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Lot 3266* - Z31 Impressionismus & Moderne - Freitag, 09. Dezember 2011, 16.00 Uhr

MARC CHAGALL

(Wizebsk 1887–1985 Saint-Paul-de-Vence)
L'homme à la chèvre. 1950.
Gouache, Tusche und Pastell auf Papier.
Unten links signiert: Marc Chagall.
62,5 x 48,5 cm.

Provenienz: - Galerie Rosengart, Luzern (Verso mit dem Etikett). - Privatsammlung Schweiz. Literatur: - Meyer, Franz. Marc Chagall, Leben und Werk, Kat. Nr. 824, S. 759 (mit Abb. S. 693). Die Ziege, ein immer wieder in Chagalls Werk auftauchendes Element, ist in diesem Werk zentraler Mittelpunkt und zieht auch sogleich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. Sie wird getragen von einem übergrossen, ganz in blau gemalten, bärtigen Mann mit Mütze. An diesen angelehnt geht neben ihm ein kleiner Junge. Im Hintergrund sehen wir ein Städtchen unter intensiv rot-orange leuchtendem Abendhimmel mit feurigem Mond, graue Häuser deren Fenster in einem grellen Gelbton beleuchtet sind. Wie die andere grosse Gouache von Chagall, die an unserer Auktion angeboten wird, stammt auch diese aus dem Jahre 1950, als der Künstler sich eben im Süden Frankreichs, an der Côte d'Azur installierte. Es ist typisch für diese Schaffenszeit, dass die Intensität der Farben, und dies gerade bei seinen Gouache-Arbeiten, merklich zunahm. Es liegt nahe, dass uns Chagall auch mit dieser Gouache eine Mischung aus Traum und Erinnerung, Reminiszenzen seiner Jugend in Witebsk vorlegt. Seine Traumlandschaften malte er stets in einem Zwiegespräch mit seiner Heimatstadt. Sehr präsent ist z. B. sein Onkel Neuch, der Viehändler war. Wenn er sich abends von seiner Arbeit entspannte, sass er mit überschlagenen Beinen auf dem Dach und spielte Geige - ein Motiv, das sich sehr zahlreich in Chagalls Werken wiederfindet. Der kleine Marc liebte es, seinen bärtigen Onkel zu begleiten, wenn er zu den Bauern der Umgebung fuhr, um Vieh einzukaufen: "Wie glücklich war ich, wenn du mir erlaubtest, auf deinem holprigen Karren mitzufahren!" Er besuchte auch gerne seinen Grossvater, der Schlachter in Liosno war, wo ihm seine Grossmutter regelmässig Fleischmahlzeiten zubereitete. Gut denkbar also, dass wir hier Chagall als kleinen Bub und seinen Onkel sehen, der eine Ziege unter dem Arm mit dem Neffen durch das abendliche Witebsk geht. Die ausgedrückte Stimmung schwankt rätselhaft zwischen Friedfertigkeit und Bedrohung. Letzteres, weil nicht klar ist, was der Mann mit der Ziege vorhat; seinem blauen, bärtigen Gesicht können wir seine Intention nicht ablesen; vielleicht wird er sie bald verkaufen, zum Schlachten geben oder gar selber schlachten. Zudem wirkt der intensive und brausende Horizont, als ob im Hintergrund ein gewaltiges Feuer oder ein Kriegsschauplatz verborgen liegt. Vielleicht deutet auch der übergrosse Mann am linken Bildrand, wie die Stadt auch in Grau gemalt, der einen Sack auf dem Rücken trägt, dass die Stadt fluchtartig verlassen werden muss, und dass auch der Mann mit der Ziege und der Junge gezwungen sind die Stadt zu verlassen - ein Schicksal, das Chagall im Verlaufe seines Lebens einige Male ereilte. Da Chagall den meisten als der "Maler der Freude" bekannt ist, mag dies etwas befremdlich anmuten. Doch es gibt durchaus eine andere Seite, wie auch Jacob Baal-Teschuva betont: "Die märchenhaften Züge der Chagallschen Bildwelt, ihr orientalischer Zauber, haben oft über die dunklere Seite seines Werks hinwegsehen lassen. Sie tritt in Schilderungen von Pogromen und Erniedrigungen der Juden zutage, die Chagall als junger Mann im zaristischen Russland miterlebte." (Baal-Tschuva, Chagall, Köln 1998, S. 7). "Wäre ich kein Jude", bekannte Chagall, "wäre ich nie Maler geworden".

CHF 200 000 / 300 000 | (€ 206 190 / 309 280)


Verkauft für CHF 360 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr