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Lot 3235 - A209 Impressionismus & Moderne - Freitag, 21. Juni 2024, 17.00 Uhr

MARIANNE VON WEREFKIN

(Tula 1860–1938 Ascona)
Romantische Landschaft mit Reitern. Um 1915.
Öl und Tempera auf Holz.
Unten rechts monogrammiert: MW.
56,5 × 74,4 cm.


Provenienz:
- Galerie & Edition Schlégl, Zürich.
- Sammlung Bühler, Landhaus Waldbühl, Uzwil, am 20.12.1972 in obiger Galerie erworben.

"Dass Kinder und einfache Menschen meine Bilder mehr lieben und begreifen als falsch geschulte, ist mir eine Freude, für die Einfachen sind ja meine Bilder bestimmt. Aber sie haben auch die Fähigkeit verschulte Menschen dem reinen menschlichen Empfinden zu gewinnen…Mit meinen Bildern muss man kämpfen. Sie sind nicht ein Wandschmuck, sie sind eine strenge Sprache, die das Gewissen weckt…Ich rede nur, wenn was zu sagen ist…Menschen, die nie mit der Urwahrheit des Seins in Conflikt gestanden sind. Wie können sie die Tragik des Seins erfassen in einer Sache, die sie gewohnt sind, als "Kunstwerk" zu bezeichnen. Meine Bilder sind ernst, und wenn man nur wenig Nervensystem hat, kann man nicht gut vor ihnen Sandwiches kauen."
(Werefkin, 18.11.1928, in: Fäthke, München 2001, S. 188).

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, flüchten Werefkin und Jawlensky in die Schweiz, wo sie sich vorerst in St. Prex niederlassen. In dieser kleinen Gemeinde am Genfersee entsteht auch das vorliegende Werk. Werefkin, als Bestandteil der Gruppe des Blauen Reiters, orientiert sich gleichzeitig an der Malerei des Symbolismus und wird inspiriert durch die farbgewaltigen Werke von Gauguin, den Nabis, van Gogh, Edvard Munch und Ferdinand Hodler.

Das zur Auktion kommende Werk ist ein fantastisches Beispiel für Werefkins einzigartiges Kunstverständnis und vereint verschiedene biografische wie künstlerische Aspekte. Als Geflüchtete in St. Prex, ein Ort, der offensichtlich nur als Zwischenstation diente, und indem sie zusammen mit Jawlensky, zwei Dienstmädchen und dem Kind Jawlenskys (die Mutter ist eines der Dienstmädchen) in einer ungewohnt kleinen Wohnung, mit einer aufgrund des Krieges halbierten Pension und einem über die Gesamtsituation jammernden Jawlensky lebte, muss für Werefkin schwierig gewesen sein. Diese Grundstimmung und das Unheil des Krieges transportiert sie auf eine fesselnde Weise in ihre Gemälde dieser Zeit.

Werefkin gelingt es in "Romantische Landschaft mit Reitern" eine Art Oxymoron zu konstruieren – eine apokalyptische Märchenwelt, in der sowohl das Düstere als auch das Freudige Platz findet. Die stimmungsvolle Hügellandschaft, die von Bäumen gesäumt wird und in dessen Mitte in weiter Ferne das Märchenschloss sitzt, überzeugt unter anderem durch kontrastreiche Farben, die in vibrierender Manier auf den Holzuntergrund aufgetragen sind. Die Entscheidung, nicht-naturalistische Farben zu verwenden, zeigt das gemeinsame Bestreben von Werefkin und anderen Symbolisten, die Farbe von ihrer rein beschreibenden Funktion in der Malerei zu befreien. Stattdessen wird danach gestrebt, die äussere Welt mit der subjektiven Wahrnehmung des Künstlers zu verschmelzen. Auf diese Weise vertieft Werefkin die persönliche, menschliche Bindung, die ihr Werk durchzieht.

Besonders speziell und für die Künstlerin exemplarisch ist die Wahl der verdrehten Perspektive, die in ihrer Anwendung stark an die Gemälde Edvard Munchs erinnert. Durch die geschwungenen Farbflächen, die alle in die Mitte münden, verstärkt sich das Gefühl, von der Landschaft verschlungen zu werden.

Ein wunderbares Detail, welches ebenfalls grosse Interpretationsfläche bietet, ist die Darstellung der Reiter in dem Bild. Der Reiter als etabliertes Hauptsymbol der Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" steht für Freiheit per se. Er repräsentiert die ständige Bewegung und die Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen. Auf dem Werk sind zwei Reiterpaare zu sehen; das Reiterpaar oben links, ganz klein auf dem höchsten Hügel stehend, steht am Anfang seiner Reise. Das zweite Paar, womöglich dasselbe, aber in der Zukunft, galoppiert auf seinen Pferden die Strasse entlang in Richtung des Schlosses, ohne zu wissen, wie lange der Weg noch dauert. Ob es sich dabei vielleicht um Werefkin und Jawlensky selber handelt, die trotz schwieriger Umstände stets rastlos auf der Suche nach neuer künstlerischer Stimulation sind, oder vielleicht doch um die vier apokalyptischen Reiter, die den Untergang der Welt ankündigen, sei den Betrachtenden selbst überlassen.

REITER VOR DER EWIGKEIT


ROMANTISCHE LANDSCHAFT MIT REITERN: MARIANNE VON WEREFKIN

Jara Koller präsentiert eines ihrer Lieblingswerke in der Auktion, eine Landschaft mit Reitern von Marianne von Werefkin.


CHF 100 000 / 150 000 | (€ 103 090 / 154 640)

Verkauft für CHF 475 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr