Sie haben noch kein Login?

Klicken Sie hier um sich zu registrieren »


Wenn Sie bereits registriert sind - Login:




Lot 1012 - A174 Möbel, Porzellan & Dekoration - Donnerstag, 17. September 2015, 10.00 Uhr

KABINETT,

Renaissance, wohl Augsburg um 1630.
Nussbaum, Kirsche, Zwetschgen, Bein und teils kolorierte Fruchthölzer gefriest sowie ausserordentlich reich eingelegt mit figuralen Motiven aus dem Alten Testament: Auf der Front des Kabinetts ist Jakobs Traum der Himmelsleiter eingelegt, auf einer Schublade darunter die Erschaffung Adams und Evas, der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies. An den Seiten rechts ist Jakobs Kampf mit dem Engel und links der Prophet Elias, der von den Raben ernährt wird, zu sehen. Der obere Deckel zeigt aussen den Tod Absaloms und innen die Ausspeiung Jonas‘. Öffnet man das Schränkchen, so ist auf den Türinnenseiten die Josephsgeschichte mit der Gefangennahme im Brunnen und dem Verkauf durch seine Brüder an die ägyptischen Kaufleute eingelegt. In der Mitte der Schubladenfront ist, wie bei solchen Kabinettschränken üblich, ein Türchen angebracht, dessen Vorderseite Samsons Kampf mit dem Löwen zeigt. Im Inneren des Gelasses hinter dem Türchen sind auf den drei Wänden und der Türrückseite die vier Evangelisten mit ihren Symbolen zu Füssen sowie Johannes der Täufer auf dem Boden dargestellt. Die Rückwand des Faches mit der Darstellung des Evangelisten Markus ist seitlich verschiebbar und gibt noch vier schlichte Geheimschublädchen frei. Auf den Schubladen, die sich rund um das Gelass gruppieren, sind folgende alttestamentliche Szenen dargestellt: Daniel in der Löwengrube (links, 1. Lade oben), Kain und Abel (links, 2. Lade von oben), Simson trägt die Stadttore von Gaza auf den Berg Hebron (links, 3. Lade von oben), der Engel heilt Tobias von seiner Blindheit (links, 4. Lade von oben), Joseph flieht aus dem Gemach von Potiphars Weib (links, 5. Lade von oben), ein Engel erscheint Hagar in der Wüste (rechts, 1. Lade von oben), Davids Kampf mit Goliath (rechts, 2. Lade von oben), David tötet Goliath mit dem Schwert (rechts, 3. Lade von oben), Sauls Tod (rechts, 4. Lade von oben), die grosse Traube wird aus Kanaan zu Moses und Aaron gebracht (rechts, 5. Lade von oben), Saul versucht David mit dem Speer zu töten (Lade Mitte unten), der Herr erscheint Abraham in Mamre (Lade Mitte oben). Rechteckiger Korpus mit aufklappbarer Kranzschublade auf einschübigen Sockel mit ausgeschnittenen Bogenfüssen. Front mit Doppeltüre und breiter Schlagleiste. Architektonisch gegliederte Inneneinteilung mit Zentraltüre, umgeben von 11 Schubladen. Fein eingelegtes Innenfach mit Schiebetüre vor 4 kleinen Geheimschubladen. Die Schubladen mit "Herrnhuter" Kleisterpapier ausgeschlagen. Spätere Bronzeknöpfe, Schlösser sowie teils ersetzte Scharniere. Teils markante konstruktive Veränderungen, Furnierergänzungen und spätere Bogenfüsse. 64x41x72 cm.

Provenienz: Privatsammlung, Schweiz. Mit ausführlichem Gutachten von Dr. C. Cornet, München 2015, in dem unter anderem Folgendes festgehalten wird: "Dass diese Intarsienarbeiten einen hohen künstlerischen Anspruch hatten, zeigt sich u. a. an der Wahl der Vorbilder. Die Motive gehen auf unterschiedliche Vorlagen namhafter Künstler zurück, etliche auf Holzschnitte von Virgil Solis, vor allem auf die aus Lutherbibel, sowie auf Holzschnitte von Sebald Beham. Manche Bildkompositionen sind aus zwei und mehr Vorlagen kompiliert, wie z. B. die Szene von Samson mit dem Löwen, die aus Holzschnitten von Sebald Beham von 1546 und Virgil Solis zusammengestellt ist. Ein Beispiel für ein weiteres Motiv, bei welchem Vorlagen von Virgil Solis und Sebald Beham zugrunde liegen, ist die Darstellung der Gefangennahme Josephs im Brunnen durch seine Brüder, die auf der Innenseite der Flügeltüren zu sehen ist. Auch auf den kleinen Schubladen der Innenfront gehen etliche Intarsienbilder auf Solis' Illustrationen zurück, wie z. B. das Bild von Kain und Abel. Aus der sog. Merianbibel, illustriert von Matthias Merian, stammt das Vorbild für die Darstellung von Jakobs Traum von der Himmelsleiter. Der Stich wurde in der Intarsie seitenverkehrt wiedergegeben; für die Szene mit den Engeln auf der Leiter diente ein Stich von Etienne Delaune. Ein Beispiel für die Übernahme des Motivs eines niederländischen Stichs ist die Darstellung von Absaloms Tod auf dem Deckel des kleinen Dachaufsatzes. Die Vorlagen wurden nicht bis in alle Einzelheiten kopiert, sondern es wurden die Bildideen übernommen und für die Intarsie umgezeichnet bzw. auch neu angeordnet und oft vereinfacht, speziell der Hintergrund auf eine Landschaftsdarstellung reduziert. Die intarsierten Figuren auf den Bildern dieses Kabinettschranks sind von aussergewöhnlich hoher Qualität, und denen anderer bedeutender Kabinettschränke, wie z. B. dem Mailänder Kabinettschrank des Liechtensteinmuseums oder dem Wrangelschrank, vergleichbar. Im Unterschied zu diesen Stücken sind die Marketerien an diesem Schränkchen weniger flächenfüllend angeordnet und ohne ornamentales Beiwerk vor einem Landschaftshintergrund eingelegt. In Augsburg waren die Kistler, d. h. die Schreiner, sehr auf den Ruf ihrer Intarsienarbeiten bedacht, welcher die Grundlage für ein ausgedehntes Exportwesen bildete. Der Ruhm dieser Arbeiten beruhte vor allem auf ihrer Kleinteiligkeit, dem Zusammenfügen einzelner kleiner und kleinster Furnierteilchen unterschiedlicher Holzarten, aus welchen die Binnenzeichnung der intarsierten Darstellungen bestehen sollte. Gravuren waren nicht vorgesehen. Was die Herstellungstechnik der Intarsien dieses Kabinettschrankes anbelangt, zeigen sie die typischen Merkmale Augsburger Arbeiten. Die Binnenzeichnung ist teilweise durch die genannte extreme Kleinteiligkeit und durch Brandschattierung hergestellt. Trotz der nicht mehr originalen Anordnung und der starken Restaurierungen kommt den Intarsien eine hohe historische und ästhetische Bedeutung zu, weil es sich bei den Tafeln um herausragende Arbeiten, wohl aus Augsburg, handelt. Der Meister kann zwar nicht ermittelt werden, dürfte jedoch im Kreis der hervorragenden Intarsisten von Augsburg zu suchen sein, wie z. B. Lienhart Stro[h]mair, welchem Himmelheber den Mailänder Kabinettschrank den Wrangelschrank und andere zuschrieb."

CHF 16 000 / 24 000 | (€ 16 490 / 24 740)


Verkauft für CHF 29 300 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr