Lot 3475 - A189 PostWar & Contemporary - Samstag, 29. Juni 2019, 14.00 Uhr
ALFRED JENSEN
(Guatemala Stadt 1903–1981 Livingston)
Temple of Numbers at Paestum. 1961.
Öl auf Leinwand.
Verso signiert, betitelt, datiert sowie mit Massangaben: Title: Tempel of Numbers at Paestum Size 74" x 54" painted by Alfred Jensen in 1961.
186,5 x 136,5 cm.
Provenienz:
- Atelier des Künstlers.
- Dort 1962 von Arnold Rüdiger, Kunsthalle Basel, für die Sammlung La Peau de l'Ours, Basel, erworben.
- 1964 - 2007 Schweizer Privatsammlung.
- 2007 als Geschenk an den heutigen Besitzer, Sammlung Schweiz.
Ausstellungen:
- Basel 1964, Sammlung La Peau de l'Ours. Kunsthalle Basel, 24. Oktober - 22. November 1964, Nr. 22 (mit Farbabb.).
- Winterthur 2015, Alfred Jensen. Werke auf Schweizer Sammlungen. Kunstmuseum Winterthur, 25. April - 26. Juli 2017, Nr. 32 (mit Farbabb.).
„Von Zeit zu Zeit ergibt sich die Gelegenheit, eine knappe, subjektive und kategorische Aussage zu machen: Jensen ist grossartig. Er ist einer der besten Maler in den Vereinigten Staaten.“ Donald Judd
Alfred Jensen gehört zu den faszinierendsten Künstlerpersönlichkeiten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Werk ist sowohl vom Konzept als auch von Thema und Motiv vollkommen singulär und von seinen Einflüssen einzigartig, so dass er keiner Kunstrichtung zuzuordnen ist. Er gehört zur Generation der Abstrakten Expressionisten, interpretiert Abstraktion aber vollkommen anders. Trotz dieser Sonderstellung gehört er zu den geachtesten und einflussreichsten Künstlern dieser Generation.
1903 wird Alfred Julio Jensen als Sohn eines Dänen und einer deutsch-polnischen Mutter in Guatemala-Stadt geboren. Sein Maya-Kindermädchen wird auf den späteren Maler grossen Einfluss nehmen: „Ich erinnerte mich damals daran, was mich meine Maya-Kindermädchen gelehrt hatten: Man denkt und handelt nur, indem man sich an Flächen, Farben und Grenzen orientiert. Suchend malte ich diese Vorstellungen, bis mir aufging, dass es noch andere archaische Regeln gab, denen die Konzepte der Maya entsprachen. Daraus schloss ich, dass die Erforschung aller archaischen Systeme für mich als Künstler von grossem Wert sein könnte.“ (Alfred Jensen) Nach dem Tod der Mutter wird der 7-jährige Alfred mit seinen Geschwistern zu einem Onkel nach Dänemark geschickt, wo er die Grundschule besucht. Nach seinem Schulabschluss heuert er auf einem Schiff an und beginnt die Welt zu bereisen; zunächst Malaysia und Australien. Nach dem Tod seines Vaters 1922 kauft er mit seinem Bruder eine Farm in Guatemala, was aber nicht lange gut geht. Mit dem Geld aus dem Farmverkauf zieht Jensen nach San Diego, wo er ein Stipendium für die San Diego Fine Arts School erhält. 1926 reist er nach München, um an der Kunstschule Hans Hofmanns zu studieren, dessen Unterricht er allerdings schnell als einengend empfindet und lieber Dürer und Brueghel in der Alten Pinakothek kopiert.
Bei einem Sommeraufenthalt lernt er die Kunstsammlerin Saidie Adler May kennen, die ihn bei seinen Studien unterstützt. Sie gehen zunächst nach Paris, wo Alfred Jensen sein Studium an der Académie scandinave beginnt. May und er bereisen in den kommenden Jahren die Welt, Jensen berät sie beim Aufbau ihrer Sammlung und lässt sich letztendlich 1938 mit ihr in New York nieder. Der Tod Mays 1951 führt dazu, dass sich Jensen nun ausschliesslich und schon im fortgeschrittenen Alter seiner Kunst widmet. Er bezieht ein eigenes Atelier und nimmt 1953 erstmals an einer Ausstellung in der John Heller Gallery teil. Weitere Gruppenausstellungen folgen und er macht die Bekanntschaft mit Mark Rothko und Sam Francis. 1958 kauft der damalige Direktor des Baseler Kunstmuseums, Arnold Rüdlinger, das erste Gemälde Jensens für die Schweizer Sammlergruppe La Peau de l’Ours an – das vorliegende Werk hat denselben Weg in die Schweiz genommen. Nun wird Alfred Jensen zunehmend zu Ausstellungen in der Schweiz eingeladen und 1962 beginnt die lange und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Eberhard Kornfeld. Neben zahlreichen thematischen Gruppenausstellungen, wird er 1964 zur documenta 3 eingeladen, zwei weitere Teilnahmen folgen. 1977 partizipiert er an der Biennal Exhibition: Contemporary American Art im Whitney Museum und vertritt im selben Jahr die USA bei der XIV. Biennale von Sao Paulo. 1978 veranstaltet die Albright-Knox Art Gallery eine Retrospektive seiner Werke, die durch weitere Museen tourt. 1981 stirbt Alfred Julio Jensen. 1985 richtet ihm das Guggenheim Museum eine umfassende Retrospektive aus.
Als Alfred Jensen 1972 an der documenta V teilnimmt, prägt Harald Szeemann den Begriff der Kunst der „individuellen Mythologien“. Er versucht damit Künstler wie Jensen, aber auch Strübin und Herbin, die keiner Stilrichtung zuzuordnen sind und sich durch grosse Individualität auszeichnen, zu kategorisieren, und findet im Falle des Amerikaners diese äusserst treffende Umschreibung. Seine Kindheit in Guatemala hat Jensens Faszination für die Kultur der Mayas geweckt, und auch das Interesse für andere, frühe Kulturen gefördert. Bei seiner Auseinandersetzung mit der Kultur der Griechen, Römer, Ägypter und Chinesen entdeckt er immer mehr Gemeinsamkeiten, die er sich zunutze macht. Er untersucht die unterschiedlichen Ordnungssysteme wie „die Kalender der Maya und der Inka und die Baupläne der mexikanischen und der ägyptischen Pyramiden, indianische und chinesische Zahlensysteme, Schriften, Symbole und Hieroglyphen, die Regel des Goldenen Schnitt und der Satz des Pythagoras, die Lehren der Pythagoräer und der Orphiker, die Zeichnen und Häuser des Tierkreises und alter Weltkarten, das delphische Orakel und die Weissagungen I Ging, Leonardo da Vincis Schriften und Goethes Farbenlehre“ (zit. Wieland Schmied, in: Ausst. Kat. Alfred Jensen, Kestner-Gesellschaft Hannover, Hannover 1973, S. 22), zieht für sich das Wesentliche heraus und nutzt es für seine Gemälde. Er folgt dabei seinen eigenen Interpretationen und verändert die Systeme nach seinem Nutzen. Von daher ist es für den Betrachter oftmals auch nicht nötig, das dem Werk zu Grunde liegende System zu verstehen, sondern er muss erkennen, dass es dieses gibt und es Teil der Bildkomposition ist. Jensen selbst sagt: „Mein künstlerischer Ausdruck ist ein persönliches Erlebnis. Es ist eigentlich zu persönlich, als dass man es in Worte fassen könnte. Auf die Dauer sind es die Poesie des Bildes, die innere Vision, die den Betrachter in ihren Bann ziehen müssen.“
Seine Gemälde sind also das Ergebnis sorgfältiger Untersuchungen und Planungen. Und wenn wir auch den „mythologischen“ Unterbau nicht verstehen müssen, erkennen wir darüber hinaus zwei dominante Ordnungssysteme. Bei der Farbordnung orientiert er sich an der Farbenlehre Goethes, die er durch Auguste Herbin kennen gelernt hat. „So übernahm er die von Goethe gegen Newton vorgetragene Idee, dass die Farben aus dem Zusammenwirken der beiden Pole Weiss und Schwarz, Licht und Finsternis hervorgingen, was Goethe aus der Beobachtung der farbigen Säume an der Kante von Weiss und Schwarz durch ein Prisma abgeleitet hatte. Gelb und Blau hob der hervor als die Farben, die den Polaritäten am nächsten sind und die sich zum Rot steigern lassen. … Auch Jensen betrachtete die Farben als für sich existierende Einheiten und nicht als zusammen gesetzt. In Goethes Sinn interpretierte er das Dualitätsprinzip von Weiss und Schwarz metaphorisch, indem er es auf beliebige andere Oppositonspaare übertrug, etwa auf männlich und weiblich, aktiv und passiv, Plus und Minus und so fort ….“ (zit. Dieter Schwarz, in: Ausst.Kat. Alfred Jensen. Werke aus Schweizer Sammlungen, Winterthur 2015, S. 22)
Das zweite Ordnungssystem ist die schachbrettartige Gliederung seiner Werke, dabei kommt es jedoch nie zu einer endgültigen Teilung, sondern er nutzt die Gitter, spielt mit ihnen und schafft Beziehungen zwischen den Gittern und zwischen den Farben und den Gittern.
Im vorliegenden Werk sieht man das Gitter als solches gar nicht mehr, aber das die Komposition einem strengen Ordnungsprinzip unterworfen ist, wird schnell offensichtlich. Der Einfluss der Tempelanlage in Paestum wird schon durch den Titel herbeigeführt. Während seiner Europareisen hat er auch Griechenland und die Tempelanlage von Paestum besucht. Vergleicht man Jensens Gemälde nun mit dem Grundriss des zweiten Tempels der Hera, findet man bis auf eine kleine Abweichung die identische Struktur. Durch den pastosen und exkaten Farbauftrag verleiht er dem Werk Tiefe und macht gleichzeitig das Ordnungssystem für den Betrachter unmittelbar erfahrbar. Die Farbgebung verschleiert die Ordnung zunächst, sobald man aber beginnt, die Beziehung zwischen den Farben zu erkennen, erschliesst sich auch die antike Tempelstruktur wieder. „Temple of Numbers at Paestum“ ist darüberhinaus ein herausragendes Beispiel für Jensens Raumvorstellung. Wie Donald Judd feststellt sind Jensens Werke „völlig flächig, sind gänzlich Muster. Jensens Gemälde sind keine radikalen Erfindungen, doch dieser Aspekt ist es. Es gibt keine anderen Gemälde, die gänzlich ohne Raum sind. … Jensen stützt sich seinerseits absolut auf die Kraft und die Komplexität der Muster. Die Arbeit ist direkt, üppig und schrill.“ (zit. Donald Judd, ebenda, S. 28)
Auch Mark Rothko hat Paestum besucht und, wie er selbst sagt, die Tempel in seinen Werken gemalt, ohne sie zu kennen. Der Vergleich des vorliegenden Werkes mit einem Gemälde von Mark Rothko zeigt eindrücklich die gemeinsamen Wurzeln und gleichzeitig die vollkommen gegensätzliche Umsetzung ein und desselben Themas. Jensens einzigartige Stellung in der Kunst des 20. Jahrhunderts wird nochmals deutlich.
- Atelier des Künstlers.
- Dort 1962 von Arnold Rüdiger, Kunsthalle Basel, für die Sammlung La Peau de l'Ours, Basel, erworben.
- 1964 - 2007 Schweizer Privatsammlung.
- 2007 als Geschenk an den heutigen Besitzer, Sammlung Schweiz.
Ausstellungen:
- Basel 1964, Sammlung La Peau de l'Ours. Kunsthalle Basel, 24. Oktober - 22. November 1964, Nr. 22 (mit Farbabb.).
- Winterthur 2015, Alfred Jensen. Werke auf Schweizer Sammlungen. Kunstmuseum Winterthur, 25. April - 26. Juli 2017, Nr. 32 (mit Farbabb.).
„Von Zeit zu Zeit ergibt sich die Gelegenheit, eine knappe, subjektive und kategorische Aussage zu machen: Jensen ist grossartig. Er ist einer der besten Maler in den Vereinigten Staaten.“ Donald Judd
Alfred Jensen gehört zu den faszinierendsten Künstlerpersönlichkeiten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Werk ist sowohl vom Konzept als auch von Thema und Motiv vollkommen singulär und von seinen Einflüssen einzigartig, so dass er keiner Kunstrichtung zuzuordnen ist. Er gehört zur Generation der Abstrakten Expressionisten, interpretiert Abstraktion aber vollkommen anders. Trotz dieser Sonderstellung gehört er zu den geachtesten und einflussreichsten Künstlern dieser Generation.
1903 wird Alfred Julio Jensen als Sohn eines Dänen und einer deutsch-polnischen Mutter in Guatemala-Stadt geboren. Sein Maya-Kindermädchen wird auf den späteren Maler grossen Einfluss nehmen: „Ich erinnerte mich damals daran, was mich meine Maya-Kindermädchen gelehrt hatten: Man denkt und handelt nur, indem man sich an Flächen, Farben und Grenzen orientiert. Suchend malte ich diese Vorstellungen, bis mir aufging, dass es noch andere archaische Regeln gab, denen die Konzepte der Maya entsprachen. Daraus schloss ich, dass die Erforschung aller archaischen Systeme für mich als Künstler von grossem Wert sein könnte.“ (Alfred Jensen) Nach dem Tod der Mutter wird der 7-jährige Alfred mit seinen Geschwistern zu einem Onkel nach Dänemark geschickt, wo er die Grundschule besucht. Nach seinem Schulabschluss heuert er auf einem Schiff an und beginnt die Welt zu bereisen; zunächst Malaysia und Australien. Nach dem Tod seines Vaters 1922 kauft er mit seinem Bruder eine Farm in Guatemala, was aber nicht lange gut geht. Mit dem Geld aus dem Farmverkauf zieht Jensen nach San Diego, wo er ein Stipendium für die San Diego Fine Arts School erhält. 1926 reist er nach München, um an der Kunstschule Hans Hofmanns zu studieren, dessen Unterricht er allerdings schnell als einengend empfindet und lieber Dürer und Brueghel in der Alten Pinakothek kopiert.
Bei einem Sommeraufenthalt lernt er die Kunstsammlerin Saidie Adler May kennen, die ihn bei seinen Studien unterstützt. Sie gehen zunächst nach Paris, wo Alfred Jensen sein Studium an der Académie scandinave beginnt. May und er bereisen in den kommenden Jahren die Welt, Jensen berät sie beim Aufbau ihrer Sammlung und lässt sich letztendlich 1938 mit ihr in New York nieder. Der Tod Mays 1951 führt dazu, dass sich Jensen nun ausschliesslich und schon im fortgeschrittenen Alter seiner Kunst widmet. Er bezieht ein eigenes Atelier und nimmt 1953 erstmals an einer Ausstellung in der John Heller Gallery teil. Weitere Gruppenausstellungen folgen und er macht die Bekanntschaft mit Mark Rothko und Sam Francis. 1958 kauft der damalige Direktor des Baseler Kunstmuseums, Arnold Rüdlinger, das erste Gemälde Jensens für die Schweizer Sammlergruppe La Peau de l’Ours an – das vorliegende Werk hat denselben Weg in die Schweiz genommen. Nun wird Alfred Jensen zunehmend zu Ausstellungen in der Schweiz eingeladen und 1962 beginnt die lange und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Eberhard Kornfeld. Neben zahlreichen thematischen Gruppenausstellungen, wird er 1964 zur documenta 3 eingeladen, zwei weitere Teilnahmen folgen. 1977 partizipiert er an der Biennal Exhibition: Contemporary American Art im Whitney Museum und vertritt im selben Jahr die USA bei der XIV. Biennale von Sao Paulo. 1978 veranstaltet die Albright-Knox Art Gallery eine Retrospektive seiner Werke, die durch weitere Museen tourt. 1981 stirbt Alfred Julio Jensen. 1985 richtet ihm das Guggenheim Museum eine umfassende Retrospektive aus.
Als Alfred Jensen 1972 an der documenta V teilnimmt, prägt Harald Szeemann den Begriff der Kunst der „individuellen Mythologien“. Er versucht damit Künstler wie Jensen, aber auch Strübin und Herbin, die keiner Stilrichtung zuzuordnen sind und sich durch grosse Individualität auszeichnen, zu kategorisieren, und findet im Falle des Amerikaners diese äusserst treffende Umschreibung. Seine Kindheit in Guatemala hat Jensens Faszination für die Kultur der Mayas geweckt, und auch das Interesse für andere, frühe Kulturen gefördert. Bei seiner Auseinandersetzung mit der Kultur der Griechen, Römer, Ägypter und Chinesen entdeckt er immer mehr Gemeinsamkeiten, die er sich zunutze macht. Er untersucht die unterschiedlichen Ordnungssysteme wie „die Kalender der Maya und der Inka und die Baupläne der mexikanischen und der ägyptischen Pyramiden, indianische und chinesische Zahlensysteme, Schriften, Symbole und Hieroglyphen, die Regel des Goldenen Schnitt und der Satz des Pythagoras, die Lehren der Pythagoräer und der Orphiker, die Zeichnen und Häuser des Tierkreises und alter Weltkarten, das delphische Orakel und die Weissagungen I Ging, Leonardo da Vincis Schriften und Goethes Farbenlehre“ (zit. Wieland Schmied, in: Ausst. Kat. Alfred Jensen, Kestner-Gesellschaft Hannover, Hannover 1973, S. 22), zieht für sich das Wesentliche heraus und nutzt es für seine Gemälde. Er folgt dabei seinen eigenen Interpretationen und verändert die Systeme nach seinem Nutzen. Von daher ist es für den Betrachter oftmals auch nicht nötig, das dem Werk zu Grunde liegende System zu verstehen, sondern er muss erkennen, dass es dieses gibt und es Teil der Bildkomposition ist. Jensen selbst sagt: „Mein künstlerischer Ausdruck ist ein persönliches Erlebnis. Es ist eigentlich zu persönlich, als dass man es in Worte fassen könnte. Auf die Dauer sind es die Poesie des Bildes, die innere Vision, die den Betrachter in ihren Bann ziehen müssen.“
Seine Gemälde sind also das Ergebnis sorgfältiger Untersuchungen und Planungen. Und wenn wir auch den „mythologischen“ Unterbau nicht verstehen müssen, erkennen wir darüber hinaus zwei dominante Ordnungssysteme. Bei der Farbordnung orientiert er sich an der Farbenlehre Goethes, die er durch Auguste Herbin kennen gelernt hat. „So übernahm er die von Goethe gegen Newton vorgetragene Idee, dass die Farben aus dem Zusammenwirken der beiden Pole Weiss und Schwarz, Licht und Finsternis hervorgingen, was Goethe aus der Beobachtung der farbigen Säume an der Kante von Weiss und Schwarz durch ein Prisma abgeleitet hatte. Gelb und Blau hob der hervor als die Farben, die den Polaritäten am nächsten sind und die sich zum Rot steigern lassen. … Auch Jensen betrachtete die Farben als für sich existierende Einheiten und nicht als zusammen gesetzt. In Goethes Sinn interpretierte er das Dualitätsprinzip von Weiss und Schwarz metaphorisch, indem er es auf beliebige andere Oppositonspaare übertrug, etwa auf männlich und weiblich, aktiv und passiv, Plus und Minus und so fort ….“ (zit. Dieter Schwarz, in: Ausst.Kat. Alfred Jensen. Werke aus Schweizer Sammlungen, Winterthur 2015, S. 22)
Das zweite Ordnungssystem ist die schachbrettartige Gliederung seiner Werke, dabei kommt es jedoch nie zu einer endgültigen Teilung, sondern er nutzt die Gitter, spielt mit ihnen und schafft Beziehungen zwischen den Gittern und zwischen den Farben und den Gittern.
Im vorliegenden Werk sieht man das Gitter als solches gar nicht mehr, aber das die Komposition einem strengen Ordnungsprinzip unterworfen ist, wird schnell offensichtlich. Der Einfluss der Tempelanlage in Paestum wird schon durch den Titel herbeigeführt. Während seiner Europareisen hat er auch Griechenland und die Tempelanlage von Paestum besucht. Vergleicht man Jensens Gemälde nun mit dem Grundriss des zweiten Tempels der Hera, findet man bis auf eine kleine Abweichung die identische Struktur. Durch den pastosen und exkaten Farbauftrag verleiht er dem Werk Tiefe und macht gleichzeitig das Ordnungssystem für den Betrachter unmittelbar erfahrbar. Die Farbgebung verschleiert die Ordnung zunächst, sobald man aber beginnt, die Beziehung zwischen den Farben zu erkennen, erschliesst sich auch die antike Tempelstruktur wieder. „Temple of Numbers at Paestum“ ist darüberhinaus ein herausragendes Beispiel für Jensens Raumvorstellung. Wie Donald Judd feststellt sind Jensens Werke „völlig flächig, sind gänzlich Muster. Jensens Gemälde sind keine radikalen Erfindungen, doch dieser Aspekt ist es. Es gibt keine anderen Gemälde, die gänzlich ohne Raum sind. … Jensen stützt sich seinerseits absolut auf die Kraft und die Komplexität der Muster. Die Arbeit ist direkt, üppig und schrill.“ (zit. Donald Judd, ebenda, S. 28)
Auch Mark Rothko hat Paestum besucht und, wie er selbst sagt, die Tempel in seinen Werken gemalt, ohne sie zu kennen. Der Vergleich des vorliegenden Werkes mit einem Gemälde von Mark Rothko zeigt eindrücklich die gemeinsamen Wurzeln und gleichzeitig die vollkommen gegensätzliche Umsetzung ein und desselben Themas. Jensens einzigartige Stellung in der Kunst des 20. Jahrhunderts wird nochmals deutlich.
CHF 90 000 / 140 000 | (€ 92 780 / 144 330)
Verkauft für CHF 70 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr