Lot 3406 - A189 PostWar & Contemporary - Samstag, 29. Juni 2019, 14.00 Uhr
JEAN FAUTRIER
(Paris 1898–1964 Châtenay-Malabry)
La passoire. 1947.
Öl auf Vélin auf Leinwand.
Unten links signiert: fautrier. Auf dem Keilrahmen betitelt: La passoire.
46 x 55 cm.
Die Authentizität des Werkes wurde von Castor Seibel, Comité Fautier, Paris, 24. April 2018, bestätigt (dort datiert 1947).
Provenienz:
- Alexander Iolas Gallery, New York (verso mit dem Etikett).
- Auktion Sotheby's London, 25. März 1999, Los 52.
- Privatsammlung Deuschland.
- Bei obiger Sammlung vom heutigen Besitzer erworben, seitdem Privatsammlung Schweiz.
Ausstellungen:
- Jerusalem. The Israel Museum (verso mit dem Etikett).
- Winterthur 2017, Jean Fautrier. Kunstmuseum Winterthur, 26. August - 12. November 2017, S. 137 (verso mit dem Etikett, mit Farbabb.) (abweichende Datierung).
- Paris 2018, Jean Fautrier, matière et lumière. Musée d'Art moderne de la Ville de Paris, 26. Januar - 20. Mai 2018, S. 157 (mit Farbabb.) (abweichende Datierung).
„Ich wurde am 16. Mai 1898 in Paris geboren, meine Eltern stammen beide aus dem Béarn – meine Grossmutter mütterlicherseits war Irin, sie vergötterte mich trotz meines ganz und gar unmöglichen Charakters – sie war es auch, die sich um mich gekümmert hat, bis zu dem Tag, als ich sie, ohne zu verstehen warum, im Bett liegen sah. Wenige Tage darauf verstarb sie, obwohl ich Tag für Tag nur darauf gewartet hatte, unsere gemeinsamen Ausflüge wieder aufzunehmen (...). Von diesem Tag an wurde ich der Obhut von Kindermädchen aus unterschiedlichen Herkunftsländern anvertraut – Meine Mutter sah ich kaum, sie führte ein sehr mondänes Leben, und mein Vater war zu sehr von seinen Geschäften in Anspruch genommen – hin und wieder bekam ich sie kurz zu Gesicht – mein Charakter hatte sich kaum verändert. (...) Wenig später verstarb mein Vater plötzlich an einem Herzanfall, und einmal mehr sollte sich mein Leben radikal verändern – Meine verzweifelte Mutter wollte einen Umgebungswechsel und reiste nach London, um sich dort niederzulassen, mich liess sie erst drei Monate später nachkommen – ich war elf. Bis zum Tod meines Vaters war für mich nie etwas anderes als eine kaufmännische Tätigkeit im Raum gestanden – ich zeichnete schon damals gern (...) und begriff schliesslich, dass ich gern malen würde, die Kunst zog mich unwiderstehlich an – Meine Mutter widersetzte sich diesen Anfängen nicht, und so besuchte ich eine Zeichen- und Malschule – Nach einem Jahr Arbeit galt ich als eine Art Wunderkind und wurde an die Royal Academy in London aufgenommen, damals eine Seltenheit, denn wir waren nur rund zwanzig Schüler – Ich war vierzehn – Alle waren begeistert.“ (zit: Briefabschnitt aus dem Jahr 1944 von Jean Fautrier an Jean Paulhan).
Auf diesen ersten Jahren seines Lebens baut Jean Fautrier seine Karriere als Künstler auf. Er zählt heute zu den wichtigsten Nachkriegskünstlern und in der französischen Malerei spielt er eine aussergewöhnliche Rolle. Nachdem er die Royal Academy of Arts und anschliessend die Slade School of Arts besucht, geht er konsequent und lebenslang seinen eigenen Weg. „Ich weigere mich irgendeiner Schule anzuschliessen, der kubistischen oder einer anderen. Ich schätze, dass der Kubismus eine abgeschlossene Sache sei und der Surrealismus, der damals in Mode war, eine gleichermassen abgeschlossene, ich würde sogar sagen, eine von vornherein abgeschlossene Sache.“ (Lescure, Jean. En écoutant Fautrier, 1999, S.15) Zu seinen Lebzeiten bezeichnen ihn die führenden Intellektuellen seiner Epoche als Inbegriff der französischen Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Heute wird er den wichtigsten Begründern der Strömung des Informel zugeordnet.
Seine ersten wirtschaftlichen Erfolge entstanden 1927 durch seine Serie der „schwarzen Bilder“, die sich durch eine fast monochrome Farbwahl charakterisieren. Auf anthrazit-farbenen und schwarzem Hintergrund kommen kaum erkennbare Jagdstillleben, Figuren oder Pflanzen zum Vorschein. Die Übergänge mit dem dunklen Hintergrund sind undeutlich und die Gegenstände scheinen nur kurz ersichtlich zu sein. Nach der Wirtschaftskrise und einer Auszeit aus gesundheitlichen Gründen beginnt er Ende der 1930er Jahre wieder zu malen. Seine Gegenstände nehmen eine immer subtilere Form an, denn nur durch ihre Umrisslinien lassen sich die Objekte erkennen. Von nun an zeichnen sich seine Arbeiten durch einen zunehmenden gestischen Duktus aus, er ersucht in seinen Werken eine maximale Reduktion, konzentriert sich auf die Essenz des Gegenstandes.
In den letzten Kriegsjahren entwickelt er seinen von nun an geprägten Malstil: als Bildträger nimmt er Blätter, welche er auf die Leinwand aufzieht. Die Leinwand legt er horizontal auf einen Tisch und trägt eine aufgewärmte weisse Feinputzmasse mit einem Spachtel auf. Er bearbeitet die Masse, bis ein Umriss und eine Skulptur seines Gegenstandes zum Vorschein kommen. Darauf streut er Farbpigmente und vermischt diese teilweise mit dem Pinsel in die Masse. Seine Werke sind von nun an von weissen Hintergründen charakterisiert, worauf er farbintensive Pigmente wie Blau, Grün, Gelb oder Orange aufträgt. Die Formen seiner Objekte, Landschaften, Stillleben (Blumen oder Alltagsgegenstände) scheinen sich in der Masse aufzulösen, das Wesentliche des Subjektes bleibt jedoch erhalten.
Das von uns hier angebotene Werk „La Passoire“ aus dem Jahr 1947 ist ein wunderbares Beispiel für seine elabortierte Maltechnik und jenen Malstil, welche ab dem Jahr 1951 zum ersten Mal vom Kunstkritiker Michel Tapié als ‚Art Informel’ bezeichnet wird. Das Gemälde „La Passoire“ verdeutlicht ebenfalls genau die Definition, die Hans-Jürgen Schwalm zum Informel gibt: „Durch die Befreiung der Farbe aus den Fesseln einer vorgegebenen Form und durch die Öffnung des Bildes für spontane, gestisch eruptive Aktionen überwindet es den traditionellen Bildbegriff. Der Künstler komponiert nicht mehr auf ein vorher geplantes Ergebnis hin. Stattdessen lässt er dynamische Prozesse anschaulich werden: Er fixiert den Malakt selbst im Moment höchster Konzentration als Bewegungsspur im Bild oder aber thematisiert Farbe als Material, um sie dabei aus allen form- und gegenstandsgebundenen Bezügen freizusetzen.“ (Zitat: www.stiftung-informelle-kunst.de)
Provenienz:
- Alexander Iolas Gallery, New York (verso mit dem Etikett).
- Auktion Sotheby's London, 25. März 1999, Los 52.
- Privatsammlung Deuschland.
- Bei obiger Sammlung vom heutigen Besitzer erworben, seitdem Privatsammlung Schweiz.
Ausstellungen:
- Jerusalem. The Israel Museum (verso mit dem Etikett).
- Winterthur 2017, Jean Fautrier. Kunstmuseum Winterthur, 26. August - 12. November 2017, S. 137 (verso mit dem Etikett, mit Farbabb.) (abweichende Datierung).
- Paris 2018, Jean Fautrier, matière et lumière. Musée d'Art moderne de la Ville de Paris, 26. Januar - 20. Mai 2018, S. 157 (mit Farbabb.) (abweichende Datierung).
„Ich wurde am 16. Mai 1898 in Paris geboren, meine Eltern stammen beide aus dem Béarn – meine Grossmutter mütterlicherseits war Irin, sie vergötterte mich trotz meines ganz und gar unmöglichen Charakters – sie war es auch, die sich um mich gekümmert hat, bis zu dem Tag, als ich sie, ohne zu verstehen warum, im Bett liegen sah. Wenige Tage darauf verstarb sie, obwohl ich Tag für Tag nur darauf gewartet hatte, unsere gemeinsamen Ausflüge wieder aufzunehmen (...). Von diesem Tag an wurde ich der Obhut von Kindermädchen aus unterschiedlichen Herkunftsländern anvertraut – Meine Mutter sah ich kaum, sie führte ein sehr mondänes Leben, und mein Vater war zu sehr von seinen Geschäften in Anspruch genommen – hin und wieder bekam ich sie kurz zu Gesicht – mein Charakter hatte sich kaum verändert. (...) Wenig später verstarb mein Vater plötzlich an einem Herzanfall, und einmal mehr sollte sich mein Leben radikal verändern – Meine verzweifelte Mutter wollte einen Umgebungswechsel und reiste nach London, um sich dort niederzulassen, mich liess sie erst drei Monate später nachkommen – ich war elf. Bis zum Tod meines Vaters war für mich nie etwas anderes als eine kaufmännische Tätigkeit im Raum gestanden – ich zeichnete schon damals gern (...) und begriff schliesslich, dass ich gern malen würde, die Kunst zog mich unwiderstehlich an – Meine Mutter widersetzte sich diesen Anfängen nicht, und so besuchte ich eine Zeichen- und Malschule – Nach einem Jahr Arbeit galt ich als eine Art Wunderkind und wurde an die Royal Academy in London aufgenommen, damals eine Seltenheit, denn wir waren nur rund zwanzig Schüler – Ich war vierzehn – Alle waren begeistert.“ (zit: Briefabschnitt aus dem Jahr 1944 von Jean Fautrier an Jean Paulhan).
Auf diesen ersten Jahren seines Lebens baut Jean Fautrier seine Karriere als Künstler auf. Er zählt heute zu den wichtigsten Nachkriegskünstlern und in der französischen Malerei spielt er eine aussergewöhnliche Rolle. Nachdem er die Royal Academy of Arts und anschliessend die Slade School of Arts besucht, geht er konsequent und lebenslang seinen eigenen Weg. „Ich weigere mich irgendeiner Schule anzuschliessen, der kubistischen oder einer anderen. Ich schätze, dass der Kubismus eine abgeschlossene Sache sei und der Surrealismus, der damals in Mode war, eine gleichermassen abgeschlossene, ich würde sogar sagen, eine von vornherein abgeschlossene Sache.“ (Lescure, Jean. En écoutant Fautrier, 1999, S.15) Zu seinen Lebzeiten bezeichnen ihn die führenden Intellektuellen seiner Epoche als Inbegriff der französischen Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Heute wird er den wichtigsten Begründern der Strömung des Informel zugeordnet.
Seine ersten wirtschaftlichen Erfolge entstanden 1927 durch seine Serie der „schwarzen Bilder“, die sich durch eine fast monochrome Farbwahl charakterisieren. Auf anthrazit-farbenen und schwarzem Hintergrund kommen kaum erkennbare Jagdstillleben, Figuren oder Pflanzen zum Vorschein. Die Übergänge mit dem dunklen Hintergrund sind undeutlich und die Gegenstände scheinen nur kurz ersichtlich zu sein. Nach der Wirtschaftskrise und einer Auszeit aus gesundheitlichen Gründen beginnt er Ende der 1930er Jahre wieder zu malen. Seine Gegenstände nehmen eine immer subtilere Form an, denn nur durch ihre Umrisslinien lassen sich die Objekte erkennen. Von nun an zeichnen sich seine Arbeiten durch einen zunehmenden gestischen Duktus aus, er ersucht in seinen Werken eine maximale Reduktion, konzentriert sich auf die Essenz des Gegenstandes.
In den letzten Kriegsjahren entwickelt er seinen von nun an geprägten Malstil: als Bildträger nimmt er Blätter, welche er auf die Leinwand aufzieht. Die Leinwand legt er horizontal auf einen Tisch und trägt eine aufgewärmte weisse Feinputzmasse mit einem Spachtel auf. Er bearbeitet die Masse, bis ein Umriss und eine Skulptur seines Gegenstandes zum Vorschein kommen. Darauf streut er Farbpigmente und vermischt diese teilweise mit dem Pinsel in die Masse. Seine Werke sind von nun an von weissen Hintergründen charakterisiert, worauf er farbintensive Pigmente wie Blau, Grün, Gelb oder Orange aufträgt. Die Formen seiner Objekte, Landschaften, Stillleben (Blumen oder Alltagsgegenstände) scheinen sich in der Masse aufzulösen, das Wesentliche des Subjektes bleibt jedoch erhalten.
Das von uns hier angebotene Werk „La Passoire“ aus dem Jahr 1947 ist ein wunderbares Beispiel für seine elabortierte Maltechnik und jenen Malstil, welche ab dem Jahr 1951 zum ersten Mal vom Kunstkritiker Michel Tapié als ‚Art Informel’ bezeichnet wird. Das Gemälde „La Passoire“ verdeutlicht ebenfalls genau die Definition, die Hans-Jürgen Schwalm zum Informel gibt: „Durch die Befreiung der Farbe aus den Fesseln einer vorgegebenen Form und durch die Öffnung des Bildes für spontane, gestisch eruptive Aktionen überwindet es den traditionellen Bildbegriff. Der Künstler komponiert nicht mehr auf ein vorher geplantes Ergebnis hin. Stattdessen lässt er dynamische Prozesse anschaulich werden: Er fixiert den Malakt selbst im Moment höchster Konzentration als Bewegungsspur im Bild oder aber thematisiert Farbe als Material, um sie dabei aus allen form- und gegenstandsgebundenen Bezügen freizusetzen.“ (Zitat: www.stiftung-informelle-kunst.de)
CHF 100 000 / 200 000 | (€ 103 090 / 206 190)
Verkauft für CHF 207 700 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr