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Lot 3067* - Z36 Schweizer Kunst - Freitag, 27. Juni 2014, 14.00 Uhr

HERMANN SCHERER

(Rümmingen 1893–1927 Basel)
Mendrisiotto. Um 1925/1926.
Öl auf Leinwand.
Unten mittig signiert: H. Scherer.
112 x 120 cm.

Provenienz: - Schweizer Privatsammlung, direkt beim Künstler erworben. - Europäische Privatsammlung. Hermann Scherer, der eine künstlerische Ausbildung als Bildhauer absolvierte, zählt zu den bedeutendsten Vertretern des Expressionismus in der Schweiz. Neben seinen imposanten Holzskulpturen finden sich besonders in seinem Spätwerk auch Gemälde und Zeichnungen, die seine expressive Formensprache eindrücklich aufgreifen. Ausschlaggebend für diese künstlerische Orientierung ist wohl die Auseinandersetzung Scherers mit den in Deutschland tätigen Expressionisten, darunter Edvard Munch und besonders Ernst Ludwig Kirchner, der sich der anhaltenden klassizistisch Orientierung in der Kunst widersetzte und eine expressionistische Formsprache entwickelte. Diese traf genau den Zeitgeist Hermann Scherers und seiner Zeitgenossen und so erwarteten die jungen Avantgarden, darunter Albert Müller und Paul Camenisch, erwartungsvoll die erste Basler Ausstellung Kirchners im Juni 1923 in der Basler Kunsthalle. Ernst Ludwig Kirchners Ausstellung prägte diese jungen Wilden nachhaltig und so schildert Beat Stutzer in seinem Beitrag über Albert Müller die Begegnung Scherers mit Kirchners Werk wie folgt: "Ganz anders aber Müllers Freund Hermann Scherer: er war zu diesem Zeitpunkt in weit höherem Masse als Müller an einem Endpunkt angelangt und sehnte sich nach Neuem und Weiterführendem. Scherer war so sehr gefangen von Kirchners Kunst, dass er schon im August, kaum hatte die Ausstellung geschlossen, nach Frauenkirch zu Kirchner reist, um dort in direktem Kontakt mit dem grossen Vorbild in die Geheimnisse der so tief empfundenen Kunst einzudringen: " Er ist kein Besuch, er schafft neben mir." (so Kirchner)". (Stutzer, Beat: Albert Müller - und die Basler Künstlergruppe Rot-Blau, Basel/München 1981, S. 65). Dem Besuch Scherers in Kirchners Wahlheimat Frauenkirch bei Davos folgten weitere, woraus eine fruchtbare schöpferische Freundschaft resultierte. Diese kreativen Impulse teilte Scherer andererseits wiederum mit seinen Basler Künstlerfreunden, welche sich in Mendrisiotto (TI) niederliessen. "Das damalige Tessin war eine bäuerliche, arme Gesellschaft. Das warme lombardische Licht, das über der wilden Schönheit der Landschaft lag, das Häuser, Felder, Bäume färbte, verwandelte die Tessiner Panoramen in eine Quelle reiner, unverdorbener Inspiration. Andere Intellektuelle von jenseits des Gotthards, Schweizer und Europäer, hatten sich von diesem Garten Eden zu philosophischen oder metaphysischen Gedanken anregen lassen. (...) Die "Rot-Blau" - Künstler in Mendrisiotto tauchten eher ins Alltagsleben ein, in die Kontakte mit den einfachen Leuten, in die ländlichen Feste und Werktage, und diese Begegnungen wurden für sie zu einem Bad der Konkretheit und Vitalität. Sie lebten verteilt in kleinen Dörfern - Coldrerio, Castel San Pietro, Obino, Besazio - verfehlten aber keine Gelegenheit, die Gegend zu erkunden, sich zu treffen, ihre Ideen zu diskutieren und immer und immer wieder dieselben Winkel, dieselben Landschaften in den verschiedenen Jahreszeiten zu malen." (Ausst. Kat. "Rot-Blau" - Basler Künstler im Tessin, Monn (Hg.), Bellinzona 2004, siehe Anhang). Aus dieser Schaffensphase stammt das hier angebotene Gemälde, welches um 1925/26 zu datieren ist und als ein Spätwerk des früh verstorbenen Künstlers zu bezeichnen ist. Dabei wird die Davoser Landschaft und die Zusammenarbeit mit Kirchner nun seinen Tessiner Eindrücken gegenübergestellt. Beat Stutzer schildert diese Dualität in seinem Aufsatz: "Die ‚Gegenwelt des Südens': Landschaften aus dem Mendrisiotto" (In: Ausst. Kat. Expessionismus aus den Bergen - Ernst Ludwig Kirchner, Philipp Bauknecht, Jan Wiegers und die Gruppe Rot-Blau, Kunstmuseum Bern/Groninger Museum/Bündner Kunstmuseum Chur, Zürich 2007, S. 206ff). "Anders als es vielleicht zu erwarten wäre, belegen die Landschaftsdarstellungen, dass die Künstler der Gruppe "Rot-Blau" nicht an der Idylle und an der Anmut lieblicher Gelände interessiert waren, sondern im Gegenteil die schroffe Gegend mit ihrem dramatischen Aspekten noch steigerten. Es ist charakteristisch, dass die Landschaft wie im alpinen Davos von den Bergen bestimmt wird, die mit den Voralpengipfeln als Kranz die kurze Ebene und Mulde in der Talsohle fassen. Abhänge und kurz hintereinander gestaffelte Hügelzüge zeichnen sich durch ‚Erdrutsche, Schluchten, Wälder plötzlich versperrte, mystische Horizonte'. (...) Ihre Landschaftsmotive fanden die Künstler in der näheren Umgebung von Castel San Pietro: den Blick auf die Dörfer Corteglia und Gorla, die weite Aussicht in die Ebene von Chiasso oder jene auf den Hügelzug hinter Tremona, den Abhang des Monte Generoso, den Kirchenhügel von Obino, die Villa Loverciana und ihren Baumgarten sowie auf topografisch nicht genauer bestimmbare, weil aus relativer Nähe gesehene Rebhänge und Terrassen." (Ebda S. 208) Hermann Scherer unterteilt das Gemälde in einen Vordergrund sowie einen Hintergrund und malt diese in unterschiedlicher Farbigkeit. Die bestechende Buntheit des Vordergrundes wir zum Kontrast des mehrheitlich monochrom gehaltenen, sich auslaufenden Hintergrundes. Umso intensiver kann demzufolge die Farbenpracht zur Geltung kommen. Dieses koloristische Wechselspiel ist ein wesentliches Merkmal in Scherers Malerei, wie auch bei den vergleichbaren Landschaften "Tessinerlandschaft mit Langobardenturm" von 1925, heute im Bündner Kunstmuseum Chur, und auch in "Landschaft im Mendrisiotto (Tessiner Vorfrühling) von 1926, heute im Kunstmuseum Winterthur, zu sehen ist.

CHF 350 000 / 500 000 | (€ 360 820 / 515 460)


Verkauft für CHF 437 500 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr