Sie haben noch kein Login?

Klicken Sie hier um sich zu registrieren »


Wenn Sie bereits registriert sind - Login:




Lot 3449 - A201 PostWar & Contemporary - Donnerstag, 30. Juni 2022, 17.00 Uhr

ROMARE BEARDEN

(Charlotte 1911–1988 New York)
Mecklenberg, evening. 1980.
Öl, Bleistift, Aquarell und Collage (Stoff, Offset, Papier) auf Papier fest auf Hartfaserplatte.
Unten links signiert: Romare Bearden, sowie auf der Rückseite auf einem Etikett mit Künstler-, Titel-, Massangaben und Datierung: "Mecklenberg, Evening" 13 3/4"/177/8" 1980 ROMARE bearden.
35,2 × 45,5 cm.

Provenienz:
- Atelier des Künstlers.
- Direkt vom Künstler erhalten, seitdem Privatsammlung Schweiz.

„A painting isn’t finished; sometimes you get the surface.“ Edouard Manet

Der Afroamerikaner Fred Romare Harry Bearden wird 1911 in Charlotte, North Carolina, geboren. 1914 zieht die Familie nach Harlem, New York. Von 1927-1929 lebt er mit seiner Grossmutter mütterlicherseits in Pittsburgh, wo er seine Schulausbildung erfolgreich beendet. An der Boston University beginnt er 1930 sein Studium und belegt zahlreiche Kunstkurse. Bearden zieht zurück nach New York, setzt dort sein Studium fort und arbeitet als Cartoonist für diverse Magazine. 1935 schliesst er die New York University ab. Sein Lehrer George Grosz, der in den 1930er Jahren in die USA immigriert, hat einen grossen Einfluss auf den jungen Studenten. Er bringt ihm die europäische Moderne nah, durch ihn lernt Bearden die Collagen von Hannah Höch und John Heartfield kennen. Parallel zu seinem Studium findet er Arbeit als Sozialarbeiter in Harlem. Die gesellschaftlichen Probleme, ausgelöst durch die Grosse Depression, den aufziehenden Weltkrieg und den alltäglichen Rassismus, nehmen grossen Einfluss auf seine Kunst.

1940 findet Beardens erste Soloaussstellung mit Gemälden, Gouachen und Aquarellen in New York statt. 1942 tritt er der US-Armee bei und wird nach Europa versetzt. Nach dem Krieg zieht er nach Paris, um an der Sorbonne Philosophie zu studieren und kehrt 1952 nach New York zurück, um weiterhin als Sozialarbeiter zu arbeiten. Die Zeit in Paris hat seine Liebe zur europäischen Moderne bestärkt und gefestigt. 1959 statten die Galeristen Arne Ekstrom und Michel Warren dem Künstler in seinem Studio einen Besuch ab und werden ihn bis zu seinem Tod vertreten. Ab den 1950er Jahren setzt er sich verstärkt mit der Collage auseinander und sie wird das beherrschende Medium seines Oeuvres. Er verwendet überwiegend Fotos und Fundstücke aus Zeitungen und Magazinen, die er in einer komplexen Komposition von räumlicher Dynamik zusammenfügt.

Bearden und seine Frau setzen sich politisch für die Rechte der Schwarzen ein, nachdem sie und ihre Familien für Generationen unter Rassismus und gesellschaftlicher sowie politischer Ungleichberechtigung gelebt haben. 1969 beendet er seine Arbeit im Departement of Social Services, um ausschliesslich als Künstler zu arbeiten. 1971 ehrt das Museum of Modern Art Romare Bearden mit einer Retrospektive. 1976 wird ihm die Gold Medaille for Achievements in Arts vom Gouverneur North Carolinas verliehen. Im März 1988 stirbt Romare Bearden im Alter von 77 Jahren in New York.

Das vorliegende Werk „Mecklenberg, evening“ von 1980 stammt aus einer Reihe von Collagen, die Bearden inspiriert durch seine Heimat erschaffen hat. Seine Familie lebt seit Generationen in North Carolina, bis seine Eltern, nach einer rassistischen Attacke auf Bearden und seinen Vater, sich 1915 entschliessen nach Harlem/New York zu ziehen. In den kommenden 5 Jahren verbringt er seine Sommer bei seinen Grosseltern, besucht seine Heimat dann erst 1940 wieder. Der Besuch löst seine neue Faszination des „African American Way of Life“ (Hanzal, Carla M. u.a.: Romare Bearden. Southern Recollections, London 2012, S. 42) aus und wird ihn fast zeitlebens beschäftigen; 1986 entsteht die letzte Collage aus dieser Serie. Thematisch greift Bearden das Leben der Arbeiter, aber immer auch das Familienleben auf. Er frischt mit seinen Collagen seine Erinnerung an diese Zeit auf: „Time is a pattern … You can come back to where you started from with added experience and you hope for more understanding“ sagt Romare Bearden, um dann aber auch illusionsfrei festzustellen, dass mit jedem Zurückkommen die Realität immer mehr verschwindet und durch Mythen ersetzt wird (ebenda, S. 39).

In unserer Collage führt Bearden uns in das Heim einer afro-amerikanischen Familie. Tür und Fenster sind geöffnet, sodass der Blick des Betrachters in eine grüne Landschaft mit strahlend blauem Himmel und weissen Wolken schweift. Am Tisch sitzt ein Paar; dem Betrachter zugewandt steht eine weitere Frau. Diese Arbeit veranschaulicht auf beeindruckende Weise die unterschiedlichen Einflüsse des Künstlers. Der Blick aus der Hütte hinaus erinnert an Picassos Linolschnitt „Bacchanal à l’acrobate“ von 1959, in denen sich ebenfalls ein blauer Himmel mit weissen Wolken über einer satten, grünen Landschaft erhebt. Die Badende vor der geöffneten Tür weckt Assoziationen an Degas‘ „Le Tub“ von 1886. Das Gesicht der am Tisch sitzenden Frau ist mit einem Zeitungsausschnitt collagiert, das Gesicht der frontal zum Bildrand stehenden Figur wurde durch eine Maske ersetzt, was wir schon aus Collagen von Hannah Höch kennen. Neben dem Einfluss der europäischen Moderne erfolgt hier also auch eine Anspielung auf „non-western“ Art. Auch einige der Stoffe, die collagiert wurden, nehmen klaren Bezug darauf. Die unterschiedlich collagierten Elemente dieser Arbeit, die eigentlich gar nicht zusammenpassen, werden von Bearden so souverän kombiniert, dass dennoch ein kompositorisch zusammenhängendes Werk entsteht und gleichzeitig unsere Auseinandersetzung mit dem Dargestellten und den ins Spiel gebrachten Themen einfordert. Man fragt sich wie das Verhältnis der dargestellten Personen zueinnder ist oder nach der Bedeutung der Badenden, die in keinerlei Beziehung zur Szene im Haus steht und fast deplatziert wirkt.

Das Faszinierende am Werk Romare Beardens ist das Spannungsfeld, in dem er sich mit seiner Kunst bewegt bzw. unweigerlich bewegen muss: die europäische Moderne aus Sicht des Amerikaners, das Verhältnis des afro-amerikanischen zum amerikanischen Künstler und zu guter Letzt die Faszination für „non-western“ Art. Wie kaum ein zweiter Künstler bewegt er sich gleichzeitig in und ausserhalb des westlichen Kunstkanons.

Dieser Bedeutung wird nun aktuell durch das Vorhaben des Wildenstein/Plattner Instituts in New York Rechnung getragen, ein umfassendes Werkverzeichnis seiner Arbeiten zu erstellen, was wir durch die Vorlage des angebotenen Werkes unterstützen.

CHF 120 000 / 180 000 | (€ 123 710 / 185 570)


Verkauft für CHF 165 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr