Lot 1129 - A192 Decorative Arts - Donnerstag, 18. Juni 2020, 14.00 Uhr
FEIN INTARSIERTER MEHRZWECKTISCH
Rokoko, Neuwied um 1765/68. Werkstatt Abraham und David Roentgen.
Ahorn, Rosenholz, Mahagoni und teils getönte sowie gravierte Obsthölzer reich und fein eingelegt in Form von Rocaillen, Granatäpfeln, Blumen, Vögeln und Insekten. Trapezförmiger, allseitig geschweifter Korpus mit aufklappbarem Blatt auf welliger Zarge und geschweiften Beinen mit vergoldeten Sabots (unvollständig) und Hornrollen. Die Beine ursprünglich abschraubbar. Zwei rückseitige ausziehbare Metallstützen als Auflagen für das innen auf der einen Seite mit grünem geprägtem Leder (später) bezogene Blatt. Öffnend auf einen hochfahrbaren Schubladenkorpus in Mahagoni, mit vier Fächern flankiert von je drei kleinen Schubladen über einer breiten Schublade (ursprüngliche Eisenfedern mit Holzabdeckung zur Arrettierung ersetzt). Oben mit aufklappbarer Bücherstütze, flankiert von zwei Kompartimenten unter Lamellenverschluss. Vergoldete durchbrochene Bronzebeschläge in Form von Blattvoluten. 1 Schlüssel.
82 x 41(offen 87) x 75(98) cm.
Restauriert, einige Fehlstellen und Furnierrisse. Geringe Furnierergänzungen.
Provenienz:
- Koller Auktionen, 20. September 2000. Lot 1674.
- Schweizer Privatbesitz.
Mit Gutachten von Frau Dr. C. Cornet, München 2020.
Dieser sehr fein gearbeitete Mehrzwecktisch vereint mehrere typische Merkmale der Arbeiten der Neuwieder Manufaktur des Abraham und David Roentgen. Technisch raffinierte Mehrzweckmöbel waren eine Spezialität der Werkstatt Roentgen, ebenso wie die vorzügliche Qualität der konstruktiven Arbeit. Ausserdem besticht der Tisch durch seine feine Marketerie "en mosaique", eine Spezialität der Roentgen Manufaktur, die sie ab 1760 zur absoluten Meisterschaft entwickelte. Ein im Dezember 1991 bei Sotheby's versteigerter Mehrzwecktisch weist das beinahe identische Marketeriebild auf wie unser Tisch auf.
An unserem Tisch zeigt sich, wie viele Anregungen Abraham Roentgen aus seinem London-Aufenthalt geschöpft hatte und wie diese sich in seinem Werk niederschlugen. Die englische Möbel-Kunst genoss in deutschen Ländern ein hohen Ansehen, dennoch ist die Korpus- und Oberflächengestaltung dieses Tisches keine blosse Nachbildung des englischen Typs, sondern das Ergebnis einer eigenständigen Entwurfsleistung, mit welcher Abraham Roentgen gleichermassen englischen wie französischen Anregungen folgte. Mit dieser Gestaltungsweise, die er nach seinem Umzug nach Neuwied um 1750 entwickelte, berücksichtigte er die Vorlieben der adeligen Kundschaft für den französischen Ausstattungsstil, dessen Eigenheiten er mit denen des englischen verband. Bei unserem Schreibtisch kombinierte er den englischen Möbeltyp mit den geschweiften Formen der Zargen und Beine wie auch mit den Blumenmarketerien und vergoldeten Bronzegussbeschlägen des französischen Vorbilds. Er modifizierte die Konstruktion indem nicht mehr, wie bei früheren Exemplaren, ein ausschwenkbares Bein (sog. gateleg) mit einem Zargenteil das umschlagbare Blatt stützte, sondern zwei Auszüge die Auflage bildeten. Mit seinen präzise gravierten Marketerien auf den Zargen und dem oberen Blatt gehört unser Tisch zu den typischen Arbeiten Abraham Roentgens.
Infolge des Siebenjährigen Kriegs in den Jahren 1756-1763 geriet die Werkstatt in grosse finanzielle Schwierigkeiten und es sammelten sich viele fertige, aber unverkaufte Möbel an. So kam Davis Roentgen, Abrahams ältester Sohn, auf die Idee, dieser misslichen Situation mit einer Lotterie abzuhelfen. Es sollten die vorhandenen Möbel verlost und durch den Überschuss der verkauften Lose die Manufaktur saniert werden. Die Lotterie wurde 1768 in Hamburg genehmigt und der Plan ging auf; David verkaufte sämtliche Lose und in der Beschreibung des Hauptgewinns, eines Schreibmöbels, ist erstmalig von einer neuen Marketerietechnik die Rede: „à la mosaique“. Der Zeitpunkt der Lotterie bildet eine Zäsur im Marketeriewerk der Roentgenmanufaktur, da von nun an diese neue Einlegetechnik angewandt wurde.
Mehrere analoge oder teils nahezu identische Mehrzwecktische sind bekannt; der eigentliche Prototyp ist auf die Jahre 1745 zu datieren und weist einen sehr ähnlichen Mechanismus auf, wobei die Formgebung noch stark vom englischen Stil George II beeinflusst ist (heute Bestand der Häuser Stiftung in Frankfurt am Main, Inventar. H. St. 2/3438). Ein weiterer Mehrzwecktisch aus früherem fränkischem Fürstenbesitz besitzt die nahezu identische Formgebung wie der hier angebotene Kombinationstisch, unterscheidet sich jedoch darin, dass die Stütze der Schreibplatte durch das Herausziehen des rechten Beins gewährleistet ist.
Vergleichende Literatur:
D. Fabian, Abraham und David Roentgen - Leben und Werk, Bad Neustadt/Saale 1996. Nr. 23b, S. 32 mit vergleichbarem Deckblatt.
Provenienz:
- Koller Auktionen, 20. September 2000. Lot 1674.
- Schweizer Privatbesitz.
Mit Gutachten von Frau Dr. C. Cornet, München 2020.
Dieser sehr fein gearbeitete Mehrzwecktisch vereint mehrere typische Merkmale der Arbeiten der Neuwieder Manufaktur des Abraham und David Roentgen. Technisch raffinierte Mehrzweckmöbel waren eine Spezialität der Werkstatt Roentgen, ebenso wie die vorzügliche Qualität der konstruktiven Arbeit. Ausserdem besticht der Tisch durch seine feine Marketerie "en mosaique", eine Spezialität der Roentgen Manufaktur, die sie ab 1760 zur absoluten Meisterschaft entwickelte. Ein im Dezember 1991 bei Sotheby's versteigerter Mehrzwecktisch weist das beinahe identische Marketeriebild auf wie unser Tisch auf.
An unserem Tisch zeigt sich, wie viele Anregungen Abraham Roentgen aus seinem London-Aufenthalt geschöpft hatte und wie diese sich in seinem Werk niederschlugen. Die englische Möbel-Kunst genoss in deutschen Ländern ein hohen Ansehen, dennoch ist die Korpus- und Oberflächengestaltung dieses Tisches keine blosse Nachbildung des englischen Typs, sondern das Ergebnis einer eigenständigen Entwurfsleistung, mit welcher Abraham Roentgen gleichermassen englischen wie französischen Anregungen folgte. Mit dieser Gestaltungsweise, die er nach seinem Umzug nach Neuwied um 1750 entwickelte, berücksichtigte er die Vorlieben der adeligen Kundschaft für den französischen Ausstattungsstil, dessen Eigenheiten er mit denen des englischen verband. Bei unserem Schreibtisch kombinierte er den englischen Möbeltyp mit den geschweiften Formen der Zargen und Beine wie auch mit den Blumenmarketerien und vergoldeten Bronzegussbeschlägen des französischen Vorbilds. Er modifizierte die Konstruktion indem nicht mehr, wie bei früheren Exemplaren, ein ausschwenkbares Bein (sog. gateleg) mit einem Zargenteil das umschlagbare Blatt stützte, sondern zwei Auszüge die Auflage bildeten. Mit seinen präzise gravierten Marketerien auf den Zargen und dem oberen Blatt gehört unser Tisch zu den typischen Arbeiten Abraham Roentgens.
Infolge des Siebenjährigen Kriegs in den Jahren 1756-1763 geriet die Werkstatt in grosse finanzielle Schwierigkeiten und es sammelten sich viele fertige, aber unverkaufte Möbel an. So kam Davis Roentgen, Abrahams ältester Sohn, auf die Idee, dieser misslichen Situation mit einer Lotterie abzuhelfen. Es sollten die vorhandenen Möbel verlost und durch den Überschuss der verkauften Lose die Manufaktur saniert werden. Die Lotterie wurde 1768 in Hamburg genehmigt und der Plan ging auf; David verkaufte sämtliche Lose und in der Beschreibung des Hauptgewinns, eines Schreibmöbels, ist erstmalig von einer neuen Marketerietechnik die Rede: „à la mosaique“. Der Zeitpunkt der Lotterie bildet eine Zäsur im Marketeriewerk der Roentgenmanufaktur, da von nun an diese neue Einlegetechnik angewandt wurde.
Mehrere analoge oder teils nahezu identische Mehrzwecktische sind bekannt; der eigentliche Prototyp ist auf die Jahre 1745 zu datieren und weist einen sehr ähnlichen Mechanismus auf, wobei die Formgebung noch stark vom englischen Stil George II beeinflusst ist (heute Bestand der Häuser Stiftung in Frankfurt am Main, Inventar. H. St. 2/3438). Ein weiterer Mehrzwecktisch aus früherem fränkischem Fürstenbesitz besitzt die nahezu identische Formgebung wie der hier angebotene Kombinationstisch, unterscheidet sich jedoch darin, dass die Stütze der Schreibplatte durch das Herausziehen des rechten Beins gewährleistet ist.
Vergleichende Literatur:
D. Fabian, Abraham und David Roentgen - Leben und Werk, Bad Neustadt/Saale 1996. Nr. 23b, S. 32 mit vergleichbarem Deckblatt.
CHF 60 000 / 80 000 | (€ 61 860 / 82 470)
Verkauft für CHF 73 500 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr