Lot 3020* - A210 Gemälde Alter Meister - Freitag, 20. September 2024, 14.00 Uhr
MATTHIAS STOMER
Gutachten:
- Gert Jan van der Sman, 23.12.2020.
Provenienz:
- Privatsammlung, 1953–1990.
- Kunsthandel Galerie Bruno Meissner, Zürich, 1991.
- Bei obiger erworben, Schweizer Privatsammlung.
Ausstellungen:
- Luzern 1994, Gemälde Alter und Moderner Meister, Galerie Fischer Luzern, 27.8–17.9.1994, Nr. 6.
Literatur:
- Henri Pauwels: De Schilder Matthias Stomer, in: Gentse Bijdragen tot de Kunstgeschiedenis, XIV, 1953, S. 153, 186, Abb. 3, S. 151.
- Benedict Nicolson: Stomer Brought Up-to-date, in: The Burlington Magazine, Bd. 119, Nr. 889, Special Issue in Honour of Benedict Nicolson, April 1977, S. 241, Nr. 54 (als “Christ at Emmaus (Christ in the center)”).
- Matthiesen Gallery: Around 1610. The Onset of the Baroque, London-Leicester, 1985, S. 107–110.
- Leonard J. Slatkes: Die Berufung des Matthäus, in: Holländische Malerei in neuem Licht. Hendrick ter Brugghen und seine Zeitgenossen, Ausst.–Kat. Braunschweig, 1986, S. 334–336, Nr. 75.
- Maria Teresa Penta: Un’ opra di Matthias Stomer a Napoli, in: Storia dell’arte, 69, 1990, S. 254, Fussnote 5.
- Benedict Nicolson: Caravaggism in Europe, second edition, revised and enlarged by Luisa Vertova (3 Bd.), Turin 1990, Bd. 1, S. 184.
- Ausst.-Kat. Gemälde Alter und Moderner Meister, hrsg. von Galerie Fischer Luzern, Luzern 1994, Nr. 6 (mit Abb.).
- Maurizio Marini: L’ultimo caravaggesco. Tre “cene in Emmaus” inedite dell’ olandese Matthias Stomer, tardo seguace del maestro e del naturalismo “a luce di candela”, in: Quadri & sculture, 5, 1997, 27, S. 43, Abb. S. 41.
- Gert Jan van der Sman: Naples and Southern Italy: Late Caravaggio and his Followers, in: G.J. van der Sman (Hrsg.): Caravaggio and the Painters of the North, Ausst. Kat. Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza, 2016, S. 179, Abb. 55 (auch auf S. 196 Fussnote 1, unter Kat.-Nr. 53 erwähnt; Artikel von Giuseppe Porzio).
Das Thema ist eines der bedeutendsten in der Malerei der katholischen Gegenreformation, die, genährt vom Konzil von Trient, eine neue Religionspolitik einführte und die Realpräsenz Christi in der Eucharistie bekräftigte. Stomer hält sich eng an den Text des Lukas-Evangeliums (Lucas 24:30-31), der berichtet, wie zwei Jünger Christus auf dem Weg nach Emmaus begegneten, einem Dorf in der Nähe von Jerusalem, ihn aber nicht sofort erkannten. In Emmaus drängten sie ihn, bei ihnen zu bleiben und mit ihnen zu essen. Während des Abendmahls nahm Christus das Brot, dankte, brach es und begann es zu verteilen. Erst da wurden den Jüngern die Augen geöffnet, und sie verstanden, dass er der Auferstandene war.
Der Jünger, der sich nach vorne beugt, wirft einen starken Schatten auf den Tisch, der mit einer Vielzahl von Gegenständen bedeckt ist, eine Form des Naturalismus, der von den zeitgenössischen Betrachtern sehr geschätzt wurde. Während Christus das Brot segnet, ist der linke, von hinten sichtbare Jünger im Begriff, von seinem Stuhl aufzuspringen, ein Motiv, das von Caravaggios (1571–1610) früher Darstellung des Abendmahls in Emmaus inspiriert ist, welche 1601 im Auftrag von Ciriaco Mattei entstand und sich heute in der National Gallery in London befindet (Inv.-Nr. NG 172, siehe Abb. 1). Caravaggio, der das chiaroscuro, eine dramatische Hell-Dunkel-Führung von Licht und Schatten, und eine äusserst realitätsnahe Darstellung von Heiligen in die Malerei eingeführt hatte, hinterliess insbesondere bei Malern aus den Niederlanden einen tiefen Eindruck und auch Stomer war Teil dieses Kreises von Caravaggisten in Rom.
Dieses imposante Gemälde bietet eine spannende Interpretation eines Themas, das von Caravaggio und seinen Anhängern sehr geschätzt wurde. Stomer selbst, der neben historischen und mythologischen Themen hauptsächlich religiöse Motive, insbesondere Szenen aus dem Leben Christi, malte, griff das Thema des Christus in Emmaus um 1633–40, während seines Aufenthalts in Neapel und anschliessend als er sich in Palermo aufhielt, mehrmals auf und erforschte damit systematisch die Möglichkeit unterschiedlicher künstlerischer Lichteffekte. Eine frühe, um 1635–40 entstandene, Version befindet sich heute im Museo di Capodimonte in Neapel (Inv.-Nr. Q197), eine weitere befindet sich im Musée de Grenoble (Inv.-Nr. MG82, siehe Abb. 2).
Während die Forschung des 20. Jahrhunderts von einer Entstehung des hier angebotenen Gemäldes in Rom um 1620–1632 oder in Neapel um 1633–1639 ausging, geht die jüngere Forschung von einer Entstehung um 1640 in der sizilianischen Schaffensphase Stomers aus (siehe Literatur). In Sizilien zwischen 1640 und 1643 tätig, wurde Stomer so grosszügig gefördert wie nie zuvor und diese Zeit erwies sich als die glorreichste seiner gesamten Laufbahn. Typisch für die monumentalen Werke dieser Schaffensphase ist die sorgfältige Verteilung der Figuren auf der Bildfläche und die Verwendung einer breiten Farbpalette, die durch eine reiche pastose Hervorhebung der Gesichter und Hände der Hauptfiguren belebt wird. Das Interesse des Malers an der Kunst von Peter Paul Rubens (1577–1640) dürfte in dieser Zeit eine grosse Rolle für Stomer gespielt haben. Tatsächlich scheint der Maler bei der hier angebotenen Version bewusst nach grosser Klarheit und Monumentalität zu streben. In diesem Fall dürfte Willem Swanenburgs (1500–1612) Stich nach Rubens’ Abendmahl in Emmaus von 1611 (Rijksmuseum, Inv.-Nr RP-P-OB-103.683, siehe Abb. 3) Stomer bekannt gewesen sein. Die Details, die Stomer am meisten in Rubens’ Komposition auffielen, waren der Kopf Christi, die Hintergrundfigur des Dieners, der einen Teller hält, das Motiv des schweren Mantels, der über die Schultern des rechts sitzenden Jüngers hängt, und die kunstvolle Frisur des Jüngers auf der anderen Seite des Tisches. Stomer hat diese Elemente sehr geschickt in seinen eigenen naturalistischen Stil übersetzt.
Die Utrechter Schule, eine hochkarätige Brutstätte des europäischen Caravaggismus, schöpfte ihre Kraft aus Rom, wo Hendrick ter Brugghen (1588–1629), Dirk van Baburen (1595–1624) und Gerrit van Honthorst (1592–1656) die Kunst des Meisters studierten. Auch Matthias Stomer, der zu den bedeutendsten niederländischen Malern zählt, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Italien tätig waren, reiste nach Rom, um die Kunst Caravaggios zu studieren. Er erhielt seine Ausbildung vermutlich in Utrecht, da der Einfluss der Utrechter Maler Abraham Bloemaert (1564–1651) und Gerrit van Honthorst in seinem Œuvre deutlich wird. Spätestens 1630 reiste er nach Rom, wo er mit rund dreissig Jahren nachweisbar ist. Ursprünglich nur zur Ausbildung nach Italien gekommen, kehrte Stomer nie wieder in die Niederlande zurück und liess sich schliesslich in Norditalien nieder.
Das Abendmahl in Emmaus zeichnet sich durch die Leichtigkeit aus, mit der Matthias Stomer seine Treue zum Naturalismus Caravaggios mit seiner Sensibilität für das Brio des grossen Barockstils von Rubens verbindet. Das Gemälde ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie der Letzte der grossen Caravaggisten diese Synthese mit voller Meisterschaft und greifbarem Selbstvertrauen zu erreichen vermochte.
Das Gemälde ist im RKD, Den Haag, unter der Nummer 229064 als ein eigenhändiges Werk von Matthias Stomer archiviert.
STOMERS DRAMATISCHES ABENDMAHL
"DIE GANZE KOMPOSITION LÄDT EINFACH EIN".
Matthias Stomers brillante Darstellung des Abendmahls in Emmaus ist ein herausragendes Beispiel für den Einfluss von Caravaggio in der nordeuropäischen Malerei.
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