Lot 3003 - A204 Gemälde Alter Meister - Freitag, 31. März 2023, 14.00 Uhr
JACOPO DEL SELLAIO und Werkstatt
(1441 Florenz 1493)
Anbetung des Kindes. Um 1490.
Öl auf Holz.
77,5 × 44,5 cm.
Provenienz:
- Sammlung Baron Hans von Schoen (1876–1969).
- Durch Erbschaft an seinen Sohn Leonardo von Schoen (1929–2022).
Mit einer ausführlichen kunsthistorischen Analyse von Prof. Gaudenz Freuler, Januar 2023.
Die vorliegende florentinische Renaissance-Tafel mit der reizvollen Darstellung der Anbetung des Kindes stellt eine spezifisch auf die Funktion als Andachtsbild ausgelegte Extrahierung aus der Ikonographie der Geburt Christi dar und verbildlicht den isolierten Moment der Anbetung des neugeborenen Himmelskindes durch seine Mutter. Die Fokussierung auf die Anbetung des neugeborenen göttlichen Kindes unter Verzicht auf alles Narrative, die sich in dieser Form auf die intime Meditation der göttlichen Mutter beschränkt, sollte für den Betrachter modellhaft als Anweisung für die eigene stille Versenkung vor dem Bild stehen. Diese Darstellungsweise verfestigte sich im Laufe des 15. Jahrhundert zu einem orthodoxen Bildtypus zur privaten Andacht, der in Florenz wiederholt hergestellt wurde. Diese meditative Verselbstständigung des Weihnachtsbildes wurde weitgehend in Fra Filippo Lippis (um 1406–1469) Werkstatt entwickelt, wie sie in seiner Anbetung des Kindes in der Staatlichen Gemäldesammlung in Berlin (ca. 1455–60, Inv.-Nr. 69) leicht erkennbar ist.
Dieser florentinische Bildtypus zur privaten Andacht mit der Anbetung des Kindes wurde in späteren Jahrzehnten nicht nur in den Werkstätten kommerziell orientierter und handwerklich denkender Maler gefertigt, sondern auch in jener der führenden Florentiner Maler weiterentwickelt. Dies gilt auch für Jacopo del Sellaio, aus dessen Werkstatt vorliegendes Tafelbild hervorgegangen ist. Es ist vor allem Jacopos Bild im Metropolitan Museum in New York (Inv.-Nr. 41.100.10), zu dem unsere Tafel eine enge Verbindung zeigt, was nicht allein für das ähnlich gezeichnete und subtil modellierte mädchenhafte Antlitz der Jungfrau gilt, die in seiner feinen Modellierung an Gemälde des jungen Filippino Lippi erinnert, sondern auch für die Rezeption der flämischen Landschaften mit zunehmender Akribie in die florentinische Renaissance-Malerei eingeflossen ist. Diese Flusslandschaften mit weitem Ausblick auf ferne Berge, wie in vorliegendem Marienbild, werden, variierend immer wieder als Hintergrund eingesetzt, zu einem Standard in Sellaios Œuvre.
Die künstlerische Verbindung unseres Tafelbildes mit Sellaios ähnlich gelagerten Anbetungstafeln muss nicht unbedingt bedeuten, dass es sich um ein eigenhändiges Werk dieses Meisters handelt, denn die Ausführung dieser Andachtsbilder wurde gerne der Werkstatt überlassen, der zur fraglichen Zeit auch Jacopo Sellaios Sohn, Arcangelo di Jacopo del Sellaio (um 1477/78–1530) angehörte. Unsere Tafel verbindet sich stilistisch mit einer Anbetung des Kindes ehemals im Besitz der Galleria Moretti in Florenz, die aus einer Zusammenarbeit des Jacopo del Sellaio mit seinem Sohn Arcangelo hervorgegangen zu sein scheint. Damit wäre unsere Madonna in Sellaios Spätwerk, um ca. 1490–93 zu setzen.
Die Provenienz dieser Tafel ist auch beachtlich. Sie stammt aus der Sammlung des deutschen Diplomaten Baron von Schoen (1876–1969), Sohn eines Industriellen aus Worms. Hans von Schoen studierte Jura in München und Berlin und trat 1898 in den Bayerischen Justiz- und Verwaltungsdienst ein. Nach Aufgaben in den Gesandtschaften in Wien, St. Petersburg und Rom, war er von 1910 bis 1918 als Geheimer Legationsrat und Geschäftsträger an der Bayerischen Gesandtschaft in Berlin tätig. 1920 als Gesandtschaftsrat im Dienste des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reiches in Wien, später als Gesandter in Polen, von 1922 bis 1926 als Gesandter in Griechenland und bis 1933 Gesandter in Ungarn, wo sein Sohn Leonardo von Schoen geboren wurde (Abb. 1). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, liess sich von Schoen, der ein bekennender Gegner des Regimes war, 1933 in den Ruhestand versetzen. Seine Münchner Villa diente der Schweizer Vertretung als Domizil, er selbst starb 1969 auf seinem Landsitz im schweizerischen Cureglia bei Lugano. Von Schoen, der bereits von seinem Vater eine umfangreiche Kunstsammlung übernahm, trug schon in frühen Jahren eine herausragende Sammlung von antiker griechischer Kunst zusammen, die er 1964 den Staatlichen Antikensammlungen in München vermachte. Seit 1926 war von Schoen Ehrenmitglied des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches.
