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Lot 3241 - Z37 Impressionismus & Moderne - Freitag, 05. Dezember 2014, 16.00 Uhr

GEORGE GROSZ

(1893 Berlin 1959)
Judges. 1954/55.
Gouache, Aquarell und Tusche auf Papier.
Unten links signiert: Grosz.
60 x 46 cm.

Die Authentizität des Werkes wurde von Ralph Jentsch bestätigt, Rom Oktober 2014. Das Werk wird in den in Vorbereitung befindlichen Werkkatalog der Arbeiten auf Papier aufgenommen. Provenienz: Privatsammlung Schweiz. Während Deutschland 1914 auf einer Welle der Euphorie angesichts des bevorstehenden Krieges schwimmt, wird George Grosz als unpolitischer, junger Mann im November 1914 eingezogen und kommt aus gesundheitlichen Gründen bereits nach einem halben Jahr als gesellschaftskritischer, menschen- und militarismusverachtender Mensch wieder nach Hause. 1917 wird er abermals eingezogen, was dann mit einem Sanatoriumsaufenthalt endet. Schneede beschreibt die Wandlung und die gesellschaftlichen Auswirkungen des Krieges eindrücklich: "Der Krieg bringt die grosse Erschütterung. Wertvorstellungen und ethische Normen wandeln sich von Grund auf. Zu Beginn des Krieges durchschaut und erkennt Grosz die Mechanismen noch nicht, die den einzelnen dem Machtwillen der Obrigkeit opfern. Aber er beginnt einzusehen, dass er als Künstler und Intellektueller innerhalb einer aus den Fugen geratenen Welt keine Flucht ins Ungefähre mehr vollziehen kann: Es gelte, endgültig "mit den französischen flauen Traditionen, die alle Maler fast gänzlich beherrscht hat - aufzuräumen - mit den öden Sentiments- und Flaumalern, den Cézanne, den Picasso und so fort." Die Kunst soll nicht mehr der Unterhaltung dienen, sie muss bohrenden, opponierenden Charakter bekommen: "Hörste! Brutalität! Klarheit, die wehtut! Zum Einschlafen gibt's genügend Musik." (zit. Schneede, Uwe M.: George Grosz. Der Künstler in seiner Gesellschaft, Köln 1989, S. 29). Erst Ende der 10er-Jahre/Anfang der 20er-Jahre kann man von einer Politisierung Grosz und seiner Künstlerfreunde sprechen. Ab 1915 kommt es in Deutschland zunächst zu Demonstrationen gegen den Krieg und bald zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Die SPD, der Künstler und Intellektuelle traditionsgemäss nahestehen, stärkt durch ihre Staats- und Obrigkeitstreue sowohl die rechten als auch die linken radikalen Kräfte; die Künstler der Neuen Sachlichkeit wenden sich den radikalen Linken zu und werden in ihren Werken zunehmend politisch. Die wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit und dieser beschriebenen Politisierung sind George Grosz und Otto Dix, die sich vor allem in den 1920er Jahren mit ihren Werken zum einen gegen das Emotionale, unpolitische der Expressionisten wehren, in dem sie, oftmals überzogen und karikaturhaft, aber realistisch die Gesellschaft widergeben; zum anderen gegen die schöne Welt der sogenannten "Goldenen 20er", in dem sie noch immer existierende Auswirkungen des Ersten Weltkrieges schonungslos zeigen und die Verfehlungen und Misstände der Obrigkeit anprangern. In dem vorliegenden Aquarell wendet sich Grosz gegen die Gerichtsbarkeit, mit der er selbst zahlreiche Auseinandersetzungen hat - mal geht es um "moralisch-ethische Verfehlungen", mal um Gotteslästerung. Im Seitenprofil sind drei Richter dargestellt, gut erkennbar durch ihre Kleidung und durch die Stappel von Papieren auf dem vor ihnen angedeuteten Richtertisch. Der Vorderste lehnt sich nach vorne und spricht; der groteske und fratzenhafte Gesichtsausdruck legt das Wort "geifern" nahe. Seine Hand ballt er zu einer Faust und krallt seine Finger zusammen. Seine zwei Kollegen sitzen zurückgelehnt neben ihm. Während der Hintere mit Blut schreibt, beginnt der Mittlere zu schwitzen und seine Augäpfel treten hervor. Nicht nur Gestik und Mimik setzt Grosz ein, um seine Abscheu zu zeigen, sondern auch malerische Aspekte. Vorallem in den Gesichtern führt die unruhige und kleinteilige Malweise mit nicht naturellen, überzogenen Farben dazu, dass der Betrachter Fratzen und keine menschlichen Gesichter erkennt. Die Interpretationsmöglichkeiten seiner Werke sind unzählig, aber die Kaltblütigkeit mit der hier Recht gesprochen wird, ist durch den vorderen Richter meisterlich dargestellt. Das dieses Urteil den Ruin, wenn nicht Schlimmeres, für den Angeklagten bedeutet, zeigt das in Blut geschriebene Urteil. Und zu guter Letzt beweist der schwitzende, starrende und vollkommen passive Richter, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zu geht, er es durchaus weiss, aber dennoch schweigt. Mit unverholener Brutalität und malerischer Meisterschaft, wie wir es aus den Ikonen der Neuen Sachlichkeit - George Grosz' "Die Stützen der Gesellschaft" von 1926 und Otto Dix' "Grossstadt-Tryptichon" von 1927/28 kennen, klagt Grosz hier die Missstände der Weimarer Republik an.

CHF 42 000 / 52 000 | (€ 43 300 / 53 610)


Verkauft für CHF 62 400 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr