Wir danken dem Archiv Prof. Georg Baselitz, München, für die wissenschaftliche Unterstützung. Das Werk ist dort unter der Nr.: GBZ1814, registriert. Provenienz: Vom heutigen Besitzer 1986 in der Galerie Michael Werner, Köln, erworben (dort erfasst unter der Nr. GMW 79); seitdem Privatbesitz Deutschland. Georg Baselitz' Figuren begegnen uns nicht auf Augenhöhe. Dafür müsste man sich schon auf den Kopf stellen. Vielmehr schaut man ihnen auf die Füsse, den Unterleib oder auf einen sich in gestischen Pinselstrichen auflösenden Oberkörper, wie im vorliegenden Aquarell "Kopf". Das Prinzip der Umkehrung ist für Baselitz in den 1960er Jahren der Ausweg aus seiner Misere: Die Konkurrenz der Kunststile zwischen politischen Systemen. Es gelingt ihm, sich einer Zuordnung zu entziehen, indem er nicht der damals mit einigem ideologischen Aufwand betriebenen Mode der Abstraktion folgt, die als die einzig wahre Kunst der freien Welt gefeiert wird. Und gleichzeitig ist es ihm wichtig seine Verachtung für den sozialistischen Realismus der DDR auszudrücken. Um gar nicht erst in Verdacht zu geraten, mit seiner Gegenständlichkeit daran anzuknüpfen, nutzt Baselitz 1969 den Trick, seine Figuren und Darstellungen kopfüber zu malen und sich damit vom Diktat der Gegenständlichkeit zu befreien, ohne sie aufzugeben. Im vorliegenden Aquarell "Kopf" wendet Baselitz dieses Umkehrprinzip an und entzieht dem Porträtierten somit jegliche Individualisierung. Die Farbintensität, die leuchtenden blauen Augen, in Kontrast gesetzt zum Rot und Gelb des Kopfes, sowie die Direktheit und Rohheit des Pinselduktus, machen dieses Aquarell zu einem herausragenden Beispiel für Baselitz' experimentelle Auseinandersetzung mit dem menschlichen Antlitz. Es ist Ausdruck der neuartigen Bildkonzeption eines der bedeutendsten deutschen Nachkriegskünstler und Vertreter der "Neuen Wilden" Anfang der 1980er Jahre.