populär gewordener Plakate. Er realisiert insgesamt dreizehn Wandbilder und über zwanzig zumeist sakrale, mehrteilige Glasmalereiarbeiten, die den Kern seiner Auftragswerke darstellen. 1922 gewinnt er den Wettbewerb für die Ausmalung der Wände und Deckengewölbe in der Eingangshalle des Amthauses I in Zürich, die er zwischen 1923–25 ausführt: In den mit ornamentalen Fantasiemustern ausgemalten Gewölben und den sechs Figurenfeldern mit der Darstellung handwerklicher und geistiger Berufe überwiegen satte Rot- und Orangetöne sowie gedämpfte Erdfarben in Gelb, Grün und Ocker. Giacomettis Auffassung der Leuchtkraft von Farbe und Licht zeigt sich jedoch am deutlichsten in seiner Glasmalerei, die – von der kunsthistorischen Rezeption wenig beachtet – gleichwohl als Schlüssel seines Spätwerks gilt.
Seit seinem ersten Auftrag, den drei Fenstern in der Martinskirche in Chur (Verkündigung an die Hirten, Geburt Christi, Die Weisen aus dem Morgenlande, 1918) bis zu seinem letzten öffentlichen Auftrag für die Glasfenster im Zürcher Fraumünster (Das himmlische Paradies, 1945) sammelt Giacometti reiche Erfahrung auf dem Gebiet dieser Gattung. Seine Faszination für die mittelalterliche Glaskunst und Lichtmystik findet in diesen Werken ebenso Eingang wie seine Auseinandersetzung mit der Moderne: Das Glasfenster in der Kirche St. Johann in Davos gilt als eines der ersten abstrakten Kirchenfenster in der Schweiz und besteht aus einer floral anmutenden, ungegenständlichen Komposition aus reinen Farben (Davos, St. Johann, Das Paradies, 1927). Viele Fenster Giacomettis zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht «auf», sondern «mit Glas» gemalt sind: Mit kräftigen Grisaillen verdunkelt er die Farbgläser und holt im Kontrast zu unbemalten Partien die maximale Leuchtkraft der Farben hervor, wie im Chorfenster der Kirche von Thayingen (Der gute Hirte und der Weingärtner, 1938).
Dabei verzichtet der Künstler auf die harten Umrisse der einzelnen Glasstücke, vielmehr kaschiert er die Bleie, indem er sie in seine modellierende Schwarzlotmalerei einbindet. Spätestens seit dem Ende der 1950er-Jahre stehen jedoch die beiden entwicklungsgeschichtlich bedeutenden Werkgruppen im Zentrum des Interesses, die dem Künstler postum das Etikett «Pionier der abstrakten Malerei» eingetragen haben: die kleinen, 1899 einsetzenden, abstrakten Pastelle und die grossen, ungegenständlichen Ölbilder der Zeit von 1910 bis 1917. Das breite Publikum schätzte noch zu Lebzeiten des Künstlers aber weit mehr die späteren «unproblematischen» Werke: die farbenprächtigen Blumenstillleben, die heiteren Landschaften, die lichtdurchwirkten Städtebilder. In ihnen erstrahlen die Dinge in einem Farbenrausch von exotischer Buntheit vor einem meist dunklen Bildgrund.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Beat Stutzer, 1998, aktualisiert 2014 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4023387
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