- Sammlung Baron Hans von Schoen (1876–1969).
- Durch Erbschaft an seinen Sohn Leonardo von Schoen (1929–2022).
Mit einer ausführlichen kunsthistorischen Analyse von Prof. Gaudenz Freuler, Januar 2023.
Die vorliegende florentinische Renaissance-Tafel mit der reizvollen Darstellung der Anbetung des Kindes stellt eine spezifisch auf die Funktion als Andachtsbild ausgelegte Extrahierung aus der Ikonographie der Geburt Christi dar und verbildlicht den isolierten Moment der Anbetung des neugeborenen Himmelskindes durch seine Mutter. Die Fokussierung auf die Anbetung des neugeborenen göttlichen Kindes unter Verzicht auf alles Narrative, die sich in dieser Form auf die intime Meditation der göttlichen Mutter beschränkt, sollte für den Betrachter modellhaft als Anweisung für die eigene stille Versenkung vor dem Bild stehen. Diese Darstellungsweise verfestigte sich im Laufe des 15. Jahrhundert zu einem orthodoxen Bildtypus zur privaten Andacht, der in Florenz wiederholt hergestellt wurde. Diese meditative Verselbstständigung des Weihnachtsbildes wurde weitgehend in Fra Filippo Lippis (um 1406–1469) Werkstatt entwickelt, wie sie in seiner Anbetung des Kindes in der Staatlichen Gemäldesammlung in Berlin (ca. 1455–60, Inv.-Nr. 69) leicht erkennbar ist.
Dieser florentinische Bildtypus zur privaten Andacht mit der Anbetung des Kindes wurde in späteren Jahrzehnten nicht nur in den Werkstätten kommerziell orientierter und handwerklich denkender Maler gefertigt, sondern auch in jener der führenden Florentiner Maler weiterentwickelt. Dies gilt auch für Jacopo del Sellaio, aus dessen Werkstatt vorliegendes Tafelbild hervorgegangen ist. Es ist vor allem Jacopos Bild im Metropolitan Museum in New York (Inv.-Nr. 41.100.10), zu dem unsere Tafel eine enge Verbindung zeigt, was nicht allein für das ähnlich gezeichnete und subtil modellierte mädchenhafte Antlitz der Jungfrau gilt, die in seiner feinen Modellierung an Gemälde des jungen Filippino Lippi erinnert, sondern auch für die Rezeption der flämischen Landschaften mit zunehmender Akribie in die florentinische Renaissance-Malerei eingeflossen ist. Diese Flusslandschaften mit weitem Ausblick auf ferne Berge, wie in vorliegendem Marienbild, werden, variierend immer wieder als Hintergrund eingesetzt, zu einem Standard in Sellaios Œuvre.
Die künstlerische Verbindung unseres Tafelbildes mit Sellaios ähnlich gelagerten Anbetungstafeln muss nicht unbedingt bedeuten, dass es sich um ein eigenhändiges Werk dieses Meisters handelt, denn die Ausführung dieser Andachtsbilder wurde gerne der Werkstatt überlassen, der zur fraglichen Zeit auch Jacopo Sellaios Sohn, Arcangelo di Jacopo del Sellaio (um 1477/78–1530) angehörte. Unsere Tafel verbindet sich stilistisch mit einer Anbetung des Kindes ehemals im Besitz der Galleria Moretti in Florenz, die aus einer Zusammenarbeit des Jacopo del Sellaio mit seinem Sohn Arcangelo hervorgegangen zu sein scheint. Damit wäre unsere Madonna in Sellaios Spätwerk, um ca. 1490–93 zu setzen.
Die Provenienz dieser Tafel ist auch beachtlich. Sie stammt aus der Sammlung des deutschen Diplomaten Baron von Schoen (1876–1969), Sohn eines Industriellen aus Worms. Hans von Schoen studierte Jura in München und Berlin und trat 1898 in den Bayerischen Justiz- und Verwaltungsdienst ein. Nach Aufgaben in den Gesandtschaften in Wien, St. Petersburg und Rom, war er von 1910 bis 1918 als Geheimer Legationsrat und Geschäftsträger an der Bayerischen Gesandtschaft in Berlin tätig. 1920 als Gesandtschaftsrat im Dienste des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reiches in Wien, später als Gesandter in Polen, von 1922 bis 1926 als Gesandter in Griechenland und bis 1933 Gesandter in Ungarn, wo sein Sohn Leonardo von Schoen geboren wurde (Abb. 1). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, liess sich von Schoen, der ein bekennender Gegner des Regimes war, 1933 in den Ruhestand versetzen. Seine Münchner Villa diente der Schweizer Vertretung als Domizil, er selbst starb 1969 auf seinem Landsitz im schweizerischen Cureglia bei Lugano. Von Schoen, der bereits von seinem Vater eine umfangreiche Kunstsammlung übernahm, trug schon in frühen Jahren eine herausragende Sammlung von antiker griechischer Kunst zusammen, die er 1964 den Staatlichen Antikensammlungen in München vermachte. Seit 1926 war von Schoen Ehrenmitglied des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches.
CHF 40 000 / 60 000 | (€ 41 240 / 61 860)
Verkauft für CHF 165 000 (inkl. Aufgeld)
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