ITTEN, JOHANNES
*11.11.1888 SÜDEREN-LINDEN, † 25.3.1967 ZÜRICH
Maler, Zeichner und Kunstpädagoge.Johannes Itten war das älteste der drei Kinder des Lehrers und Landwirts Johann Itten und der Bauerntochter Elisa Jost. Mit vier Jahren verliert er seinen Vater und lebt für zwei Jahre bei seiner Grossmutter. 1894 Wiederverheiratung der Mutter und Rückkehr des Sohnes. Neben der Schule hilft Itten dem strengen Stiefvater auf dem Hof. Ab 1898 Volksschule und Progymnasium Thun, damit er wie sein Vater Lehrer werde. Das Bedürfnis zu malen wird nicht unterstützt.
1904 Beginn einer glücklichen Zeit am Lehrerseminar in Hofwil bei Bern. Die musische Begabung Ittens wird erstmals durch seine Lehrer unterstützt, zum einen vom Musikpädagogen Hans Klee, Vater von Paul Klee, der Ittens starkes Interesse für das Klavierspiel fördert, zum anderen von seinem Zeichenlehrer Emil Prochaska. Ab 1906 zweijährige Oberstufe am Lehrerseminar in Bern. Itten lernt dort progressive Psychologie und Pädagogik kennen. Regelmässig Konzert- und Museumsbesuche, wobei ihn Ferdinand Hodler und Arnold Böcklin besonders interessieren. 1908 tritt Itten eine Stelle an der Primarschule in Schwarzenburg an, wo er fortschrittliche Lehrmethoden praktiziert. 1909 Entschluss, Künstler zu werden; Studium an der Ecole des Beaux-Arts in Genf. Die traditionellen, sich auf das Figürliche beschränkenden Lehrmethoden befriedigen Itten jedoch nicht, nach einem Jahr bricht er die Schule frühzeitig ab.
Nach Bern zurückgekehrt, belegt er an der Universität ab 1910 für vier Semester Vorlesungen in Naturwissenschaften, Deutsch und Turnen, um sich zum Sekundarlehrer ausbilden zu lassen. 1911 erster öffentlicher Auftritt als Künstler an der Weihnachtsausstellung im Berner Kunstmuseum mit dem Ölbild Vorfrühling an der Rhone. Nach Abschluss seines Studiums folgen 1912 und 1913 Reisen und die erste intensive Auseinandersetzung mit neuerer Kunst: Im Frühjahr 1912 sieht er in Paris im Salon des indépendants kubistische Bilder, in München eine Kandinsky-Ausstellung in der Galerie Goltz, in Mannheim eine Impressionisten-Ausstellung und dann in Köln die Sonderbund-Ausstellung mit Bildern von van Gogh, Cézanne, Gauguin, Braque und Derain. Im Winter 1912–13 folgt ein weiteres Semester an der Ecole des Beaux-Arts in Genf. Die Kontrastübungen mit den Formelementen Quadrat, Kreis und Dreieck im Zeichen- und Malunterricht von Eugène Gilliard beeindrucken Itten sehr.
Von 1913 bis 1916 ist er Schüler von Adolf Hölzel in Stuttgart. Zu Beginn wird Itten als Externer durch Ida Kerkovius in die Lehre Hölzels eingeführt, ab 1914 fungiert er als dessen Unterrichtsvertreter. Kontakte mit Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und Hermann Stenner. Beschäftigung mit dem Kubismus und El Greco. Teilnahme an der Weihnachtsausstellung des rheinischen Künstlerverbandes in Wiesbaden. 1916 Einzelausstellung in Herwarth Waldens Sturm-Galerie in Berlin. Bekanntschaft mit dem Walden-Kreis: Nell Walden, Georg Muche und Rudolf Blümner. Besucht Paul Klee in München. Ab September 1916 Wohnsitz in Wien. Gründung einer erfolgreichen Kunstschule und Entwicklung einer Form- und Farbenlehre und neuartiger Unterrichtsmethoden. Kontakte mit der intellektuellen und künstlerischen Elite Wiens: Oskar Kokoschka, Adolf Loos und dann durch Alma Mahler mit Walter Gropius, Gustav Klimt, Koloman Moser. 1917 und 1919 hält Itten Vorträge über Kompositionslehre. Positive schriftliche Erwähnungen durch Hans und Erika Tietze und Adolf Loos, trotzdem Gefühl künstlerischer Isolation und intensive Beschäftigung mit östlicher Philosophie und Lebensform, besonders mit der Mazdaznan-Lehre. 1918 Liebesbeziehung mit der Schülerin Emmy Anbelang, die jedoch im Dezember stirbt. Ausstellung in den Räumen der Künstlergruppe Freie Bewegung. Heirat mit Hildegard Anbelang.
Ab Oktober 1919 Unterricht am Bauhaus in Weimar. Aufbau des Vorkurses und Leitung verschiedener Werkstätten (Metallwerkstatt, Wand- und Glasmalerei, Tischlerei und Holz- und Steinbildhauerei). Nach Differenzen mit Walter Gropius verlässt Itten 1923 das Bauhaus. Im selben Jahr zweite Einzelausstellung in der Sturm-Galerie. 1923–1926 unterrichtet er in der Mazdaznan-Gemeinschaft in Herrliberg am Zürichsee. 1926 folgt die Gründung der Modernen Kunstschule in Berlin, in der Itten und andere Lehrer zukünftige Maler, Grafiker, Architekten und Fotografen ausbilden; 1934 wird die Schule durch die Nationalsozialisten geschlossen. Von 1932 bis 1938 ist Itten an der Höheren Fachschule für textile Flächenkunst in Krefeld tätig, wo er alle Bereiche der Textilindustrie unterrichtet; die Schule wird 1938 geschlossen. Seine Bilder werden in der Ausstellung Entartete Kunst gezeigt.
Von 1938 bis 1953 ist Johannes Itten Direktor der Kunstgewerbeschule und des Kunstgewerbemuseums in Zürich. Gestaltung der Vorbereitungsklassen im Sinne des Bauhaus-Vorkurses. Itten unterrichtet Farbtheorie und ist ab 1943 zusätzlich Leiter der Textilfachschule in Zürich. Gründung des Rietbergmuseums in Zürich, dessen Direktor er von 1952 bis 1956 ist. Ab 1954 zahlreiche Vorträge und Publikationen zur Kunsterziehung: 1961 Kunst der Farbe, 1963 Mein Vorkurs am Bauhaus. 1957 Retrospektive im Stedelijk Museum in Amsterdam.
Ittens Œuvre ist gekennzeichnet durch grosse stilistische Vielfalt. Erkenntnisse und Anregungen aus dem Kubismus, Expressionismus und Futurismus werden aufgenommen und verarbeitet. In der Auseinandersetzung mit den Tendenzen der Kunst der Moderne entwickelt Itten eine zielgerichtete Untersuchung der bildnerischen Gestaltungsmöglicheiten, basierend auf einem mathematisch-geometrischen Bildaufbau und Farbkontrasten. Seine künstlerische Tätigkeit steht dabei vor dem Hintergrund einer seit seiner Stuttgarter Zeit erarbeiteten künstlerischen und letztlich lebensanschaulich-philosophischen Theorie. Hatte der junge Itten sich anfangs zur Musik und zur bildender Kunst hingezogen gefühlt, ist sein weiteres Schaffen geprägt durch seine Doppelbegabung und -tätigkeit als Künstler und als Lehrer.
Die frühesten Arbeiten Ittens von 1907 sind vor der Natur (des Berner Oberlandes) ausgeführte Aquarelle. Bis 1911 gibt er seine nähere Umgebung in Aquarellen, Zeichnungen, Ölgemälden wieder, wobei der Einfluss Hodlers unverkennbar ist. Ein besonderes Gewicht haben die Porträts, insbesondere eine Reihe von Selbstbildnissen (1911). Ein Bruch lässt sich 1912 feststellen: Der Bildaufbau wird einfacher und gewinnt an Monumentalität, die Farbe – mit breitem Pinselstrich aufgetragen – erhält ein neues, expressives Gewicht; Itten hatte die französische Malerei kennengelernt und begann zu experimentieren. Wichtige Werke sind vor allem Bildnisse wie Der Mann im blauen Kittel von 1914, Der Oratoriensänger Helge Lindberg (1916, auch unter Der Bachsänger bekannt). Im letzteren versucht Itten, das Porträt seines Freundes, des Sängers Helge Lindberg, mit der bildnerischen Wiedergabe der polyphonen Fugengesetzlichkeit Bachs zu vereinen.
Ab 1915 malt Itten abstrakte Bilder. Gegenständliche und abstrakte Bilder stehen in der Folge gleichwertig nebeneinander. Dem Lichtkreis vom Herbst 1915 liegt die gegenständliche Anregung einer Strassenlaterne zugrunde, die mit dem Goetheschen Farbkreis verbunden wird. In Die Begegnung von 1916 taucht die Spirale auf, ein Grundmotiv seines Schaffens. Ittens Form der Abstraktion kann orphistische, konstruktive und expressionistische Tendenzen annehmen. In Die Auferstehung desselben Jahres (zwei Fassungen) Objektivierung persönlicher Erlebnisse durch christliches Bildmotiv und formelhafte Bildsprache. Die Auferstehung zeigt exemplarisch die Vorgehensweise Ittens: Die Bildfindung vollzieht sich langsam anhand von Vorstudien in unterschiedlichen Techniken wie Kohle, Tusche, Bleistift und Aquarell. In der letzten Stuttgarter Zeit Wende zur Abstraktion, zu kristallartigen geometrischen Formen und reinen Spektralfarben.
Künstlerisch ist die Wiener Zeit eine Fortsetzung der Stuttgarter Entwicklung mit Verfeinerung und Bereicherung. Wichtige Werke: Der rote Turm (1918), Aufstieg und Ruhepunkt (1919). Den Werken liegt ein mathematisch konstruiertes geometrisches Gerüst zugrunde; Helldunkel und Farbe sind an die Formen gebunden, wobei die harmonische Vereinigung aller Farben im Bild angestrebt wird. In Wien entwickelt Itten grosse Teile seiner Kunstlehre. Untersucht werden die bildnerischen Mittel und Probleme, Farbe, Formen, Proportionen sowie Materialien; die Strukturen von Bildern alter Meister sowie der Natur werden analysiert. Neben Hölzels Unterricht (Collagen, Farbenlehre) üben auch die Cahiers rythmiques seines Genfer Lehrers Gilliard einen wichtigen Einfluss aus. Im Unterricht sind zudem die Persönlichkeit bildende Aspekte, Atemübungen und Gymnastik wichtig.
Wie andere Künstler seiner Zeit, etwa Klee, bettet Itten seine gestalterischen Analysen in eine Gesamtschau, eine Suche nach dem «formenden Prinzip» allen schöpferischen Tuns: Kunst ist Mittel der Erfassung des Göttlichen; polare Gegensätze und Bewegung sind Grundbedingungen der Erkenntnis. Der von Itten konzipierte und von ihm geleitete sechsmonatige Vorkurs gehört zu den prägendsten Struktur bestimmenden Elementen des Bauhauses in Weimar. Kein fixiertes äusseres Ziel wird in ihm verfolgt, sondern die ganzheitliche Erziehung des Menschen angestrebt. Aufbau und Ausrichtung des Vorkurses gleichen dem Unterricht in Wien: Ziel ist das Freimachen der schöpferischen Energien der Schüler, die Erleichterung der Berufswahl durch das Kennenlernen der eigenen Fähigkeiten und Vorlieben anhand von Materialstudien und den Grundlagen des künstlerischen Gestaltens.
Am Bauhaus entwickelt Itten einen wesentlichen Teil seiner Farbtheorie. Er verarbeitet grundlegende Ansätze von Goethe, Philipp Otto Runge, dem Physiker Wilhelm von Bezold und französischen Chemiker Michel Eugène Chevreul sowie von Adolf Hölzel. Subjektive Farbempfindungen werden mit objektiven Grundgesetzen verglichen. 1921 Publikation des Farbensterns. Zu den wichtigsten Werken gehören der Turm des Feuers (1920) und das Kinderbild (1921–22). Der in Idee und Zeichnungen bis 1916 zurückgehende Turm des Feuers ist die Kulmination des plastischen Schaffens Ittens; das 3,6 Meter hohe Modell einer aufwärts drehenden Spirale vereint zwei zentrale Aspekte der künstlerischen Konzeption Ittens: geometrische Formen und Bewegung.
In den folgenden Jahrzehnten intensive Lehrtätigkeit. Itten malt wenig und vermehrt figürlich: Vorübergehende (1930), Vorstadtpark im Frühling (1930). Für das Stedelijk Museum in Amsterdam führt er 1938 die Arbeit Velum aus, eine teilweise transparente Stoffapplikation, die das Glasdach des Treppenhauses zierte (nicht erhalten). Nach der Aufgabe der pädagogischen und leitenden Tätigkeiten schafft Itten ein bedeutendes abstraktes Spätwerk, das die zeitgenössische Schweizer Malerei stark beeinflusst.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Dora Imhof, 1998, aktualisiert 2010 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4023401
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