Lot 3457 - A176 Zeichnungen Alter Meister - Dienstag, 22. März 2016, 11.00 Uhr
FRIEDRICH, CASPAR DAVID
(Greifswald 1774 - 1840 Dresden)
Baumstudie, 18. April 1803.
Bleistift auf lichtbraun grundiertem Velin.
Mit Bleistift am linken unteren Rand datiert: den 18t April 1803. Unten rechts mit Bleistift nummeriert: 6. Verso alt bezeichnet: Caspar David Friedrich. Von der Kunsthalle Mannheim erworben am 24. April 1919. Heinrich Sachs.
20,5 x 13,2 cm (die obere und untere rechte Ecke abgeschrägt und alt ergänzt).
Provenienz:
- Kunsthalle Mannheim (bis April 1919)
- Heinrich Sachs (1894-1946) dort am 24. April 1919 erworben
- Kunstkabinett Ketterer, Stuttgart 1951
- Privatbesitz Schweiz
Literatur:
- Hinz, Sigirid. Caspar David Friedrich als Zeichner. Dissertation; Greifswald, 1966 Nr. 341;
- Bernhard, Marianne. Deutsche Romantik. Handzeichnungen München 1973. 2 Bde., S.857 ohne Abb.
- Ketterer. Gemälde, Plastik, Graphik, Handzeichnungen, Aquarelle, Kunstliteratur; Katalog zur Auktion 11, Stuttgart April 1951, Lot 1331
- Börsch-Supan, Helmut/Jähning, Karl-Wilhelm. Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmässige Zeichnungen; München 1973, S.47, Anm. 62) - Hoch, Karl Ludwig. Frömmigkeit und seine Ehrfurcht vor der Natur. Dissertation, 1981, S.152, Anm. 575
- Hoch, Karl Ludwig. Caspar David Friedrich in Böhmen. Bergsymbolik in der romantischen Malerei; Stuttgart u.a.1987, S.14 (Anm. 10)
- Grummt, Christina. Caspar David Friedrich, Die Zeichnungen, Bd.1, Nr. 332 (ohne Abb.)
Mit leichtem und doch präzisem charakterisierendem Strich ist eine junge Eiche gezeichnet, deren kahle gestisch anmutende Äste nach oben streben. Dass der Hauptstamm abgebrochen ist, mag das Interesse Friedrichs gerade an diesem Exemplar eines von ihm so oft dargestellten Baumes geweckt haben. Die Verwendung der bisher nicht abgebildeten, aber der Forschung seit einem Versteigerungskatalog des Stuttgarter Kunstkabinetts von 1951 bekannten Zeichnung in einem Gemälde kann nicht nachgewiesen werden. Ähnlich schlanke Eichen sieht man jedoch etwa im Hintergrund des Dresdner Bildes "Hünengrab im Schnee" von 1807. Die energisch und rasch hingeschriebene Datierung macht aus der Studie eine kleine Komposition. Es ist Frühling, aber noch ist kein Laub an den Ästen zu sehen. Das Blatt stammt aus einem schon früh aufgelösten Skizzenbuch, von dem Christina Grummt in ihrem Werkverzeichnis von 2011 noch 18 zwischen dem 16. Mai 1802 und dem 6. Mai 1803 entstandene Zeichnungen nachweist. Sigrid Hinz hat in ihrem nur als Typoskript vorliegenden Werkkatalog "Caspar Friedrich als Zeichner" von 1966 das Blatt als Nr. 341 aufgeführt. Der Vermerk auf der Rückseite "Caspar David Friedrich. Von der Kunsthalle Mannheim erworben am 24. April 1919. Heinrich Sachs" deutet auf einen Herkunft aus dem Nachlass des Malers. Dessen Enkel Harald Friedrich (1858-1933) hatte, nachdem Friedrich um 1900 wiederentdeckt worden war und Museen sowie private Sammler Werke von ihm zu erwerben suchten, einen grossen Teil der Zeichnungen, die sich noch in seinem Besitz befanden, 1916 der Mannheimer Kunsthalle übergeben. Diese sollte den Verkauf an andere Interessenten vermitteln. Darüber hat Hans Dickel in der Einleitung des Bestandskataloges der Kunsthalle "Caspar David Friedrich in seiner Zeit. Zeichnungen der Romatik und des Biedermeier" (Weinheim 1991, S.2-11) ausführlich berichtet. Die Kunsthalle erwarb 44 Blätter, zum Teil mit Zeichnungen auf der Rückseite. Der gesamte Nachlass, darunter 13 Ölgemälde und 14 Sikzzenbücher, war 1843 auf einer Versteigerung angeboten worden, die offenbar jedoch nur geringen Erfolg hatte.
Die Aussage der Zeichnung wird ganz verständlich erst vor dem Hintergrund der Biographie und der Entwicklung des künstlerischen Denkens. Im Juli 1802 war Friedrich nach etwa 15monatiger Abwesenheit in seiner pommerschen Heimat nach Dresden zurückgekehrt. Er hatte eine schwere seelische Krise zu bewältigen, die noch nachklingt in den Werken, die er auf der am 5. März 1804 eröffneten Akademie-Ausstellung zeigt: eine grosse verschollene, aber durch Beschreibungen gut bekannte Sepiazeichnung "Mein Begräbnis" sowie die drei berühmten, von seinem Bruder Christian ausgeführten Holzschnitte mit dem Ausdruck abgründiger Melancholie. Auf der Ausstellung von 1803 hatte er nur eine seiner meisterhaften Rügen-Ansichten gezeigt. In diesem Jahr nun entstand die erste Fassung seines bis 1834 noch mindestens viermal variierten Zeitenzyklus, in dem die Tageszeiten, die Jahreszeiten und die Lebensalter zusammengefasst sind (Berlin, Kupferstichkabinett, mit Ausnahme des verschollenen Herbst-Blattes). Als Friedrich mit dem Zyklus das Leitmotiv seiner künstlerischen Weltanschauung formulierte, war er bereits 29 Jahre alt. Von nun an entfaltete sich seine Kunst mit bewundernswerter Konsequenz und Schnelligkeit bis etwa 1810 als eine ganz eigentümliche Gestaltungsweise, bei der auch die Praxis seines Zeichnen vor der Natur eine bestimmte Aufgabe erfüllt. Friedrich nahm, anders als die älteren Dresdner Zeichner, die Hervorbringungen der Natur als etwas Individuelles wahr. Er porträtierte sie gleichsam wie Menschen. Dieses Darstellungen waren dann Bausteine für seine bedeutungsvollen Bilderfindungen und verliehen ihnen in ihrer Authentizität Glaubwürdigkeit im eigentlichen Wortsinn. Im Skizzenbuch von 1802/03 sind nur vier Baumzeichnungen in der Art des vorliegenden Blattes erhalten. In einem anschliessend benutzten in Karlsruher Privatbesitz bewahrten, im Format etwas kleineren und nur fragmentarisch überkommenen Skizzenbuch finden sich acht Baumstudien in der Art der 1803 gezeichneten. Hier ist nun Friedrichs gewissenhafter Zeichenstil vor der Natur voll entwickelt.
Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan
- Kunsthalle Mannheim (bis April 1919)
- Heinrich Sachs (1894-1946) dort am 24. April 1919 erworben
- Kunstkabinett Ketterer, Stuttgart 1951
- Privatbesitz Schweiz
Literatur:
- Hinz, Sigirid. Caspar David Friedrich als Zeichner. Dissertation; Greifswald, 1966 Nr. 341;
- Bernhard, Marianne. Deutsche Romantik. Handzeichnungen München 1973. 2 Bde., S.857 ohne Abb.
- Ketterer. Gemälde, Plastik, Graphik, Handzeichnungen, Aquarelle, Kunstliteratur; Katalog zur Auktion 11, Stuttgart April 1951, Lot 1331
- Börsch-Supan, Helmut/Jähning, Karl-Wilhelm. Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmässige Zeichnungen; München 1973, S.47, Anm. 62) - Hoch, Karl Ludwig. Frömmigkeit und seine Ehrfurcht vor der Natur. Dissertation, 1981, S.152, Anm. 575
- Hoch, Karl Ludwig. Caspar David Friedrich in Böhmen. Bergsymbolik in der romantischen Malerei; Stuttgart u.a.1987, S.14 (Anm. 10)
- Grummt, Christina. Caspar David Friedrich, Die Zeichnungen, Bd.1, Nr. 332 (ohne Abb.)
Mit leichtem und doch präzisem charakterisierendem Strich ist eine junge Eiche gezeichnet, deren kahle gestisch anmutende Äste nach oben streben. Dass der Hauptstamm abgebrochen ist, mag das Interesse Friedrichs gerade an diesem Exemplar eines von ihm so oft dargestellten Baumes geweckt haben. Die Verwendung der bisher nicht abgebildeten, aber der Forschung seit einem Versteigerungskatalog des Stuttgarter Kunstkabinetts von 1951 bekannten Zeichnung in einem Gemälde kann nicht nachgewiesen werden. Ähnlich schlanke Eichen sieht man jedoch etwa im Hintergrund des Dresdner Bildes "Hünengrab im Schnee" von 1807. Die energisch und rasch hingeschriebene Datierung macht aus der Studie eine kleine Komposition. Es ist Frühling, aber noch ist kein Laub an den Ästen zu sehen. Das Blatt stammt aus einem schon früh aufgelösten Skizzenbuch, von dem Christina Grummt in ihrem Werkverzeichnis von 2011 noch 18 zwischen dem 16. Mai 1802 und dem 6. Mai 1803 entstandene Zeichnungen nachweist. Sigrid Hinz hat in ihrem nur als Typoskript vorliegenden Werkkatalog "Caspar Friedrich als Zeichner" von 1966 das Blatt als Nr. 341 aufgeführt. Der Vermerk auf der Rückseite "Caspar David Friedrich. Von der Kunsthalle Mannheim erworben am 24. April 1919. Heinrich Sachs" deutet auf einen Herkunft aus dem Nachlass des Malers. Dessen Enkel Harald Friedrich (1858-1933) hatte, nachdem Friedrich um 1900 wiederentdeckt worden war und Museen sowie private Sammler Werke von ihm zu erwerben suchten, einen grossen Teil der Zeichnungen, die sich noch in seinem Besitz befanden, 1916 der Mannheimer Kunsthalle übergeben. Diese sollte den Verkauf an andere Interessenten vermitteln. Darüber hat Hans Dickel in der Einleitung des Bestandskataloges der Kunsthalle "Caspar David Friedrich in seiner Zeit. Zeichnungen der Romatik und des Biedermeier" (Weinheim 1991, S.2-11) ausführlich berichtet. Die Kunsthalle erwarb 44 Blätter, zum Teil mit Zeichnungen auf der Rückseite. Der gesamte Nachlass, darunter 13 Ölgemälde und 14 Sikzzenbücher, war 1843 auf einer Versteigerung angeboten worden, die offenbar jedoch nur geringen Erfolg hatte.
Die Aussage der Zeichnung wird ganz verständlich erst vor dem Hintergrund der Biographie und der Entwicklung des künstlerischen Denkens. Im Juli 1802 war Friedrich nach etwa 15monatiger Abwesenheit in seiner pommerschen Heimat nach Dresden zurückgekehrt. Er hatte eine schwere seelische Krise zu bewältigen, die noch nachklingt in den Werken, die er auf der am 5. März 1804 eröffneten Akademie-Ausstellung zeigt: eine grosse verschollene, aber durch Beschreibungen gut bekannte Sepiazeichnung "Mein Begräbnis" sowie die drei berühmten, von seinem Bruder Christian ausgeführten Holzschnitte mit dem Ausdruck abgründiger Melancholie. Auf der Ausstellung von 1803 hatte er nur eine seiner meisterhaften Rügen-Ansichten gezeigt. In diesem Jahr nun entstand die erste Fassung seines bis 1834 noch mindestens viermal variierten Zeitenzyklus, in dem die Tageszeiten, die Jahreszeiten und die Lebensalter zusammengefasst sind (Berlin, Kupferstichkabinett, mit Ausnahme des verschollenen Herbst-Blattes). Als Friedrich mit dem Zyklus das Leitmotiv seiner künstlerischen Weltanschauung formulierte, war er bereits 29 Jahre alt. Von nun an entfaltete sich seine Kunst mit bewundernswerter Konsequenz und Schnelligkeit bis etwa 1810 als eine ganz eigentümliche Gestaltungsweise, bei der auch die Praxis seines Zeichnen vor der Natur eine bestimmte Aufgabe erfüllt. Friedrich nahm, anders als die älteren Dresdner Zeichner, die Hervorbringungen der Natur als etwas Individuelles wahr. Er porträtierte sie gleichsam wie Menschen. Dieses Darstellungen waren dann Bausteine für seine bedeutungsvollen Bilderfindungen und verliehen ihnen in ihrer Authentizität Glaubwürdigkeit im eigentlichen Wortsinn. Im Skizzenbuch von 1802/03 sind nur vier Baumzeichnungen in der Art des vorliegenden Blattes erhalten. In einem anschliessend benutzten in Karlsruher Privatbesitz bewahrten, im Format etwas kleineren und nur fragmentarisch überkommenen Skizzenbuch finden sich acht Baumstudien in der Art der 1803 gezeichneten. Hier ist nun Friedrichs gewissenhafter Zeichenstil vor der Natur voll entwickelt.
Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan
CHF 25 000 / 35 000 | (€ 25 770 / 36 080)
Verkauft für CHF 65 300 (inkl. Aufgeld)
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