Lot 3003 - A202 Gemälde Alter Meister - Freitag, 23. September 2022, 14.00 Uhr
FLORENZ, UM 1450
Seitenbild einer Cassonetruhe mit Szene aus Ovids Metamorphosen: Pyramus und Thisbe.
Tempera auf Holz.
48 × 48,8 cm.
Provenienz:
- Ehemals Privatsammlung der Familie Mario und Giuseppe Bellini, um 1900–1930.
- Auktion Koller, Zürich, 18.9.2015, Los 3005.
- Schweizer Privatbesitz.
Diese Seitenbilder einer florentinischen Hochzeitstruhe (Los 3003 und 3004) erzählen beide Episoden zweier tragischer Liebesgeschichten aus der griechischen Mythologie, wie sie von Ovid in seinen Metamorphosen magistral zusammengefasst wurden.
Das eine Bild erzählt die grauenvolle Tragik der beiden Geliebten Pyramus und Thisbe, die beide durch einen tragischen Irrtum Selbstmord begehen und so ihre Liebe unter Beweis stellen: Pyramus und Thisbe vereinbarten ein nächtliches Treffen unter einem Maulbeerbaum, um Babylon für immer hinter sich zu lassen. Thisbe, die früher als Pyramus bei dem Maulbeerbaum eintrifft, flüchtet vor einer Löwin, die an einer Quelle trinkt und vom Fressen gerissenen Viehs noch ein blutiges Maul hat. Dabei verliert Thisbe ihren Schleier, der von der Löwin zerrissen und mit Blut beschmiert wird. Als Pyramus erscheint, findet er den zerrissenen, blutgetränkten Schleier, nimmt an, dass Thisbe von der Löwin getötet worden sei und stürzt sich daher unter dem Maulbeerbaum in sein Schwert. Als Thisbe zurückkehrt, findet sie den sterbenden Geliebten, ist überwältigt von ihren Tränen und ihrer Liebe und stürzt sich ebenfalls in dessen noch warmes Schwert. Das Blut der Liebenden benetzt die Wurzeln des Maulbeerbaums.
Das andere Bild schildert knapp das ebenfalls in Tragik endende Liebesabenteuer des Sonnengottes Apollo mit der ihn verschmähenden Nymphe Daphne: Von Amors Pfeil getroffen, gerät Apollo in einen Liebestaumel zur wunderschönen Nymphe Daphne. Seine allerdings nicht erwiderte Liebe zu Daphne treibt ihn zum Wahnsinn, und er stellt ihr unerbittlich nach. Um sich Apollos Liebe zu entziehen, lässt sich Daphne in einen Lorbeerbaum verwandeln, aber auch dieses Unterfangen kann Apollo nicht von seiner Liebe abhalten, weshalb er seinen verwandelten Lorbeerbaum weiter liebkost und den daraus geflochtenen Lorbeerkranz zu seinem Heiligtum erhebt.
Zweifellos waren die beiden Seitenbilder einer Hochzeitstruhe Elemente eines grösseren, der Passion der Liebe gewidmeten Zyklus und könnten – gleich wie ein Cassone mit ähnlicher Thematik im Victoria and Albert Museum in London (Inv.-Nr. 4639-1858) – auf der Cassonefront Petrarcas Trionfi verbildlicht haben. Die dort angesprochenen Trionfi sind Allegorien auf Liebe, Keuschheit und Tod, Aspekte, die auch auf den Seitenbildern hier thematisiert sind.
Vermutlich handelt es sich hier um einen der auf die Cassonemalerei spezialisierten florentinischen Maler, welche die Bilderfindungen der führenden Meister vereinfacht umsetzten. Die auf die Herstellung und Bemalung diverser Objekte zum häuslichen Gebrauch spezialisierte Berufsschicht der sogenannten ‚Cofanai' und ‚Forzerinai' arbeiteten in unmittelbarer Nähe zu den grossen Künstlern, die auch selbst gelegentlich die Produktion dieser handwerklich geprägten Arbeiten übernahmen. Die Werkstätten der ‚Cofanai' waren deshalb oftmals in unmittelbarer Nähe jener ihrer Korrespondenten.
Dass unser florentinischer Maler die berühmteren Vorgaben kannte, zeigen verschiedene Bilder gleicher Thematik, in denen in der gleichen Epoche gegen 1450 die thematischen Vorgaben auf sehr ähnliche Weise umgesetzt wurden. Dies gilt im Fall der Pyramus und Thisbe Tafel für das Exemplar im Victoria and Albert Museum, das bezüglich der Komposition relevant ist, ebenso wie die einst im Dayton Art Institute in North Dayton, Ohio (vgl. B. B. Fredericksen / Federico Zeri: Census of Pre-Nineteenth-Century Italian Paintings in North American Public Collections, Cambridge (Mass.) 1972, S. 222) heute in Privatbesitz befindliche Tafel. Die Darstellung von Apollo und Daphne findet ihre (seitenverkehrte) Entsprechung in der Tafel aus der Umgebung des Meisters des Parisurteils im Barber Institute of Arts in Birmingham (Inv.-Nr. 50.7b).
Wir danken Prof. Gaudenz Freuler für seine wissenschaftliche Unterstützung bei der Katalogisierung dieses Gemäldes.
- Ehemals Privatsammlung der Familie Mario und Giuseppe Bellini, um 1900–1930.
- Auktion Koller, Zürich, 18.9.2015, Los 3005.
- Schweizer Privatbesitz.
Diese Seitenbilder einer florentinischen Hochzeitstruhe (Los 3003 und 3004) erzählen beide Episoden zweier tragischer Liebesgeschichten aus der griechischen Mythologie, wie sie von Ovid in seinen Metamorphosen magistral zusammengefasst wurden.
Das eine Bild erzählt die grauenvolle Tragik der beiden Geliebten Pyramus und Thisbe, die beide durch einen tragischen Irrtum Selbstmord begehen und so ihre Liebe unter Beweis stellen: Pyramus und Thisbe vereinbarten ein nächtliches Treffen unter einem Maulbeerbaum, um Babylon für immer hinter sich zu lassen. Thisbe, die früher als Pyramus bei dem Maulbeerbaum eintrifft, flüchtet vor einer Löwin, die an einer Quelle trinkt und vom Fressen gerissenen Viehs noch ein blutiges Maul hat. Dabei verliert Thisbe ihren Schleier, der von der Löwin zerrissen und mit Blut beschmiert wird. Als Pyramus erscheint, findet er den zerrissenen, blutgetränkten Schleier, nimmt an, dass Thisbe von der Löwin getötet worden sei und stürzt sich daher unter dem Maulbeerbaum in sein Schwert. Als Thisbe zurückkehrt, findet sie den sterbenden Geliebten, ist überwältigt von ihren Tränen und ihrer Liebe und stürzt sich ebenfalls in dessen noch warmes Schwert. Das Blut der Liebenden benetzt die Wurzeln des Maulbeerbaums.
Das andere Bild schildert knapp das ebenfalls in Tragik endende Liebesabenteuer des Sonnengottes Apollo mit der ihn verschmähenden Nymphe Daphne: Von Amors Pfeil getroffen, gerät Apollo in einen Liebestaumel zur wunderschönen Nymphe Daphne. Seine allerdings nicht erwiderte Liebe zu Daphne treibt ihn zum Wahnsinn, und er stellt ihr unerbittlich nach. Um sich Apollos Liebe zu entziehen, lässt sich Daphne in einen Lorbeerbaum verwandeln, aber auch dieses Unterfangen kann Apollo nicht von seiner Liebe abhalten, weshalb er seinen verwandelten Lorbeerbaum weiter liebkost und den daraus geflochtenen Lorbeerkranz zu seinem Heiligtum erhebt.
Zweifellos waren die beiden Seitenbilder einer Hochzeitstruhe Elemente eines grösseren, der Passion der Liebe gewidmeten Zyklus und könnten – gleich wie ein Cassone mit ähnlicher Thematik im Victoria and Albert Museum in London (Inv.-Nr. 4639-1858) – auf der Cassonefront Petrarcas Trionfi verbildlicht haben. Die dort angesprochenen Trionfi sind Allegorien auf Liebe, Keuschheit und Tod, Aspekte, die auch auf den Seitenbildern hier thematisiert sind.
Vermutlich handelt es sich hier um einen der auf die Cassonemalerei spezialisierten florentinischen Maler, welche die Bilderfindungen der führenden Meister vereinfacht umsetzten. Die auf die Herstellung und Bemalung diverser Objekte zum häuslichen Gebrauch spezialisierte Berufsschicht der sogenannten ‚Cofanai' und ‚Forzerinai' arbeiteten in unmittelbarer Nähe zu den grossen Künstlern, die auch selbst gelegentlich die Produktion dieser handwerklich geprägten Arbeiten übernahmen. Die Werkstätten der ‚Cofanai' waren deshalb oftmals in unmittelbarer Nähe jener ihrer Korrespondenten.
Dass unser florentinischer Maler die berühmteren Vorgaben kannte, zeigen verschiedene Bilder gleicher Thematik, in denen in der gleichen Epoche gegen 1450 die thematischen Vorgaben auf sehr ähnliche Weise umgesetzt wurden. Dies gilt im Fall der Pyramus und Thisbe Tafel für das Exemplar im Victoria and Albert Museum, das bezüglich der Komposition relevant ist, ebenso wie die einst im Dayton Art Institute in North Dayton, Ohio (vgl. B. B. Fredericksen / Federico Zeri: Census of Pre-Nineteenth-Century Italian Paintings in North American Public Collections, Cambridge (Mass.) 1972, S. 222) heute in Privatbesitz befindliche Tafel. Die Darstellung von Apollo und Daphne findet ihre (seitenverkehrte) Entsprechung in der Tafel aus der Umgebung des Meisters des Parisurteils im Barber Institute of Arts in Birmingham (Inv.-Nr. 50.7b).
Wir danken Prof. Gaudenz Freuler für seine wissenschaftliche Unterstützung bei der Katalogisierung dieses Gemäldes.
CHF 12 000 / 18 000 | (€ 12 370 / 18 560)
Verkauft für CHF 24 700 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr