Lot 3225* - Z31 Impressionismus & Moderne - Freitag, 09. Dezember 2011, 16.00 Uhr
OSKAR SCHLEMMER
(Stuttgart 1888–1943 Baden-Baden)
Frauenkopf - gesenktes Profil. Um 1932.
Aquarell auf weissem Schreibpapier mit Linienprägung.
27,7 x 21,9 cm (Blattmass).
Mit einer Echtheitsbestätigung von Tut Schlemmer verso auf der alten Rückpappe. Provenienz: - Dr. Hans und Lily Hildebrandt, Stuttgart. - Privatsammlung Deutschland. Literatur: - Grohmann, Willi. Zeichnungen und Graphik. Oeuvrekatalog. Stuttgart, Verlag Gerd Hatje, 1965. - Maur, Karin von. Oskar Schlemmer. Monographie. München, Prestel, 1979, A 479, S. 320 (mit Abb.). Das Werk Oskar Schlemmers steht in der Kunstgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts singulär da. Es kann keiner der grossen Kunstrichtungen wie Kubismus, Neue Sachlichkeit, Dadaismus oder Surrealismus zu geordnet werden, sondern hat mit seiner Konzentration auf den Menschen und dessen Stellung im Raum eine vorausschauende Rolle übernommen. Oskar Schlemmer wird 1888 als jüngstes von sechs Kinder geboren. Er macht eine Ausbildung als kunstgewerblicher Zeichner und besucht nebenbei eine Fortbildungsschule für Figurenzeichnung und Stillehre. Nach nur einem Jahr verlässt er die Kunstgewerbeschule und beginnt 1906 sein Studium an der Stuttgarter Akademie für Bildende Künste, wo er 1909 in die Meisterklasse aufsteigt. Nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin wird er, zurück in Stuttgart, Meisterschüler von Adolf Hölzel. Er arbeitet eng mit Willi Baumeister und Otto Meyer-Amden zusammen, gründet 1919 die Üecht-Gruppe und stellt u.a. in der Galerie Der Sturm aus. 1920 beruft Walter Gropius, der ihn schon durch seine Wandbilder für die Deutsche Werkbundausstellung in Köln 1914 kennt, an das Bauhaus Weimar. Dort übernimmt er zunächst die Werkstatt für Wandmalerei, dann die Holz- und Steinbildhauerei-Werkstatt. Mit der Übersiedlung des Bauhauses nach Dessau übernimmt Schlemmer auch die Bauhaus Bühne und leitet ab 1928 das Unterrichtsfach "Der Mensch". Mit der aufkommenden Politisierung des Bauhauses wird es für ihn, der vor allem in seinen Theaterstücken vollkommen unpolitisch sein will, zunehmend schwerer und so verlässt er im Sommer 1929 das Bauhaus, um Oskar Molls Ruf an die Staatliche Akademie für Kunst und Gewerbe Breslau zu folgen. Erst mit seinem Weggang wird die grosse Bedeutung Schlemmers für das Bauhaus erkennbar. So urteilt der Bauhaus-Gründer Gropius über seine Lehrzeit: "Schlemmer spielte eine einzigartige Rolle in der Gemeinschaft des Bauhauses. Als er 1921 in den Lehrkörper eintrat, leitete er zuerst die Bildhauerei-Werkstatt. Aber Schritt für Schritt weitete er durch seine eigene Initiative das Gebiet dieser Werkstatt aus und entwickelte es zur Bauhausbühne, die ein glänzendes Lern- und Experimentierfeld wurde." (zit. Maur 1979, S. 187). Wie kein anderer verkörpert Schlemmer die Idee des Gesamtkunstwerkes und setzt sich auf einzigartige Weise mit der Beziehung des Modernen Menschen zur Technik auseinander. Mit dem Umzug nach Breslau beginnt in Schlemmers Werk eine neue Phase, die er selbst als "Breslauer Barock" bezeichnet und aus der das vorliegende Aquarell, ein geneigter Frauenkopf im Profil, stammt. Meisterlich setzt der Künstler in unserem Werk die Besonderheiten des Aquarells ein, um mit der zarten Transparenz der Farben und den filigranen Schwingungen des Strichs ein ruhiges und berührendes Porträt zu schaffen. Durch die nur angedeutete Umgebung scheint der Kopf zu schweben; der Raum erzeugt eine atmosphärische Stimmung, ist aber kein übergreifendes Gerüst mehr. Schlemmer erkundet in unserem Aquarell die menschliche Gestalt als solche und befreit sie von allen physiognomischen und physischen Besonderheiten. Typisch für die 1930er Jahre wird die Figur nicht mehr von geometrischen Konturen bestimmt, sondern von einem weichen Rhythmus und wird durch die Durchdringung von Gestalt und Raum getragen. Unser Aquarell ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass Schlemmer keine unverletzlichen Kunstmenschen schafft, wie ihm oft vorgeworfen wird, sondern empfindsame Abbilder des "inneren Menschen". Oftmals wird Oskar Schlemmer ausschliesslich als Bauhäusler wahrgenommen. Die Ruhe und Zeit zum Malen, die ihm jedoch die Breslauer Akademie bietet, führt zu einer unglaublich kreativen Phase, die seinen bisherigen Stil zu einer reifen Vollendung bringt. Sein wohl bekanntestes und für die Kunst dieser Zeit wichtigstes Werk "Die Bauhaus-Treppe" stammt aus eben dieser Phase des Breslauer Barock.
CHF 160 000 / 250 000 | (€ 164 950 / 257 730)
Verkauft für CHF 180 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr