BAUMBERGER, OTTO
* 21.5.1889 ALTSTETTEN, † 26.12.1961 WEININGEN
Maler, Zeichner und Grafiker.
Vertreter des Schweizerischen Expressionismus. Professor an der ETH Zürich.
Nach den üblichen Schulen und einer Jugend in kleinbürgerlichen Verhältnissen in Zürich-Altstetten bricht Otto Baumberger eine Textilzeichnerlehre vorzeitig ab und lässt sich beim Graphischen Atelier Emil Winter in Zürich zum Lithografen ausbilden. 1908–1911 Studienaufenthalte in München an der Staatlichen Kunstgewerbeschule und Königlich-Bayerischen Akademie für Bildende Künste, anschliessend in Berlin, London und Paris, wo er die Akademien Colarossi und Grande Chaumière besucht.
1910 erste Teilnahme an einer Ausstellung der Zürcher Kunstgesellschaft. 1911 Lithograf an der Grafischen Anstalt J. E. Wolfensberger, Zürich.
1915 Heirat mit Hanni Manz, 1918 Geburt der Tochter Gertrud, 1926 Trennung.
1913 erneute Reise nach Paris, Auseinandersetzung mit Expressionismus und Kubismus. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs Rückkehr in die Schweiz. 1920 Reise nach Berlin, durch Empfehlung von Max Reinhardt Engagement als Bühnenbildner am Deutschen Theater (1920 Urfaust, Regie Max Reinhardt); eine Daueranstellung schlägt Baumberger aus. 1922 Hilfslehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich. In der Folge breites Betätigungsfeld: intensive Plakatproduktion für verschiedene Kunden, Buchillustrationen, Briefmarken, Wandmalereien, Mitarbeiter beim Nebelspalter und am Zürcher Stadttheater, wo er unter anderem 1923 die Bühnenbilder für Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach sowie 1933 für Lohengrin von Richard Wagner baut.
1927 Heirat mit der Grafikerin Johanna Pulfer, 1929 Geburt von Sohn Rudolf Caspar. 1929 erneute Reise nach Paris zusammen mit Oscar Lüthy und Walter Kern, Auseinandersetzung mit der abstrakten Malerei.
Auf Anregung von Otto Salvisberg erhält Baumberger 1932 einen Lehrauftrag an der Architekturabteilung der ETH Zürich für das neue Fach Beziehung der Farbe zu Bau und Raum und wird 1947 zum ausserordentlichen Professor ernannt. Ab 1935 intensive Auseinandersetzung mit der Anthroposophie. Mitarbeit an der Schweizerischen Landesausstellung 1939 in Zürich: Wandbild mit Darstellungen aus der Schweizer Geschichte in der Abteilung Heimat und Volk sowie Bilder in der blauen Ehrenhalle. Ab 1943 neben grossen Erfolgen als Plakatgestalter vermehrt Auseinandersetzung mit christlichen Themen sowie der Weltliteratur (Faust, Divina Commedia, Don Quijote, Simplicius Simplicissimus, Ulenspiegel, Wilhelm Tell, Grimms Märchen) in Illustrationen und Malerei.
1949 Einzelausstellung zum 60. Geburtstag im Kunsthaus Zürich, die alle Sparten seines Schaffens vereint. 1959 Ausstellung in der Graphischen Sammlung der ETH. 2008 wird Otto Baumberger in einer grossen Ausstellung im Museum für Gestaltung Zürich als Plakatgestalter gewürdigt.
Die Wertschätzung, die dem Grafiker Otto Baumberger entgegengebracht wird, hat sein malerisches Schaffen in den Hintergrund gedrängt. In beiden Disziplinen lässt sich keine geradlinige Entwicklung feststellen; ein Nebeneinander von verschiedenen Stilen ist für Baumbergers Werk kennzeichnend. Dies hat die Literatur zum Teil als Problem, zum Teil aber auch als Ausdruck von grossem handwerklichem Können beurteilt. Zu Beginn seiner künstlerischen Arbeit ist Baumberger in erster Linie dem Expressionismus verpflichtet. In den grafischen Blättern mit gesellschaftskritischen Themen nähert er sich inhaltlich wie stilistisch George Grosz (1893–1959) und Otto Dix (1891–1969) an. Zusammen mit Fritz Pauli, Otto Morach, Hermann Huber und Ignaz Epper gehört Baumberger zu den wichtigsten Vertretern des Expressionismus in der Schweiz.
Baumbergers Grafiken und Plakate stehen ab 1910 hauptsächlich in der Tradition des Jugendstils, wie sie beispielsweise von Théophile Steinlen (1859–1923) geprägt wurde. Ab 1915 übernimmt Baumberger Elemente des Art Déco, in den 1920er Jahren der Neuen Sachlichkeit. Bemerkenswert ist, mit welcher Leichtigkeit er diese Stilrichtungen adaptiert. Seine Fähigkeit, eine bildliche Botschaft prägnant zu formulieren und zur Wirkung zu bringen, weist ihn als grosses Talent in der grafischen Gestaltung aus. Zudem beherrscht er praktisch alle Techniken der Grafik: Er ist ein hervorragender Lithograf, hat aber auch Holzschnitte und Radierungen geschaffen; zudem ist er ein guter Zeichner und bedient sich der Feder, des Bleistifts, der schwarzen Kreide und des Farbstifts mit der gleichen Selbstverständlichkeit.
Um 1918 tauchen in seinem Plakatschaffen auch Exemplare mit symbolhaften Verkürzungen auf, zum Beispiel Jecklin, Baumann und Schweizer Woche, alle von 1919, sowie PKZ von 1925. Daneben haben in seinem Schaffen stets traditionelle Plakate, beispielsweise Schloss Kyburg von 1918 und Schöllenen-Bahn von 1919, ihren Platz. Zu zweifelhafter Berühmtheit gelangt ist sein Plakat von 1920, auf dem er mit einer karikaturhaften, bebrillten und maskulin gekleideten Frau für ein Nein zum Frauenstimmrecht warb. Als Klassiker des Schweizer Plakatschaffens gilt hingegen das Plakat Marque PKZ von 1923 mit seiner detailgetreuen Wiedergabe eines Herrenmantels mit aufgeschlagenem Kragen. In Plakaten zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, zum Beispiel für das Rote Kreuz, bricht mit den aufrüttelnden Bildern von Verletzten und Hungernden Baumbergers expressionistischer Stil wieder durch. Bis ans Lebensende bleibt dieses Nebeneinander von verschiedenen Ausdrucksweisen bestehen. Otto Baumberger empfand seine Tätigkeiten sowohl im Bereich der angewandten als auch der freien Kunst, die er in seinen Schriften ungleich höher bewertete, immer als Konflikt, den er nicht zu lösen vermochte.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Irene Meier, 1998, aktualisiert 2010 ;https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4000029
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