NEUHAUS, WERNER
* 1.10.1897 BURGDORF, † 22.8.1934 LÜTZELFLÜH
Maler, Zeichner und Druckgrafiker.
Neuhaus absolvierte in Basel, wohin er 1913 gezogen war, eine Lehre als Lithograf. Nach kurzer Berufstätigkeit in Laupen besuchte er 1920–1921 die Basler Gewerbeschule (Arnold Fiechter und Albrecht Mayer). 1921–1922 Aufenthalt bei Cuno Amiet auf der Oschwand. 1923 bezog Neuhaus ein Atelier in Binningen bei Basel und befreundete sich mit Hermann Scherer und Albert Müller. Obwohl in der Silvesternacht 1924 nicht in Obino anwesend, wo Müller, Scherer und Paul Camenisch die Gruppe Rot-Blau gründeten, gehörte Neuhaus von Anfang an dazu. Die Rot-Blau-Künstler orientierten sich an Ernst Ludwig Kirchner, der 1923 in der Basler Kunsthalle ausgestellt hatte.
Im Unterschied zu seinen Künstlerfreunden hielt sich Neuhaus aber nie beim Mentor in Frauenkirch auf. 1925 zog er in die Genossenschaftssiedlung Freidorf in Muttenz und verbrachte den Sommer 1925 zusammen mit Camenisch, Scherer und Freunden in Castel San Pietro. Im Mendrisiotto, dem bevorzugten Aufenthaltsort der Rot-Blau-Künstler, traf man sich zu einer eigentlichen Arbeitsgemeinschaft. Am 7. Mai 1926 heiratete Neuhaus Hede Gfeller, die Tochter des Mundartschriftstellers Simon Gfeller. 1927 zog er ins Emmental, zuerst auf den Reckenberg bei Rüegsau und 1929 in die Grabenhalde in Lützelflüh. Neuhaus starb an den Folgen eines Verkehrsunfalls.
Die frühen Landschaften, Porträts und Kinderbildnisse sind der dunkeltonigen Malweise verpflichtet, wie sie für die Basler Schule (Jean-Jacques Lüscher, Karl Dick, Numa Donzé, Paul Basilius Barth) charakteristisch ist. Bei Amiet gewann Neuhaus den Mut, die Farben in kaum gebrochenen, leuchtenden Tönen zu verwenden. Das tiefe Erlebnis der Kunst Kirchners und die künstlerischen Fortschritte, die Müller und Scherer aufgrund ihrer Aufenthalte in Davos-Frauenkirch erzielten, führten bei Neuhaus zu einer stilistischen Neuorientierung. Bereits gegen Ende 1924 wandte auch er sich der flächenbetonenden, koloristisch intensiven Malweise kirchnerischer Prägung zu, wenngleich er in seinen Werken weder thematisch noch farblich oder formal die ausgesprochene Expressivität seiner Künstlerfreunde erreichte. Die während des Sommers 1925 entstandenen panoramaartigen Tessinerlandschaften gehören zu Neuhaus’ besten Leistungen. Die von innerer Bewegung erfassten Darstellungen mit aufeinander abgestimmen lodernden Orange-, Gelb-, Lila-, Grün- und Blautönen sind von starker Sinnlichkeit erfüllt.
In den Figurenbildern konzentrierte er sich auf Porträts seiner nächsten Freunde und Bekannten und auf die Schilderung von Badenden, welche die Rot-Blau-Künstler mit Vorliebe in der Breggiaschlucht beobachteten. Mit 41 Holzschnitten, zu denen die Serie der zwölf Illustrationen zu Alfred Fankhausers Roman Die Brüder der Flamme (1925) zählt, schuf Neuhaus ein beachtliches druckgrafisches Œuvre. 1927 wandte er sich vom Expressionismus der Gruppe Rot-Blau abrupt ab und pflegte fortan eine Albert Anker oder dem frühen Hodler verpflichtete, unproblematische, naturalistische Malerei. Die bevorzugten Motive stammen aus der unmittelbaren Umgebung: die Landschaft, die Bauern, Handwerker und Kinder des Emmentals. Durch die eklatante Zäsur zerfällt das Gesamtwerk in zwei völlig verschiedenartige Werkblöcke.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Beat Stutzer, 1998, aktualisiert 2015 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4023406
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