Lot 3496* - Z34 PostWar & Contemporary - Samstag, 22. Juni 2013, 16.00 Uhr
NEO RAUCH
(Leipzig 1960–lebt und arbeitet in Leipzig)
Zwei Klassen. 1995.
Öl auf Papier, auf Leinwand.
Unten rechts signiert und datiert: RAUCH 95.
145 x 208 cm.
Provenienz: Privatsammlung Deutschland. Ausstellung: Berlin 1995 , Galerie Eigen + Art, Neo Rauch, Berlin 1995. Würde es sich nicht ohnehin schon um den Namen des Künstlers handeln, so wäre "Neo Rauch" dazu prädestiniert ein Künstlername zu sein. Eine "neue" Generation geradezu verkörpernd und als Wegbereiter der "Neuen Leipziger Schule" geltend, ist sein Vorname Programm. Tatsächlich haftet dem Werk dieses 1960 in Leipzig geborenen Malers so manches "Neuartige" an. Nun müsste man einer Diskussion über das Neue ein ganzes philosophisches Propädeutikum voranstellen, was wir hier nicht tun können. Gehen wir nur schon von der Annahme aus, dass man das "neu" nennen darf, was das bereits Vorhandene und Bekannte auf noch nicht gekannte Weise umformt, so darf man das Attribut hier sehr wohl anwenden. Oft werden anhand sich überlappender Räume und Zeiten Traumwelten mit einer von Comics und Pop Art beeinflussten Bildsprache dargestellt. Aber wie bei den wenigsten richtungsweisenden Künstler hat es Sinn, Kategorisierungen vorzunehmen. Anhand Artikeln und Ausstellungskatalogen lässt sich gut ablesen, dass man sich mit dem Phänomen schwer tut, dass hier eben noch nicht in altherkömmlichen Einordnungen fassbar ist, was die Kunst Neo Rauchs ausmacht. Neo Rauchs Schaffen der 90er Jahre unterscheidet sich von dem, was dann ab der Jahrtausendwende zu Tage tritt. Die jüngeren Werke sind stilistisch überhöhter, stärker dem Realismus verpflichtet, plastischer, und sie sind mit sehr opaken Farben gemalt. Der Bildkosmos hat sich stark verdichtet, er ist komplexer und noch verwirrender geworden. Vorher sind die Kompositionen grafischer und näher beim Stil der Comics. Es ist hier, in der noch nicht so stark verdichteten Bildsprache, wo auch die Palette noch bescheidener verwendet wird. Aber es ist bereits sehr schön sichtbar, was später verdichtet werden wird: Man trifft auf seltsame, rätselhafte Landschaften, der Kontext ist nicht offensichtlich. Sehr oft, wie auch bei dem vorliegenden Gemälde, sind es architektonische Landschaften, die bauplanerischen Modellen ähneln. In "Zwei Klassen" ergibt sich durch zwei unterschiedliche Punktperspektiven der oberen und unteren Bildhälfte eine Zweiteilung, die sich auch in der Verkehrung der Farben ausdrückt: Während das im unteren Bereich Dargestellte Orange auf Schwarz gehalten ist, so ist es im oberen umgekehrt Schwarz auf Orange. Dieser Effekt ist ähnlich demjenigen vom Übergang der schwarzfigurigen zur rotfigurigen Vasenmalerei Griechenlands. Der Bildaufbau weist weitere, bestimmt gewollte "Spiegelungen" auf. Die beiden verschiedenen Zentralperspektiven laufen im oberen Bereich in einem Punkt der linken Bildhälfte, im unteren Bereich in einem der rechten Bildhälfte zusammen, und es richten sich vorwiegend die architektonischen Elemente daran. Bei beiden Gebäuden scheint man sich unterhalb eines grossen Flachdaches zu befinden, auf weiss gemalte Säulen gestützt, welche jeweils auf eine breite, rechteckige Fensterfläche hinführen. Was dahinter als Aussenwelt dargestellt wird, ist wieder jeweils verdreht, also orange auf schwarz oder umgekehrt gehalten. Auf der jeweils anderen Seite befindet sich je eine Schulklasse, welcher etwas an einem Modell erklärt wird, das aussieht wie zwei Planeten. Dadurch ergibt sich eine Vierteilung des Gemäldes. Es scheint, als sei jeweils das erklärte Modell die dargestellte Welt des Fensters der anderen Klasse. Vielleicht präsentiert uns Neo Rauch in diesem Gemälde ein Gedankenspiel, welches das jeweils der einen Klasse vorgehaltene Modell zur Realität von einer anderen Klasse macht. Vielleicht ist auch der Anklang an die Zweiklassengesellschaft nicht ungewollt. Man kann sich ja denken, dass in einer Gesellschaft, die zu sehr in Klassen zertrennt wird, jeweils über die andere gesprochen wird, man aber gegenseitig durchaus "weltbildende" Realitäten darstellt. 2010 wurden zu Neo Rauch zeitgleich umfassende Ausstellungen in Leipzig und München gezeigt. Ganz zu Beginn im Geleitwort des gemeinsamen Ausstellungskataloges formulieren Hans Werner Schmidt, Direktor des Museums der Bildenden Künste Leipzig, und Klaus Schrenk, Generaldirektor Bayerische Staatsgemäldesammlungen, zwei Superlative: "Neo Rauch, 1960 in Leipzig geboren, ist zweifellos der international bedeutendste und am meisten diskutierte deutsche Maler seiner Generation."
CHF 240 000 / 280 000 | (€ 247 420 / 288 660)
Verkauft für CHF 278 400 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr