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Lot 3007 - A206 Gemälde Alter Meister - Freitag, 22. September 2023, 14.00 Uhr

BONIFAZIO BEMBO, Werkstatt

(um 1420 Brescia vor 1482)
Thronende Madonna mit Kind. Um 1470.
Tempera auf Holz.
108 × 63 cm.

Provenienz:
Schweizer Privatbesitz.

Mit einer ausführlichen kunsthistorischen Analyse von Prof. Gaudenz Freuler, Januar 2023.

Vorliegendes Madonnenbild verbildlicht die thronende Muttergottes mit ihrem Kind. Die Jungfrau hat mit ihrem Kind auf einer den Renaissanceformen angeglichenen Thronarchitektur Platz genommen. Unter Hinweis auf die künftige Eucharistie (Corpus Christi) zeigt sie dem Betrachter den blossen Körper ihres göttlichen Sohns. Dieser hält sich auf ihrem Schoss aufrecht, indem er seinen rechten Arm um ihren Hals geschlungen hält. Mit einem etwas erschöpften, aber doch eindringlichen Blick auf den Bildbetrachter, lädt er diesen ein, über die göttliche Menschwerdung und seinen künftigen Erlösertod am Kreuz zu meditieren. Umrahmt wird dieses stille Miteinander von Mutter und Kind von einem Wald weisser Rosenbäumchen, die die Jungfrau als Rose ohne Dornen symbolisieren. Der Legende nach sollen die Rosen vor dem Sündenfall keine Dornen getragen haben, weshalb die Muttergottes als die vor der Erbsünde bewahrte Jungfrau bildlich durch Rosen ohne Dornen symbolisiert wurde. Als weiteres Mariensymbol schwebt über ihrem Haupt die Krone, die sie als Königin der Barmherzigkeit Regina Misericordiae auszeichnet. Im theologischen Verständnis des Mittelalters hat sie sich diese Würde durch ihre Mutterschaft und als Ernährerin des Erlösers verdient, weshalb sie so dem Bildbetrachter als Hoffnungsspenderin und künftige Mittlerin beim letzten Gericht vor Augen geführt ist.

Unser Tafelbild präsentiert sich als Wiederholung eines für Cremona bedeutenden Gemäldes, das zentrales Element eines wohl grossartigen, jedoch inzwischen zerlegten Altarwerks auf dem Hochaltar der Kathedrale von Cremona war: Die thronende Maria mit dem Jesusknaben und zwei singenden Engeln mit Texten eines Osterresponsoriums, heute in der Sammlung der Pinacoteca Ala Ponzone in Cremona (Inv.-Nr. 39). Wie Dokumente von 1467 attestieren, waren am 30. April des genannten Jahres Bonifacio Bembo als Maler und ein gewisser Pantaleone de Marchi (im 15. Jahrhundert) als Bildschnitzer mit der Herstellung dieser grossen Aufgabe beschäftigt. Die Arbeiten begannen wohl schon 1464. Später, 1507/08, wurde der Madonnenmantel von Boccaccio Boccaccino (vor 1466–1525) nach der Ästhetik der Hochrenaissance erneuert. Das konzeptuelle Grundgerüst für die hier in Rede stehende, etwas vereinfachte Version findet sich unverkennbar im erwähnten Gemälde der Sammlung Ala Ponzone aus dem Dom von Cremona vorgebildet, dort jedoch in subtilerer Weise ikonographisch ausgeweitet. Während die Thronarchitektur und die Figuren der Jungfrau und des Christusknaben weitestgehend – wenngleich vereinfacht – in die vorliegende Variante eingeflossen sind, präsentiert sich Bonifacio Bembos Vorbild in Cremona in opulenterem Gepränge und ikonographisch subtil ausgeweitet. Um den Thron haben sich zwei Engel mit Spruchbändern für die Osterresponsorien geschart, gleich wie die Rosenbüsche, aus denen auch eine den Thron umrankende Weinranke emporgewachsen, die mit weitaus naturalistischer Akribie gemalt sind. Damit ist Bonifacio Bembos Mitteltafel des Hochaltars aus dem Cremoneser Dom noch subtiler als in unserem Bild und mit eucharistischem Nachdruck (Reben und der Körper des Christusknaben) programmatisch auf die Eucharistie und die Lobpreisung von Marias Mutterschaft ausgerichtet.

Wie unschwer zu erkennen ist, war für Bonifazio Bembos Madonna aus dem Dom von Cremona einerseits Andrea Mantegnas (1431–1506) Madonna des Hochaltars von San Zeno in Verona (1456–59) und andererseits die spätgotische Bildwelt Jacopo Bellinis (um 1400–um 1470) die hauptsächliche künstlerische Referenz. Während die Madonna und die Haltung des aufrecht stehenden Christusknaben mit dem um den Hals seiner Mutter geschlungenen Arm, gleich wie der Ausblick in einen Rosenstrauch und einer lichten Landschaft mit einem Himmel weisser Wolkenflocken aus Mantegnas berühmten Veroneser Madonna tradiert sind, entspricht der spätgotische materielle Reichtum der Goldbrokate der Kleider der Engel und Madonna gleich wie deren Typologie Jacopo Bellinis, in Gentile da Fabrianos (um 1385–1427) exotischer spätgotischen Kunst gegründetem, ästhetischen Empfinden.

Die beiden erwähnten mit Venedig verbundenen Einflüsse auf Bembo überraschen kaum, wenn man bedenkt, dass Mantegna Jacopo Bellinis Schwiegersohn war und Bembo zudem als spätgotischer Nostalgiker sich künstlerisch an jenen, die Entwicklung der venezianischen und norditalienischen Malerei der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts prägenden Protagonisten des Gotico Internazionale, Gentile da Fabriano, Michelino da Besozzo (tätig 1388–1450) und Antonio Pisanello (um 1395–um 1455) orientierte, die anfänglich auch für Jacopo Bellini massgebend waren.

Die Madonna aus dem Dom von Cremona ist ein grundlegendes Werk innerhalb Bonifacios künstlerischem Werdegang und markiert die Wende vom spätgotischen Maler internationaler Prägung zum gewandelten Maler der humanistischen Renaissance. Auf diese Weise erfüllte Bembo auch die hohen künstlerischen Ansprüche der Sforza in Mailand, wo er seit 1456 zu einem der beliebtesten Maler Francesco Sforzas (1401–1466) avancierte. Auch später, 1473, waren seine Dienste am Sforzahof gefragt, wenn er zusammen mit Mitarbeitern für die Sforza die Fresken der Cappella Ducale im Castello Sforzesco in Mailand schuf. Bonifazio Bembo profilierte sich somit schon früh als Maler am mailändischen Hof.

Vorliegende Tafel reflektiert Bembos späte Schaffensphase der ausgehenden 1460er Jahre und präsentiert sich als simplifizierte, vermutlich in der Wertstatt unter der Rigide des Meisters geschaffene Replik des berühmten Vorbildes im Cremoneser Dom.

Wir danken Prof. Marco Tanzi für seinen Hinweis, dass diese hier angebotene Tafel von besonderer Bedeutung ist. Sie entstand als erste Replik nach dem Altarwerk von Bonifacio Bembo in der Kathedrale von Cremona im unmittelbaren Umfeld des Meisters.

CHF 30 000 / 50 000 | (€ 30 930 / 51 550)


Verkauft für CHF 35 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr