Lot 3235 - A189 Impressionismus & Moderne - Freitag, 28. Juni 2019, 17.00 Uhr
RENÉ MAGRITTE
(Lessines 1898–1967 Brüssel)
Les voies et moyens. 1948.
Gouache und Gold auf Papier.
Unten rechts signiert: magritte. Verso signiert, datiert und betitelt.
40,5 x 32,8 cm.
Wir danken dem Comité Magritte für die Bestätigung der Authentizität des Werkes, Brüssel, März 2019.
Provenienz:
- Sotheby's, London, Auktion 16. April 1975, Los 108.
- Privatsammlung Schweiz, an obiger Auktion gekauft.
Ausstellungen:
- Paris 1948, Magritte. Peintures et gouaches, Galerie du Faubourg, Paris, 11. Mai - 5. Juni 1948.
- Brüssel 1968, Dix maîtres contemporains, 28. Juni - 31. August 1968, Nr. 50.
- Mailand 1970, Schubert, Nr. 3.
- Knokke 1971, Brachot, Nr. 9.
Literatur: David Sylvester, Catalogue raisonné de l'Oeuvre de René Magritte, Menil Fondation, 1994, Bd. IV, S. 107, Nr. 1270 (mit Abb.).
„Die deutsche Besatzung markierte den Wendepunkt in meiner Kunst. Vor dem Krieg drückten meine Bilder Angst aus, aber die Erfahrung des Krieges hat mich gelehrt, dass es in der Kunst darauf ankommt, Bezauberung auszudrücken. Ich lebe in einer sehr unangenehmen Welt und meine Arbeit ist als Gegenoffensive gedacht“ (zitiert aus dem Englischen in: S. Gablik, 1985, S. 146).
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versucht sich Magritte an einem neuen Stil, der als „Période Renoir“ oder auch "Période soleil" bezeichnet wird. Anders als in seinen bisherigen Gemälden stellt Magritte nun in einer impressionistischen Manier ganz im Stile Renoirs "die schöne Seite des Lebens" dar. Diese Malerei, die doch stark von dem bisher gezeigten Surrealismus abweicht, stösst auf grössere Ablehnung.
„Ich bitte Sie nicht (…) alte Bilder zu kopieren, sondern darum, diese poetische und geheimnisvolle Eigenschaft ihrer früheren Bilder nicht zu unterbrechen, die in ihrer dichten Technik weit mehr Magritte entsprachen als diejenigen Bilder, in denen Renoirsche Technik und Farbe aller Welt altmodisch erscheinen“ meint der Galerist Iolas im November 1947, als er keine Käufer für Magrittes Werke findet.
Die Antwort darauf folgt bereits eine Woche später. Magritte bekundet das Ende der "Période Renoir" und als Vorbereitung für seine erste Einzelausstellung in Paris fertigt er in einer intensiven Phase die Gemälde und Gouachen der sogenannten "Période Vache" an.
In dem kurzen Zeitraum von nur 5 Wochen Ende des Jahres 1947 und zu Beginn des Jahres 1948 entstehen für Magrittes Ausstellung in der Galerie du Faubourg in Paris eine Reihe von Gemälden und Gouachen, die sich in einer grellen, expressionistischen, aufrührerischen und grotesken Malerei niederschlägt und völlig neu im Oeuvre des Künstlers ist. Inspiriert insbesondere von populären Bildquellen wie Karikaturen und Comics, durchsetzt mit kunsthistorischen Anspielungen auf Künstler wie James Ensor, Edouard Manet oder Henri Matisse entstehen in schneller und grober Manier rund 17 Ölgemälde und 20 Gouachen. Der Name "Période Vache", den Magritte dieser Schaffensphase selbst gegeben hat, soll ironischerweise auf die Bewegung der Fauve Künstler anspielen, denen aufgrund der kräftigen Farben der abwertende Begriff "wilde Tiere" auferlegt wurde. Auch Magrittes unverkennbare Übersteigerung des Kolorits, ist in dieser Phase nicht zu übersehen.
Mit der Tatsache, dass die Brüsseler Surrealisten mit Magritte und die Pariser Surrealisten mit André Breton bereits vor dem Krieg mehr als einmal aneinandergeraten sind, und dem Umstand, dass Magrittes erste Einzelausstellung in Paris, dem Entstehungsort der surrealistischen Bewegung, erst 1948 zu Stande kommt, sieht Magritte in dieser Ausstellung eine Chance sich bei den französischen Kollegen zu revanchieren.
"1948 bekommt er die Gelegenheit auszustellen, auszuteilen. (…) Seitdem er 1931 aus Paris weggegangen ist, zeigt ihm die Stadt die kalte Schulter – so wie sie jeden gereizt, ignoriert, der ausserhalb der Mauer lebt. (…) Das war genau der Moment für den entscheidenden Schlag. Nicht eine Minute lang stellte sich die Frage, Bilder in der einen oder anderen bewährten Art zu zeigen. (…) Vor allem durfte man die Pariser nicht begeistern, sondern musste sie schockieren." (Scutenaire, Avec Magritte, S. 109.)
Die Ausstellung konzipiert Magritte gezielt als Provokation für das Pariser Publikum. Durch konkrete und weniger konkrete Seitenhiebe und durch kritische Bezüge nimmt er die Pariser in ihrem "bornierten Pariser Selbstverständnis als Bastion der Hochkultur" auf die Schippe und macht sich über seine französischen Kollegen lustig. (René Magritte. La Période Vache, S. 81).
Das an der Auktion angebotene Werk "Les voies et moyens" gehört unverkennbar auch zu den Werken der „Période Vache“ und ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die kräftigen Farben und die Ironie seiner Gedanken. Das auffallende Karree des Körpers taucht in verschiedenen Varianten in sehr vielen Werken dieser Periode wieder auf. Gleichfalls wie die eigentlich für Magritte untypische Verwendung der Goldfarbe, die sich bei unserem Werk im „Vasenarm“ wiederfindet. Magritte kritisiert mit diesen "pseudo-dekorativen" Stilelementen die gefällige "Salonmalerei" und die nach seiner Meinung gefährliche Annäherung der surrealistischen Avantgarde zu diesem Zeitpunkt. Zu unserer Arbeit gibt es eine Vorzeichnung sowie ein sich farblich unterscheidendes Ölgemälde.
Auch wenn Magritte während der Ausstellung kein einziges Werk verkauft, hat er sein Ziel erreicht. Die Pariser Bevölkerung ist von den knapp 40 Werken geschockt und entsetzt. Bis 1961 wird bis auf ein Gemälde kein einziges Werk der „Période Vache“ mehr an einer Ausstellung gezeigt. Erst ab den 1980er Jahren beginnt man die Bilder in Ausstellungen zu integrieren und schliesslich werden Ausstellungen in Marseille und Frankfurt gezeigt, die sich ausschliesslich dieser Schaffensphase widmen.
Magritte selbst muss bei der Vorbereitung dieser ersten Ausstellung in Paris eine unglaubliche Euphorie an den Tag gelegt haben. Sein enger Vertrauter Scutenaire bestätigt, dass er ihn noch nie so ausgelassen gesehen hat und meint: "Es sind Werke von funkelnder Freiheit, in der die tollkühnsten Gedanken, die Handschrift und die Illuminierung verängstigt Lärm schlagen, wo Flegelhaftigkeit sich mit Esprit vermischt, Empörung mit Verblüffung, Gewalt mit Zärtlichkeit, Weisheit mit Jux" (Scutenaire, Avec Magritte, S. 113).
Provenienz:
- Sotheby's, London, Auktion 16. April 1975, Los 108.
- Privatsammlung Schweiz, an obiger Auktion gekauft.
Ausstellungen:
- Paris 1948, Magritte. Peintures et gouaches, Galerie du Faubourg, Paris, 11. Mai - 5. Juni 1948.
- Brüssel 1968, Dix maîtres contemporains, 28. Juni - 31. August 1968, Nr. 50.
- Mailand 1970, Schubert, Nr. 3.
- Knokke 1971, Brachot, Nr. 9.
Literatur: David Sylvester, Catalogue raisonné de l'Oeuvre de René Magritte, Menil Fondation, 1994, Bd. IV, S. 107, Nr. 1270 (mit Abb.).
„Die deutsche Besatzung markierte den Wendepunkt in meiner Kunst. Vor dem Krieg drückten meine Bilder Angst aus, aber die Erfahrung des Krieges hat mich gelehrt, dass es in der Kunst darauf ankommt, Bezauberung auszudrücken. Ich lebe in einer sehr unangenehmen Welt und meine Arbeit ist als Gegenoffensive gedacht“ (zitiert aus dem Englischen in: S. Gablik, 1985, S. 146).
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versucht sich Magritte an einem neuen Stil, der als „Période Renoir“ oder auch "Période soleil" bezeichnet wird. Anders als in seinen bisherigen Gemälden stellt Magritte nun in einer impressionistischen Manier ganz im Stile Renoirs "die schöne Seite des Lebens" dar. Diese Malerei, die doch stark von dem bisher gezeigten Surrealismus abweicht, stösst auf grössere Ablehnung.
„Ich bitte Sie nicht (…) alte Bilder zu kopieren, sondern darum, diese poetische und geheimnisvolle Eigenschaft ihrer früheren Bilder nicht zu unterbrechen, die in ihrer dichten Technik weit mehr Magritte entsprachen als diejenigen Bilder, in denen Renoirsche Technik und Farbe aller Welt altmodisch erscheinen“ meint der Galerist Iolas im November 1947, als er keine Käufer für Magrittes Werke findet.
Die Antwort darauf folgt bereits eine Woche später. Magritte bekundet das Ende der "Période Renoir" und als Vorbereitung für seine erste Einzelausstellung in Paris fertigt er in einer intensiven Phase die Gemälde und Gouachen der sogenannten "Période Vache" an.
In dem kurzen Zeitraum von nur 5 Wochen Ende des Jahres 1947 und zu Beginn des Jahres 1948 entstehen für Magrittes Ausstellung in der Galerie du Faubourg in Paris eine Reihe von Gemälden und Gouachen, die sich in einer grellen, expressionistischen, aufrührerischen und grotesken Malerei niederschlägt und völlig neu im Oeuvre des Künstlers ist. Inspiriert insbesondere von populären Bildquellen wie Karikaturen und Comics, durchsetzt mit kunsthistorischen Anspielungen auf Künstler wie James Ensor, Edouard Manet oder Henri Matisse entstehen in schneller und grober Manier rund 17 Ölgemälde und 20 Gouachen. Der Name "Période Vache", den Magritte dieser Schaffensphase selbst gegeben hat, soll ironischerweise auf die Bewegung der Fauve Künstler anspielen, denen aufgrund der kräftigen Farben der abwertende Begriff "wilde Tiere" auferlegt wurde. Auch Magrittes unverkennbare Übersteigerung des Kolorits, ist in dieser Phase nicht zu übersehen.
Mit der Tatsache, dass die Brüsseler Surrealisten mit Magritte und die Pariser Surrealisten mit André Breton bereits vor dem Krieg mehr als einmal aneinandergeraten sind, und dem Umstand, dass Magrittes erste Einzelausstellung in Paris, dem Entstehungsort der surrealistischen Bewegung, erst 1948 zu Stande kommt, sieht Magritte in dieser Ausstellung eine Chance sich bei den französischen Kollegen zu revanchieren.
"1948 bekommt er die Gelegenheit auszustellen, auszuteilen. (…) Seitdem er 1931 aus Paris weggegangen ist, zeigt ihm die Stadt die kalte Schulter – so wie sie jeden gereizt, ignoriert, der ausserhalb der Mauer lebt. (…) Das war genau der Moment für den entscheidenden Schlag. Nicht eine Minute lang stellte sich die Frage, Bilder in der einen oder anderen bewährten Art zu zeigen. (…) Vor allem durfte man die Pariser nicht begeistern, sondern musste sie schockieren." (Scutenaire, Avec Magritte, S. 109.)
Die Ausstellung konzipiert Magritte gezielt als Provokation für das Pariser Publikum. Durch konkrete und weniger konkrete Seitenhiebe und durch kritische Bezüge nimmt er die Pariser in ihrem "bornierten Pariser Selbstverständnis als Bastion der Hochkultur" auf die Schippe und macht sich über seine französischen Kollegen lustig. (René Magritte. La Période Vache, S. 81).
Das an der Auktion angebotene Werk "Les voies et moyens" gehört unverkennbar auch zu den Werken der „Période Vache“ und ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die kräftigen Farben und die Ironie seiner Gedanken. Das auffallende Karree des Körpers taucht in verschiedenen Varianten in sehr vielen Werken dieser Periode wieder auf. Gleichfalls wie die eigentlich für Magritte untypische Verwendung der Goldfarbe, die sich bei unserem Werk im „Vasenarm“ wiederfindet. Magritte kritisiert mit diesen "pseudo-dekorativen" Stilelementen die gefällige "Salonmalerei" und die nach seiner Meinung gefährliche Annäherung der surrealistischen Avantgarde zu diesem Zeitpunkt. Zu unserer Arbeit gibt es eine Vorzeichnung sowie ein sich farblich unterscheidendes Ölgemälde.
Auch wenn Magritte während der Ausstellung kein einziges Werk verkauft, hat er sein Ziel erreicht. Die Pariser Bevölkerung ist von den knapp 40 Werken geschockt und entsetzt. Bis 1961 wird bis auf ein Gemälde kein einziges Werk der „Période Vache“ mehr an einer Ausstellung gezeigt. Erst ab den 1980er Jahren beginnt man die Bilder in Ausstellungen zu integrieren und schliesslich werden Ausstellungen in Marseille und Frankfurt gezeigt, die sich ausschliesslich dieser Schaffensphase widmen.
Magritte selbst muss bei der Vorbereitung dieser ersten Ausstellung in Paris eine unglaubliche Euphorie an den Tag gelegt haben. Sein enger Vertrauter Scutenaire bestätigt, dass er ihn noch nie so ausgelassen gesehen hat und meint: "Es sind Werke von funkelnder Freiheit, in der die tollkühnsten Gedanken, die Handschrift und die Illuminierung verängstigt Lärm schlagen, wo Flegelhaftigkeit sich mit Esprit vermischt, Empörung mit Verblüffung, Gewalt mit Zärtlichkeit, Weisheit mit Jux" (Scutenaire, Avec Magritte, S. 113).
CHF 250 000 / 400 000 | (€ 257 730 / 412 370)
Verkauft für CHF 439 500 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr