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Lot 3002* - A196 Gemälde Alter Meister - Freitag, 26. März 2021, 14.00 Uhr

FILIPPINO LIPPI

(Prato 1457– 1504 Florenz)
Heiliger Benedikt. Um 1470–75.
Öltempera auf Holz.
Unten mittig bezeichnet: SACTUS BENEDICTUS.
63,3 × 23,3 cm.

Gutachten: Mina Gregori, 26.7.2004, als Filippo Lippi um 1440 (in Kopie vorhanden).

Provenienz:
- Privatsammlung, Florenz.
- Auktion Geri, Mailand, 23.3.1932, Los 51 (als Filippino Lippi) (Abb. 1).
- Europäischer Privatbesitz.

Mit einer ausführlichen kunsthistorischen Analyse von Prof. Dr. Gaudenz Freuler, Februar 2021.

In Angleichung an die Praxis der Renaissance Wandfiguren in eine oben in Muschelform abgeschlossene Konchennische gestellt und frontal dem Betrachter zugewandt, erscheint in weissem Habit der Gründer des monastischen Lebens, Sankt Benedikt. In seiner Rechten hält er als traditionelles Attribut seine Rute und mit der linken Hand ein rotes Buch. Bestätigt wird seine Identität durch die in goldenen Lettern auf die Sockelleiste aufgemalte Inschrift SA(N)CTUS BENEDICTUS. Die zierliche Tafel erscheint als typisches Kleinod der grossen florentinischen Renaissance Kunst und vereint in sich die essenziellen Ingredienzen der neuen humanistischen Bildwelt dieser Stadt. Dies gilt äusserlich für die szenische Umrahmung über antikisierende Architekturelemente, sowie für eine subtile Lichtführung, ausgewogene Proportionen, in sich ruhende Gestalten und eine natürliche, sensible und deshalb klar verständliche Charakterisierung der Emotionen.

Die vorliegende noch unveröffentlichte Tafel mit der Figur des Heiligen Benedikt wurde 1932 in Mailand (Geri, 23.3.1932, Abb. 1) zusammen mit einer weiteren, den Heiligen Maurus darstellenden Tafel, als Werk des Filippino Lippi versteigert (siehe Vergleichsbeispiele Analyse Freuler, 02.2021, fig. 1). Diese beiden Gemälde waren womöglich Teile des Rahmungssystems einer grossen Renaissance Pala oder könnten Elemente eines Sakristei-Schranks gewesen sein. Der weisse Habit der beiden Benediktinerheiligen deutet auf eine Herkunft aus einer Klosterkirche eines der benediktinischen Ordenszweige, womöglich der Kamaldulenser oder der Olivetaner. Die im Katalog der Galeria Geri (1932) für die beiden Heiligenfiguren vorgeschlagene Erstzuschreibung an Filippino Lippi, den Sohn des ebenso berühmten Fra Filippo Lippi (1406–1469) wurde später von Mina Gregori in einem 2004 verfassten Gutachten zurückgewiesen. Dennoch erkannte auch Gregori den künstlerischen Zusammenhang mit dem Milieu der Lippi, auch wenn sie die Tafel nicht Lippis Sohn, sondern dem Vater Filippo Lippi selbst zuschrieb. Im Weiteren deutet die äusserst feine Qualität der Tafel auf einen führenden Exponenten der florentinischen Renaissance Malerei zur Mitte des 15. Jahrhunderts hin. Die vorzügliche künstlerische Qualität der Tafel zeigt sich allein schon an der eleganten in sich ruhenden Erscheinung des Heiligen, gleich wie seine Integration in die räumlich und durch eine feine diffuse Lichtführung gekonnt artikulierte Renaissance Konchennische eine bemerkenswerte Meisterschaft erahnen lässt.

Die Typologie der Figuren in Konchennischen, wie sie durch unseren Benedikt verkörpert wird, steht in einer längeren Tradition der florentinischen Renaissancemalerei. Sie geht zurück auf einen Prototyp, wie er sich in Lorenzo Ghibertis (um 1378–1455) Zeichnung für seinen Stephanus an der Aussenwand von Or’ San Michele (Paris Louvre, siehe Freuler, fig. 2) verwirklicht findet. Dieser Prototyp verdichtet sich in der Folge zu einem gängigen Motiv der florentinischen Renaissance-Malerei. Während Ghiberti und Lippi in ihren frühen Darstellungen die Nische in starker Aufsicht konzipiert hatten, so wählten unser Maler und später die Maler der Papstdarstellungen in der Cappella Sixtina in Rom (siehe Freuler, fig. 5) einen natürlicheren, tiefer angesetzten Augenpunkt. Diesbezüglich erscheint unsere Interpretation auch hinsichtlich der muschelförmigen Konche und der Akanthuspalmetten Ornamentik nachgerade als Vorläufer für die berühmte Ahnenreihe der Päpste in Rom (1481 ff.). Zweifellos darf unsere Tafel nicht so spät angesetzt werden wie die Papstserie in Rom, denn der Figurenstil des Benedikt weist noch zurück auf die früheren künstlerischen Errungenschaften der Florentiner Malerei, insbesondere in das künstlerische Milieu Filippo Lippis. Wie Mina Gregori in ihrem Gutachten richtig erkannt hatte, sind in unserer Heiligenfigur Anklänge an Lippis Malerei um 1440 festzustellen, die im Zeichen seiner Auseinandersetzung mit der Lichtmalerei Domenico Venezianos (um 1410–um 1461) stand. Die Modellierung des Gesichts unseres Benedikt lässt jedoch eine Leuchtkraft erkennen, die sich von Filippo Lippis meist etwas rauchigeren, in gleissendes Licht gesetzten Oberflächen, unterscheidet (siehe Freuler, fig. 6) und in eine Malerei zu münden scheint, die mit den Anfängen der nachfolgenden Malergeneration Filippino Lippis, Sandro Botticellis (um 1445–1510) und Domenico Ghirlandaios (um 1449–1494) zusammenfällt.

Dieser Befund rückt nun Filippo Lippis Sohn, Filippino Lippi, in den Vordergrund des Interesses. Die hier erkennbaren exquisiten malerischen Qualitäten, wie das von links einfallende, sanft diffuse Licht, welches das Dunkel der Nische fast unmerklich durch einen schwachen nebligen Lichtschimmer erhellt und den Heiligen trotz seiner physischen Präsenz beinahe als immaterielle Erscheinung erscheinen lässt, sind Qualitäten, wie sie der junge, in der väterlichen Werkstatt ausgebildete Filippino in seinen frühesten Schaffensjahren zu realisieren vermochte. Ebenso zu vernehmen ist die von Filippo Lippis Malweise tradierte figurale Gestaltung. Dies gilt besonders für die an seinen beiden benediktinischen Heiligen zu erkennende Kunstfertigkeit, die Figuren in straffen und dennoch in sanft fliessenden Faltenbahnen fallenden Gewändern erscheinen zulassen, die zudem eine samtweiche Stofflichkeit empfinden lassen. Seine Figuren vermitteln hiermit eine in sich ruhende monumentale Präsenz.

Die Entstehung für unseren aus Fra Filippo Lippis Tradition geschöpften Benedikt ist folglich in das 8. Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts einzuordnen und fällt damit in die Zeit nach Filippo Lippis Tod. Es ist dies die Zeit, die im Zeichen von Filippino Lippis Abnabelung von der väterlichen Werkstatt stand und 1472 unseren noch sehr jungen, bloss fünfzehnjährigen Künstler veranlasste, mit Sandro Botticellis Werkstatt eine Partnerschaft einzugehen, was ihm im gleichen Jahr durch Vermittlung seines neuen Partners auch die Mitgliedschaft der florentinischen Malergilde San Luca einbrachte. Es sind also die Jahre, während denen Filippino Lippis Malerei zunehmend von Sandro Botticelli bestimmt wurde, freilich ohne seine künstlerische Eigenständigkeit und Herkunft gänzlich aufzugeben. Diese Zeit wird besonders eindrücklich repräsentiert von Filippino Lippis Zusammenwirken mit Botticelli. Einer ca. 1475 gemalten Cassone Tafel im Musée Condé in Chantilly mit der Szene von Esther vor Assuerus, eines Frontbildes einer jüngst rekonstruierten Hochzeitstruhe (siehe Freuler, fig. 8), ist weitestgehend von Filippino Lippi ausgeführt. Die hier in Rede stehende Tafel des Heiligen Benedikts geht damit als Frühwerk Filippino Lippis hervor und dürfte, zwischen 1472 (Verkündigung in der Galleria dell’ Accademia in Florenz, siehe Freuler, fig. 12) und 1475 (Cassone in Chantilly, siehe Freuler, fig. 8) und der Anbetung der Könige in der National Gallery in London (siehe Freuler, fig. 19) entstanden sein, was durch die ähnliche Modellierung des Heiligengesichts unserer Tafel und des Josephs des Londoner Bildes weitere Bestätigung findet. Das kleinformatige Tafelbild ist als ein überraschendes wie faszinierendes frühes Meisterstück der florentinischen Renaissance hervorgegangen, von der Hand des noch jungen Filippino Lippi, der sich in den nachfolgenden Jahrzehnten zu einem der bedeutendsten Renaissancekünstler Italiens und Vorboten des florentinischen Manierismus entwickeln sollte.

CHF 40 000 / 60 000 | (€ 41 240 / 61 860)


Verkauft für CHF 134 500 (inkl. Aufgeld)
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