Lot 1014 - A166 Möbel & Skulpturen - Donnerstag, 19. September 2013, 10.00 Uhr
GROSSE TÜRMCHENUHR,
Renaissance und später, wohl Augsburg.
Matt- und glanzvergoldete Bronze. Hexagonales, teils verglastes Gehäuse mit durchbrochenem Kuppelaufsatz und Abschlusskugel, kannelierten Ecksäulen und profiliertem Sockel mit feinen Kugelfüssen. Front mit versilbertem Zifferring für römische Stundenzahlen über Zifferblatt mit Minutenangaben. Feine Bronzezeiger. Verso 2 kleine Zifferblätter, wohl ehemals für die Weckereinstellung, jedoch ohne Funktion. Assortiertes Spindelwerk mit Kettenaufzug und Schlag auf Glocke. Zu revidieren. Wenige Fehlstellen. 30x30x43 cm.
Provenienz: Privatbesitz, Liechtenstein. Als hervorragendste Form unter den Renaissance-Uhren muss die Türmchenuhr bezeichnet werden. In den Zentren der Uhrmacherei - insbesondere in Nürnberg, das in seiner führenden Rolle von Augsburg abgelöst wurde, aber auch in anderen Städten wie Strassburg oder Ulm - wurden Prunkuhren bereits in Serie hergestellt. Augsburg war während der Spätrenaissance wichtigster Lieferant für ganz Europa. Die Augsburger Türmchenuhren unterscheiden sich deutlich von den französischen Modellen, die zierlicher sind und meist ein Eigenwerk besitzen. Die Werke der etwas grösseren Uhren aus Augsburg sind wie bei Eisenuhren vertikal angeordnet, ursprünglich als Pfeilerwerke. Später wurden auch Platinenwerke benutzt, vor allem für komplizierte Automatenuhren. Die verschiedenen Geh-, Schlag-, Wecker- und Automatenwerke sind nicht mehr hintereinander gebaut, sondern befinden sich zwischen den Platinen neben- und hintereinander, auch rechtwinklig versetzt. Im Gesamtaufbau wie auch in den Details erscheint mit der Türmchenuhr ein neuer Uhrentyp, entstanden aus einer Vermischung von spätgotischer Eisenuhr und italienisch-französischer Renaissance-Uhr. Neben Dosen- und Türmchenuhren wurden Schmuck- und Prunkuhren als Monstranzuhren, Kruzifixuhren, astronomische Uhren und Automatenuhren in allen erdenklichen Fantasieformen gefertigt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte die Stadt eine Spitzenstellung im deutschen Handel errungen, vor allem durch Jakob und Anton Fugger, die in einer meisterhaft angewandten Kapitalpolitik die Basis schufen. Augsburg war auch der Ort der Reichstage geworden. Die durch Luthers Reformation ausgelösten Glaubenskämpfe wurden oft in Augsburg ausgetragen und führten der Stadt viele Besucher zu. Dank der blühenden Wirtschaft und des Reichtums wandten sich die Augsburger Kunstschaffenden schon zeitig und einfühlsam dem Ideen- und Formengut der Renaissance zu, so dass diese neue Kunstgattung in Augsburg nicht nur eine frühe, sondern auch eine intensive und nachhaltige Pflege fand. Das Handwerk wurde in den Bann dieser Entwicklung gezogen und begann, alle Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens wie einst im Altertum mit Schmuck zu versehen und zu veredeln. Die Augsburger Handwerker hatten sich schon immer durch Materialkenntnis und hochentwickelte Bearbeitungstechnik ausgezeichnet, im 16. Jahrhundert kamen noch Geschick und Geschmack in der künstlerischen Verzierung der durchwegs praktischen Zwecken dienenden Erzeugnisse hinzu. Mitte des 16. Jahrhunderts merkten die Uhrmacher, dass sie mit den steigenden Ansprüchen nach kunstvollen Gehäuse für Räderuhren überfordert waren, und schlossen sich mit den Goldschmieden zusammen. Es entstand eine eigene Gruppe von "Uhrgehäusemachern". Uhrmacher und Uhrgehäusemacher schufen Werke von hoher technischer und künstlerischer Qualität, die von reichen Kaufleuten, Fürsten und Königen begehrt und erworben wurden. Die deutschen Kaiser bekundeten nachdrücklich Interesse an diesen Stücken, die sie entweder für den eigenen Hof, oder als Geschenke für andere Herrscher haben wollten. Sie hofften, damit Gunst zu gewinnen, vor allem jene der osmanischen Führer. Lit.: M. Bobinger, Kunstuhrmacher in Alt-Augsburg, Augsburg 1969; S. 53f. (hist. Angaben zur Entwicklung der Türmchenuhr). R. Mühe / H.M. Vogel, Alte Uhren - Ein Handbuch europäischer Tischuhren, Wanduhren und Bodenstanduhren, München 1976; S. 23 (Abb. einer Türmchenuhr).
CHF 10 000 / 15 000 | (€ 10 310 / 15 460)
Verkauft für CHF 19 200 (inkl. Aufgeld)
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