Lot 3226 - Z38 Impressionist & Modern Art - Friday, 26. June 2015, 04.00 PM
PABLO PICASSO
(Málaga 1881–1973 Mougins)
Portrait de fille (Portrait de la fille de Charles Morice).1906.
Bleistift auf festem Papier.
Oben links signiert: Picasso.
68,2 x 48 cm (Blattgrösse).
Claude Ruiz Picasso, Picasso Authentification Paris, bestätigt die Authentizität dieses Werkes, Paris, 19. April 2015. Provenienz: Privatsammlung Schweiz, seit über 80 Jahren in Familienbesitz. Literatur: Zervos, Christian: Pablo Picasso, Bd. 6 Supplément aux volumes 1-5, Paris, 1970, Kat. Nr. 750 (Abb. S. 91). Mit leicht nach rechts geneigtem Kopf blickt die junge Frau den Betrachter an. Ihr Blick ist geheimnisvoll, sie wirkt versonnen und nachdenklich. Das Dreiviertelportät ist bis zum Hals ausgearbeitet, die Schultern deutet Picasso mit zwei leichten Strichen nur an, so dass der weitere Verlauf des Körpers der Fantasie des Betrachters überlassen wird. Bei der Dargestellten handelt es sich um die 20jährige Marie Gabrielle de Vien, die Picasso in diesem bemerkenswerten Porträt "Portrait de fille" im Jahr 1906 festhält. Schon als Kind verkehrt sie mit ihrer Mutter Elisabeth Fournier de Saint Maur und ihrem Stiefvater Charles Morice, einem bekannten Journalisten und Schriftsteller, in den Ateliers der Pariser Künstleravantgarde. Auch das Atelier Picassos im Beateau-Lavoir besucht Marie Gabrielle, die später eine international anerkannte Journalistin, Schriftstellerin und surrealistische Dichterin wird, häufig. Mit sicherer Hand und klarer Linienführung erfasst Picasso hier das Gesicht der jungen Frau. Sowohl die Kopfhaltung als auch der Zeichenstil erinnern an die von Picasso bekanntermassen intensiv studierten Vorbilder der Alten Meister und der Antike. Besonders bemerkenswert im Oeuvre Picassos ist immer wieder der Einfluss Leonardo da Vincis. Im Falle des Porträts der Marie Gabrielle de Vien lässt die leichte Neigung des Kopfes und die daraus resultierende Verlängerung des Halses unmittelbar an Leonardos berühmte Werke "La testa di Leda" (1504-06, Royal Collection London) oder "La Scapigliata" (um 1508, Galleria Nazionale di Parma) denken. Die Parallelen in der Haltung der Dargestellten als auch in der Strichführung der eingesetzten Hell- Dunkeleffekte sind unverkennbar. Einzig der Blickwinkel der Frauen unterscheidet sich, der Blick sowohl Ledas als auch jener der Scapigliata richten sich zu Boden, wohingegen Marie Gabrielle den Betrachter versonnen anblickt. Ihr Blick scheint in sich gekehrt und nachdenklich zu sein, wodurch das Porträt von einer geheimnisvollen Aura umhüllt ist. Schaut man genau hin, wird deutlich, dass dieser Eindruck, wie bei Leonardos Mona Lisa, durch einen Kunstgriff entsteht, der aus einer leichten Asymmetrie der Gesichtszüge besteht. Picasso ist in erster Linie ein Zeichner, die Zeichnung ist für ihn die reinste Form der Wiedergabe, folglich kommt er im Laufe seines künstlerischen Schaffens immer wieder auf diese ursprüngliche Technik zurück. Die Veränderungen im Stil Picassos lassen sich daher an seinen Zeichnungen am deutlichsten nachvollziehen. Betrachtet man im Vergleich zum Porträt der Marie Gabrielle jenes der Fernande Olivier, Lebensgefährtin und Muse Picassos (1905 - 1912), auch aus dem Jahr 1906, erkennt man, dass Picasso Fernande noch mit harten Umrisslinien und einer dicht schraffierten Binnenzeichnung wiedergibt. Das Porträt wirkt statisch, wie das Abbild einer antiken Statue, so dass man es noch zur Blauen Periode zählen muss. Die Zeichnung der Marie Gabrielle hingegen weist elastische, modellierte Konturen auf und eine sanfte, harmonische Binnenzeichnung. Picassos Stil entwickelt sich vom Ausdruck der Einsamkeit, Isolation, Pathos und Distanz hin zu einer schmeichelnden Ästhetik und Melancholie. Sein Porträt der Marie Gabrielle de Vien aus dem Jahr 1906 markiert eindrücklich den Übergang von der Blauen zur Rosa Periode. Die vorliegende Zeichnung "Portrait de fille" ist ein meisterhaftes Beispiel der hohen Zeichenkunst Picassos und seiner unbändigen Ausdruckskraft.
CHF 80 000 / 120 000 | (€ 82 470 / 123 710)
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