Lot 1008 - A204 Decorative Arts - Donnerstag, 30. März 2023, 10.00 Uhr
EMAIL RELIQUIENKÄSTCHEN SOG. "CHÂSSE"
Gotisch, Limoges, 2. Hälfte 13. Jh.
Kupfer graviert und feuervergoldet sowie Email champlevé in Blau, Weiss und Rot. Rechteckiger Korpus auf flächigen Eckstollenfüssen und mit aufklappbarem Giebeldach. Umlaufendes Dekor in Form von stilisierten Ranken sowie Engelsbüsten in kreisförmigen Medaillons. Die Frontseite des Deckels zeigt Stationen aus dem Leben Marias: Verkündigung durch den Engel, Heimsuchung, Geburt Mariens, Maria mit Kind sowie der Flucht nach Ägypten. Der Deckel bekrönt von 5 Aufsatzkugeln, zwei davon in Bergkristall (eventuell später ersetzt). Die mittlere mit Kreuz bekrönt. Späteres Schloss und Durchbrechnung für Schlüssel. Schliesse in einem Schlangenkopf endend. Die Bodenunterseite mit Inventarnummer O.2 in Rot.
20,5 × 8 × 15,5 cm.
Vergoldung teils berieben, mehrere Fehlstellen im Email. Schlüssel fehlt. Verschlusshaspel sowie Aufsatzkreuz spätere Ergänzungen.
Provenienz:
- Ehemals Sammlung Ole Olsen Kopenhagen.
- Auktion Winkel & Magnusson, Kopenhagen, Mai 1953. Lot 72.
- Durch Schenkung und Erbschaft zum heutigen Besitzer.
Die Kunst des Email champlevé erlebte in der Region Limoges im 12. bis 14. Jahrhundert eine grosse Blüte. Während davor hauptsächlich kleinere emaillierte Plaketten auf vergoldete und gravierte Kupfertafeln appliziert wurden, emaillierte man ab dem ausgehenden 12. Jahrhundert mehr die flächigen Stellen, die figürlichen Darstellungen hingegen erschienen ziseliert im vergoldeten Kupferkern.
Die Reliquienverehrung erlebte im frühen Mittelalter eine Blütezeit. Sie basiert auf der Annahme der Unvergänglichkeit des Leibes Christi und dem Glauben an besondere Kräfte der Überreste von Märtyrern und Heiligen – überliefert in sogenannten Mirakelberichten, die viel von der Religiosität und den Heilsvorstellungen jener Epoche vermitteln. Für die Aufbewahrung der als Reliquien verehrten Knochensplittern, Textilfragmente oder Splitter des Kreuzes Christi wurden schöne und wertvoll gearbeitete Schatullen und Gefässe verwendet, teils spezifisch in der Form auf die jeweilige Reliquie ausgestaltet (Kreuzreliquiare, Ostensorien, etc.).
Form und Zierwerk des hier angebotenen Reliquienkästchens sind typisch für die zweite Hälfte des 13. Jh. Das Motiv der Engelsbüsten in Blattranken findet sich verschiedentlich auf Limousiner Arbeiten, was auf eine gewisse Standardisierung der Produktion hinweist. So sind ähliche Kästchen in den Kirchen von Aixe-sur-Vienne (Haute-Vienne), Lamontjoie (Lot-et-Garonne), Lunegarde (Lot) erhalten. Erwähnenswert und selten ist die Darstellung der Geburt Christi; Maria liegt dabei in einem Bett, in einer Schale darüber sitzen ein Ochse und ein Esel, als Symbole für die Geburt in der Krippe.
Die vergoldeten und emaillierten Kupfertafeln wurden zumeist auf einen Holzkern geschlagen, weniger häufig sind Reliquienschreine, bei denen die Kupferplatten direkt zusammengefügt wurden. Ein in Konstruktion und Dekor verwandtes Kästchen wurde im Rahmen der Auktion der Keir Collection von Sotheby's in New York versteigert: Keir Collection (Sotheby's, New York, 20 November 1997, lot 93). Ein weiteres Vergleichsstück wurde verkauft bei: Christie's, Sale 2797, Anton Philips, Entrepreneur & Connoisseur, Amsterdam, 6 November 2007, Lot 148. Ein anderes sehr vergleichbares Stück aus privater Sammlung bei: Pietro Lorenzelli e Alberto Veca. Tra/E. Teche, pissidi, cofani e forzieri d'all alto Medioevo al Barocco. S. 57.
Das hier angebotene Reliquiar zählte einst zur umfangreichen Kunstsammlung des dänischen Filmproduzenten Ole Olsen (1863–1943) in Kopenhagen. Olsen gründete 1906 die Nordisk Film A/S, heute die älteste bestehende Filmproduktionsgesellschaft der Welt. Ein Teil der Sammlung des 1943 verstorbenen Olsen - so auch der hier angebotene Reliquienschrein - wurde1953 bei Winkel & Magnusson in Kopenhagen versteigert. Der exzentrische Filmproduzent liess sich bei Esterhøj einen Grabhügel in Winkinger Art errichten, wo er zusammen mit einem kleineren Teil seiner Sammlung bestattet wurde.
Literatur:
- Hermann Schmitz. Generaldirektor Ole Olsens Kunstsamlinger, München 1924, Bd. 1, Nr. 2, Abbildung Tafel III.
- Winkel & Magnussen Eds. Kunst i private Eje. S. 2, Abb. 2).
- Auktion Winkel & Magnusson, Kopenhagen, Mai 1953. Lot 72.
Vergleichende Literatur:
- Marie Madeleine S. Gauthier. Emaux Limousins champlevés des XIIe XIIIe & XIVe siècles. Paris 1950.
- Marie-Madeleine Gauthier and Geneviève François. Medieval Enamels. Masterpieces from the Keir Collection. London 1981. No. 28. S. 25 und Abb. 28, Figure 6.
Provenienz:
- Ehemals Sammlung Ole Olsen Kopenhagen.
- Auktion Winkel & Magnusson, Kopenhagen, Mai 1953. Lot 72.
- Durch Schenkung und Erbschaft zum heutigen Besitzer.
Die Kunst des Email champlevé erlebte in der Region Limoges im 12. bis 14. Jahrhundert eine grosse Blüte. Während davor hauptsächlich kleinere emaillierte Plaketten auf vergoldete und gravierte Kupfertafeln appliziert wurden, emaillierte man ab dem ausgehenden 12. Jahrhundert mehr die flächigen Stellen, die figürlichen Darstellungen hingegen erschienen ziseliert im vergoldeten Kupferkern.
Die Reliquienverehrung erlebte im frühen Mittelalter eine Blütezeit. Sie basiert auf der Annahme der Unvergänglichkeit des Leibes Christi und dem Glauben an besondere Kräfte der Überreste von Märtyrern und Heiligen – überliefert in sogenannten Mirakelberichten, die viel von der Religiosität und den Heilsvorstellungen jener Epoche vermitteln. Für die Aufbewahrung der als Reliquien verehrten Knochensplittern, Textilfragmente oder Splitter des Kreuzes Christi wurden schöne und wertvoll gearbeitete Schatullen und Gefässe verwendet, teils spezifisch in der Form auf die jeweilige Reliquie ausgestaltet (Kreuzreliquiare, Ostensorien, etc.).
Form und Zierwerk des hier angebotenen Reliquienkästchens sind typisch für die zweite Hälfte des 13. Jh. Das Motiv der Engelsbüsten in Blattranken findet sich verschiedentlich auf Limousiner Arbeiten, was auf eine gewisse Standardisierung der Produktion hinweist. So sind ähliche Kästchen in den Kirchen von Aixe-sur-Vienne (Haute-Vienne), Lamontjoie (Lot-et-Garonne), Lunegarde (Lot) erhalten. Erwähnenswert und selten ist die Darstellung der Geburt Christi; Maria liegt dabei in einem Bett, in einer Schale darüber sitzen ein Ochse und ein Esel, als Symbole für die Geburt in der Krippe.
Die vergoldeten und emaillierten Kupfertafeln wurden zumeist auf einen Holzkern geschlagen, weniger häufig sind Reliquienschreine, bei denen die Kupferplatten direkt zusammengefügt wurden. Ein in Konstruktion und Dekor verwandtes Kästchen wurde im Rahmen der Auktion der Keir Collection von Sotheby's in New York versteigert: Keir Collection (Sotheby's, New York, 20 November 1997, lot 93). Ein weiteres Vergleichsstück wurde verkauft bei: Christie's, Sale 2797, Anton Philips, Entrepreneur & Connoisseur, Amsterdam, 6 November 2007, Lot 148. Ein anderes sehr vergleichbares Stück aus privater Sammlung bei: Pietro Lorenzelli e Alberto Veca. Tra/E. Teche, pissidi, cofani e forzieri d'all alto Medioevo al Barocco. S. 57.
Das hier angebotene Reliquiar zählte einst zur umfangreichen Kunstsammlung des dänischen Filmproduzenten Ole Olsen (1863–1943) in Kopenhagen. Olsen gründete 1906 die Nordisk Film A/S, heute die älteste bestehende Filmproduktionsgesellschaft der Welt. Ein Teil der Sammlung des 1943 verstorbenen Olsen - so auch der hier angebotene Reliquienschrein - wurde1953 bei Winkel & Magnusson in Kopenhagen versteigert. Der exzentrische Filmproduzent liess sich bei Esterhøj einen Grabhügel in Winkinger Art errichten, wo er zusammen mit einem kleineren Teil seiner Sammlung bestattet wurde.
Literatur:
- Hermann Schmitz. Generaldirektor Ole Olsens Kunstsamlinger, München 1924, Bd. 1, Nr. 2, Abbildung Tafel III.
- Winkel & Magnussen Eds. Kunst i private Eje. S. 2, Abb. 2).
- Auktion Winkel & Magnusson, Kopenhagen, Mai 1953. Lot 72.
Vergleichende Literatur:
- Marie Madeleine S. Gauthier. Emaux Limousins champlevés des XIIe XIIIe & XIVe siècles. Paris 1950.
- Marie-Madeleine Gauthier and Geneviève François. Medieval Enamels. Masterpieces from the Keir Collection. London 1981. No. 28. S. 25 und Abb. 28, Figure 6.
CHF 40 000 / 70 000 | (€ 41 240 / 72 160)
Verkauft für CHF 61 300 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr