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Lot 1176 - A210 Decorative Arts - Donnerstag, 19. September 2024, 14.00 Uhr

BEDEUTENDE MARQUISE

Transition, Paris, um 1768–1770. Nicolas Heurtaut (1720–1771) zugeschrieben, nach einem Entwurf von Jean-Charles Delafosse (1734–1789).
Buche reich und fein geschnitzt mit Akanthusblättern, Rocaillen, Mäanderfriesen und teils durchbrochenen Blumen- und Lorbeergirlanden sowie vergoldet. Die Rückseite der Rückenlehne entsprechend graviert. Trapezförmiger, passig geschweifter gepolsterter Sitz mit Aufsitzkissen auf durchbrochen gearbeiteter Zarge mit Lorbeergirlande auf geschweiften Beinen mit Blatt- und Rocaillendekor sowie Kissenfüssen. Ovale, leicht geschwungene Rückenlehne mit nierenförmigem Polsterkissen sowie leicht geschwungene, gepolsterte Armlehnen. Blauer Seidebezug, bestickt mit floralem Dekor und Pagoden.
124 × 78 × 106 cm.


Polsterung erneuert (wohl ursprünglich ohne Aufsatzkissen), Vergoldung wenig berieben sowie stark überarbeitet. Geringe Fehlstellen und Gebrauchspuren. Stoffbezug mit einigen Gebrauchsspuren und Flecken.

Der Modellentwurf dieser aussergewöhnlichen Marquise basiert auf einer Zeichnung für ein sogenanntes Demi-Canapé des Architekten, Entwerfers und Zeichners Jean-Charles Delafosse, publiziert von Jean François Daumont in: Nouvelle Iconologie Historique ou Attributes Hierogliphyques, um 1768, Cahier FF. Die Zeichnung ist u. A. einsehbar im Museum of Fine Arts Houston (Inv.-Nr. 85.322.4) oder im Rijksmusem (Inv.-Nr. RP-P-1972-162). Das ursprüngliche Modell von Delafosse birgt als augenfälligsten Unterschied mittig an der vorderen Zarge ein zusätzliches Bein.
Die vorzügliche und prägnante Schnitzarbeit des Möbels lässt auf den Ebenisten Nicolas Heurtaut schliessen, der auf Sitzmöbel spezialisiert war und als einer der wenigen die Meisterschaft des "maître sculpteur" (ab 1741) sowie des "maître menuisier" (ab 1753) innehatte. Seine aussergewöhnlichen Fähigkeiten als Entwerfer wie als Ausführer erlaubten es Heurtaut in seiner Schaffenszeit, drei Stilrichtungen von Louis XV bis Louis XVI nicht nur zu folgen, sondern diese mitzuprägen, wie Bill Pallot in seinem Werk über "L'art du siège au XVIIIe siècle" festhält.

Heurtaut beschäftigte in seinem Atelier mit Pierre Rousseau (maître sculpteur 1768) sowie Lambert Charny (maître sculpteur 1752) zwei weitere auf Schnitzarbeiten ausgewiesene Spezialisten. So arbeitete Rousseau nebenbei für andere herausragende Möbelschreiner und Ebenisten wie J. Avisse, J.B. Boular, G. Jacob oder J.E. Saint-Georges. Von Lambert Charny berichtet Pallot, dass er nach dem Tod Heurtauts mit der Ausführung von Aufträgen für die königlichen Residenzen von Compiègne, Fontainebleau und Versailles betraut war.

Seine besten und bekanntesten Werke führte Heurtaut im Stil Louis XV aus, die Arbeiten im Stil Louis XVI sind weniger zahlreich und im Vergleich zu anderen Möbeln jener Stilepoche weniger filigran. So auch die hier angebotene Marquise im Stil Transition (Louis XV/Louis XVI), der durchaus eine gewisse Opulenz und Kraft zugeschrieben werden kann. Dies lässt darauf schliessen, dass die Marquise für ausgesprochene Repräsentationsräume eines Palais oder Schlosses gefertigt wurde. Vgl. Bill G.B. Pallot: L'art du siège au XVIIIe siècle en France. Paris 1987, S. 224–255. Ebenso: Jean Nicolay: L'art et la manière des maitres ébénistes français au XVIIIe siècles. Paris 1976, S. 175/176.

CHF 50 000 / 80 000 | (€ 51 550 / 82 470)