FEHR, MARC-ANTOINE
* 13.1.1953 Zürich
Maler.
Marc-Antoine Fehr führt als Maler eine Familientradition fort. Er ist der mittlere von den drei Söhnen der Malerin Marie-Hélène Clément und ein Enkel des Waadtländer Malers Charles Clément. In Zürich aufgewachsen, brachte sich der vielseitig begabte und interessierte Fehr das Handwerk selbst bei, wobei er einiges im Atelier der Mutter lernte. 1973 Matura.
Einzelausstellungen (Auswahl): 1985 im Kunstmuseum Winterthur, 1987 und 1994 im Aargauer Kunsthaus, Aarau, 1990 im Stadthaus Olten (zusammen mit Marie-Hélène Clément und Charles Clément), 1995 im Hôtel de Ville de Paris, 2003 in der Graphischen Sammlung der ETH, Zürich, 2012 im Helmhaus Zürich, 2014 in den Écuries de Saint-Hugues, Cluny, 2015 im Centre culturel suisse, Paris. Marc-Antoine Fehr lebt und arbeitet im Burgund und in Zürich.
Die Auseinandersetzung mit figurativer Kunst war für den jungen Fehr selbstverständlich. Cézanne, für Mutter und Grossvater das Mass aller Dinge, wurde auch ihm zum Leitbild. Hinzu kamen die Maler der italienischen Frührenaissance, vor allem Piero della Francesca, später die Einflüsse aus dem Norden: Bosch, Bruegel und Rembrandt. Diese Meister stehen auch hinter seinem handwerklichen Anspruch, mit dem er sich von der zeitgenössischen Kunst absetzt. Die Literatur – von Dante über Baudelaire, Kafka, Beckett, Gombrowicz bis zu W.G. Sebald – hat seine so unzeitgemässe wie unverwechselbare Bildwelt wesentlich mitgeprägt. Eine Zeitlang erinnerten seine Figuren an diejenigen von Balthus.
Marc-Antoine Fehr pflegt die klassischen Gattungen Stillleben, Landschaft, Interieur und Porträt; darüber hinaus beschäftigen ihn seit jeher komplexe Themen, die er in Monumentalformaten und Bildzyklen zur Darstellung bringt. Auf die grossformatige Inferno-Szene, mit der er 1983 am Eidgenössischen Stipendienwettbewerb Aufmerksamkeit erregte, folgte die im Lauf der nächsten drei Jahre zu einer Breite von neun Metern angewachsene Tentation de Saint-Antoine. In beiden Gemälden sind stilisierte Körper und einzelne Glieder einem undurchschaubaren höllischen Treiben ausgesetzt, wobei Aggressoren und Opfer nicht zu unterscheiden sind. Dass sie an mittelalterliche Fresken erinnern, hat auch mit der Maltechnik zu tun. Sie sind Schicht um Schicht auf Papier aufgetragen, wobei die Farbe immer wieder abgekratzt wurde, was den Anschein von Alterung und Abnützung erweckt. Dieser Effekt verliert sich mit der bald darauf vollzogenen Hinwendung Fehrs zur Leinwandmalerei.
Nach Tentation de Saint-Antoine tritt die Höllenthematik in den Hintergrund. Unbeschwert heiter wird seine Malerei aber kaum. Noch in den harmlosesten Interieurs scheinen Geheimnisse verborgen, Abgründe zu lauern. Das gilt auch für den Bildzyklus Le grand moulin, den Fehr 1990 begann und während Jahren in Dutzenden von Details umkreiste. Die unvollendete und letzlich unvollendbare Grosse Mühle, die in verschachtelte, düstere Räume Einblick gibt, ist eine Metapher für das Getriebe der Welt. Die von ihm oft benützten Bildbezeichnungen Étude, Projet oder Fragment zeigen an, dass es ihm um Gesamtvisionen geht, die nie gänzlich zu erfassen sind. Seine Bildreihen und -zyklen sind bald im Umfang beschränkt wie beim 366 Blätter umfassenden Journal de Pressy aus dem Jahr 2000, bald offen und grenzenlos wie das Mühle-Projekt und das 1999 begonnene Paysage sans fin, eine aus Hunderten von schmalen Gouachen zu einem endlosen Streifen zusammengesetzte «Landschaft», die man wie in einem Film in rasendem Tempo durchmisst.
Das Zeichnen und Malen geht bei Fehr Hand in Hand. Grosse Kompositionen werden bei ihm immer in zahlreichen Studien vorbereitet, die von der reduzierten Skizze in Bleistift und Feder zu mehr oder weniger ausgearbeiteten Malereien in Gouache und Öl reichen. Diese meist in Reihen zusammengefassten Studien sind manchmal eher Nachbereitungen und können auch als eigenständige Bilder bestehen. Eine 1995 begonnene und bereits über hundert Nummern zählende Serie kleinformatiger Ölbilder hat den Titel Vagabondages erhalten. Es handelt sich auch hier um eine Art von Tagebuchaufzeichnungen; etliche Motive kommen auch in anderen Zusammenhängen vor.
Nach dem viel- und kleinteiligen Mühle-Zyklus meldete sich bei Fehr das Bedürfnis nach einer Monumentalisierung der Form, einer Straffung des Bildaufbaus und gesteigerter Plastizität. Damit einher geht die Tendenz zu immer grösseren Bildformaten (das bisher grösste Gemälde, La Mort d´Actéon von 2006˗2008, hat eine Breite von 18 Metern erreicht). Sein Blick richtet sich nun vermehrt auf Gegenstände und Räume seiner nächsten Umgebung, oft Fundstücke vom Dachboden des Schlosses, das er seit 1984 bewohnt. Es sind durchwegs bescheidene Gegenstände, doch Dinge mit Spuren des Gebrauchs, seit einigen Jahren vorzugsweise Artefakte aus der Welt des Spiels. Indem er sie um ein Vielfaches vergrössert und als monumentale Stillleben auf die Leinwand bringt, verleiht er diesen ausrangierten Gegenständen eine unerhörte Würde.
Angefangen hat es mit Le bateau aus dem Jahr 2005, dem ein Schiffsmodell zugrunde liegt, das er als berührendes Erzeugnis eines beseelten Handwerks erworben hat und in dem beinahe vier Meter breiten Gemälde zu einem Sinnbild für zum Stillstand gekommene Bewegung erhob. Es folgt eine Serie um Pierrot und andere Figuren aus einem einst beliebten Jahrmarktspiel, einem sogenannten «jeu de massacre», bei dem man Puppen mit einem Ball treffen und zum Umkippen bringen muss. Die Modelle sind allesamt versehrt, haben ihre irritierende Ausdruckskraft aber bewahrt. Fehr präsentiert sie in seinen Bildern auf Tischen liegend wie Gestrandete, die ein geheimnisvolles Leben erfüllt. Davon erzählt vor allem Pierrot mit seiner leise diabolischen Mimik unter einem hohen konischen Hut. Diesem Hut hat Fehr ein eigenes grossformatiges Gemälde gewidmet. Vom Kopf getrennt und rund fünfmal vergrössert liegt er da wie auf einem Altar, ein Objekt ohne eindeutige Funktion, zu einem Stück souveräner Malerei geworden. Als Stillleben-Motiv dienen Fehr auch Totenschädel und ein menschlicher Oberschenkelknochen, die er von einem Friedhofsgärtner bekommen hat. Mit Le Fémur von 2015, dem an einer Schnur in einem undefinierten Raum aufgehängten Knochen hat sein Streben nach Reduktion und Monumentaliserung einen Höhepunkt gefunden.
Bei Marc-Antoine Fehr ist das Bedeutungsvolle kaum vom Alltäglich-Banalen zu trennen. Dafür nimmt er das Gegenständliche in seiner ganzen Materialität zu ernst. Unter den als Bildmotiv ausgewählten Objekten gibt es keine Hierarchie. Fehr liebt es im Gegenteil, allfällige Rangordnungen zu erschüttern, indem er das Massstabsverhältnis verkehrt und Grosses klein und Kleines gross erscheinen lässt. Er ist gewiefter Inszenator und versteht es, bedrängende Themen im Schauspielhaften zu verfremden.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Caroline Kesser, 1998, aktualisiert 2015 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4000533
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