Lot 217 - A202 Bücher & Autographen - Mittwoch, 21. September 2022, 14.00 Uhr
INKUNABELN -
Colonna, Francesco.
Hypnerotomachia Poliphili. Mit 172 (11 ganzseitigen) Holzschnitten (Benedetto Bordon zugeschrieben) und 39 Holzschnitt-Initialen.
Venedig, Aldus Manutius [für Leonardus Crassus], 1499. Folio (31,7 x 22,2 cm). [234] Bll. Lederband des 18. Jahrhunderts mit goldgepr. Rückenschild und reicher Rückenvergoldung (Gelenke angeplatzt, Kanten beschabt, Sign.-Märkchen am Rücken). Eingelegt in grüne Maroquin-Kassette um 1900 mit goldgepr. Rückentitel und Eckfleurons (Rücken aufgehellt).
GW 7223 - Hain/C. 5501 - Goff C 767 - Sander 2056 - Essling 1198 - Renouard 21.5 - ISTC ic00767000 - Aldinen-Slg. Berlin 49 und 50 - N. Harris, Nine reset sheets in the Aldine Hypnerotomachia Poliphili, in: Gutenberg-Jahrbuch 2006, S. 245-275. - Erste Ausgabe im ersten Druckzustand, mit den bei Harris beschriebenen Merkmalen der neun fraglichen Blätter im Originalsatz. Der bei den allermeisten Exemplaren retuschierte Priapus-Holzschnitt liegt unzensiert vor. - Das ebenso berühmte wie rätselhafte Werk gilt bis heute als schönstes illustriertes Buch der Renaissance und als buchkünstlerische Ideallösung für die harmonische Kombination von Text und Bild. Sein nicht eben eingängiger Titel, der soviel bedeutet wie "Traumliebesstreit des Poliphilos", verweist bereits auf ein höchst artifizielles, der Wirklichkeit entrücktes Geschehen. Tatsächlich schildert es den Traum des seine Geliebte suchenden Poliphilo als arkadische Wanderung, auf der der Held unter anderem zu verzauberten Wäldern, Grotten, Ruinen, einer Pyramide und einem Amphitheater gelangt. Er begegnet dabei verschiedenen Fabelwesen, Allegorien und Göttern und gibt seinem Verfasser Gelegenheit, ausführliche architektonische Beschreibungen, Metaphern und philosophische Rätsel auszubreiten. Dieser Verfasser blieb lange Zeit unbekannt, erst im 18. Jahrhundert bemerkte man, dass die 38 Anfangsinitialen der einzelnen Abschnitte ein Akrostichon bilden: "Poliam Frater Franciscus Columna Peramavit" - Bruder Franciscus Columna hat Polia sehr geliebt. - Die Identifizierung Colonnas als Autor brachte jedoch ein neues Problem hervor: Es kommen zwei Autoren dieses Namens in Frage. Zum einen ein Dominikaner aus Venedig, zum anderen ein Adliger aus Palestrina bei Rom. Bis heute ist die Urheberschaft des Werkes nicht zweifelsfrei geklärt. Die Holzschnitte des Werkes, die in ihrer streng linearen Gestaltung ungemein modern wirken, werden Benedetto Bordon zugeschrieben. - Sprach- und Druckgeschichtlich bedeutend ist das Buch, weil es in einer ungewöhnlichen Mischung aus Latein, latinisiertem Italienisch, neu erfundenen Latinismen und dem römischen Italienisch des 15. Jahrhunderts geschrieben ist. Daneben gibt es aber auch Passagen in Hebräisch, Arabisch, Griechisch, ferner ägyptische Hieroglyphen ebenso wie mathematische Anmerkungen, geometrische und architektonische Konstruktionspläne u.a.m. - Anfangs gering fingerfleckig, die ersten ca. 50 Blatt mit kleinen, zumeist kaum merklichen Wurmspuren und minimalem Buchstabenverlust. Durchgehender Feuchtfleck im Oberrand, anfangs stärker und bis in den Schriftspiegel reichend, dann schmaler werdend und im weissen Oberrand verlaufend. Zwei Seiten mit alten Tintenflecken, ein ganzseitiger Holzschnitt mit durchgestrichener Marginalie von alter Hand im Oberrand. Zwei weitere Holzschnitte von alter Hand in brauner Tinte ergänzt. - Provenienz: Exlibris des Schweizer Bibliophilen Paul Schlesinger (1897-1977) von J. F. Junod auf Vorsatz. - Seither Schweizer Familienbesitz.
CHF 50 000 / 80 000 | (€ 51 550 / 82 470)
Verkauft für CHF 183 300 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr