Lot 3001* - A198 Gemälde Alter Meister - Freitag, 01. Oktober 2021, 14.00 Uhr
PERE LEMBRI
(tätig in Morella und Tortosa um 1399–1421)
Apostel Matthäus. Um 1410.
Öl auf Holz.
Auf Schriftrolle bezeichnet: Sanctam ecclesiam catolicam santorum comunionem.
111,7 × 48 cm.
Provenienz:
- Dr. E. Tüscher, Nr. 43 (verso mit Etikett).
- Privatsammlung Salzburg.
- Europäischer Privatbesitz.
Mit einer ausführlichen kunsthistorischen Analyse von Prof. Dr. Gaudenz Freuler, August 2021.
Vorliegende auf Goldgrund gemalte Tafel zeigt einen in einen roten Mantel gekleideten heiligen Apostel mittleren Alters. Er erscheint auf einer Blumenwiese, die im Hintergrund von einem dunkeln Wald hinterfangen wird. In seiner Hand hält er als Zeichen seines Martyriums ein Messer, während er mit seiner rechten Hand eine Schriftrolle hält, die das neunte Glaubensbekenntnis ([Credo in] sanctam ecclesiam catolicam santorum comunionem) enthält. Ohne Kenntnis des zyklischen Zusammenhangs dieser bislang unveröffentlicht gebliebenen Tafel müsste uns die Identität des Apostels verschlossen bleiben. Es handelt sich um den Apostel Matthäus, der zuweilen, wie hier, nicht mit seinem Evangelisten Symbol, dem Engel, sondern mit einem Dolch oder Messer dargestellt wird. Dies begründet sich damit, dass Matthäus mitunter mit Legenden in Zusammenhang gebracht wurde, laut denen er – im Gegensatz zu jenen, die ihm einen natürlichen Tod zuschreiben – erdolcht worden sei. Die grosse, nach den eleganten ästhetischen Prinzipien der internationalen Gotik gemalte, sich durch beschwingt fliessende Draperien und ein markantes, etwas kantiges, leicht mürrischen Antlitz auszeichnende Apostelfigur des Matthäus kann schlüssig der Hand des spanischen Malers Pere Lembrí zugewiesen werden. Ursprünglich wurde sein Œuvre unter dem Notnamen des Meisters von Albocàsser geführt, dem Chandler Rathfon Post eine Werkgruppe zugewiesen hatte (siehe Chandler Rathfon Post: A History of Spanish Painting, Bd. III: The Italo-Gothic and International Style, Cambridge, Mass. 1930, S. 112 ff.). A. José i Pitarch gelang es 1987 und 2004 überzeugend den Künstler Pere Lembri zu identifizieren (zitiert in: Josep Guidiol und Santiago Alcolea i Blanch: Pintura Gotica Catlana, Barcelona 1987, S. 109–111 und Ausst.-Kat. Una memoria concreta, Pere Lembrí: Pintor de Morella y Tortosa (1399–1421), hrsg. von Antoni José I Pitarch, Morella 2004, S. 20 ff.)
Über Lembrís frühe Karriere ist wenig bekannt, obwohl traditionell angenommen wird, dass er in der Werkstatt von Lluís Borrassà (um 1360–um 1426), einem führenden katalanischen Maler des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts, ausgebildet wurde. Ab 1399 ist Lembrí durchwegs in der Region Maestrazgo dokumentiert, hauptsächlich in den Städten Morella und Tortosa, wo er als höchst produktiver und hoch bezahlter Maler großformatiger Retabel in Erscheinung trat (siehe Nicholas Herman, in: Late Medieval Panel Paintings, hrsg. von Susie Nash, Bd. II, London 2015, S. 15–16). Allerdings ist keiner seiner zahlreichen durch Archivdokumente überlieferten Grossaufträge sicher identifizierbar. Der jüngsten Ausstellung zu unserem Maler (siehe Pitarch, 2004) gelang es, einen Grossteil seines Œuvres auf aufgebrochene Altarwerke gigantischer Dimensionen zu verteilen.
Zu einem dieser riesigen hypothetisch, gleich wie arbiträr rekonstruierten Altarwerke (siehe Pitarch, 2004, S.187 ff.), nämlich zum grossen Altar des Credos, gehörte zweifellos auch das hier in Rede stehende Tafelbild mit dem Apostel Matthäus, dessen Schriftrolle sich auf das 9. Glaubensbekenntnis bezieht. Er fügt sich zyklisch, stilistisch, und was das Rahmenwerk und seine Dimensionen betrifft, nahtlos ein in die übrigen bisher bekannten Apostel Darstellungen, welche mit ihren Schriftrollen ebenfalls auf die Artikel des Credos hinweisen.
Diese vermutlich über die zwei untersten Geschosse des höchstwahrscheinlich fünfgeschossigen Altarwerks verteilten Apostel dürften jeweils nach den ihnen zugeordneten Artikel des Credos angeordnet gewesen sein, genauso wie die in der oberen Hälfte figurierenden Bilder der zwölf Glaubensbekenntnisse. Der Altar setzte offenbar ausführlich Raimondo Martìs textliche Vorlage seiner im katalanischen Gebiet verfassten und dort besonders beliebten Schrift des Apostel-Credos, der Explanatio simboli apostolorum ad institutionem fidelium (1256–57) ins Bild (siehe Joseph M. March: “En Ramón Martí et la seva Explanatio simboli apostolorum”, in: Anuari de l’Institut d’Estudis Catalans 1908, S. 442–496). Mit der Wiederentdeckung unseres Apostels steht die Identifikation von nunmehr fünf weiteren Tafeln mit den restlichen Aposteln aus. Nach Martìs Text müsste unser Apostel in der Apostelreihe an 9. Stelle figuriert haben. Dort verbindet Marti diesen mit Matthäus, sodass die Identität unserer Apostelfigur als Matthäus schlüssig gesichert ist. Dabei kann zyklisch wohl von 12 Aposteldarstellungen aber nicht von ebenso vielen Szenen für die zwölf Glaubensbekenntnisse ausgegangen werden. Diese Erkenntnisse müssten dereinst bei einem neuerlichen Versuch, dieses gigantische Altarwerk zu rekonstruieren, in die Überlegungen einfliessen. Die neu entdeckte, hier erstmals präsentierte Tafel mit dem Apostel Matthäus ist ein weiterer Schritt hin zu der Rekonstruktion eines der bedeutendsten Altarwerke Pere Lembrís und eines der Meisterwerke der spanischen Malerei der internationalen Gotik.
- Dr. E. Tüscher, Nr. 43 (verso mit Etikett).
- Privatsammlung Salzburg.
- Europäischer Privatbesitz.
Mit einer ausführlichen kunsthistorischen Analyse von Prof. Dr. Gaudenz Freuler, August 2021.
Vorliegende auf Goldgrund gemalte Tafel zeigt einen in einen roten Mantel gekleideten heiligen Apostel mittleren Alters. Er erscheint auf einer Blumenwiese, die im Hintergrund von einem dunkeln Wald hinterfangen wird. In seiner Hand hält er als Zeichen seines Martyriums ein Messer, während er mit seiner rechten Hand eine Schriftrolle hält, die das neunte Glaubensbekenntnis ([Credo in] sanctam ecclesiam catolicam santorum comunionem) enthält. Ohne Kenntnis des zyklischen Zusammenhangs dieser bislang unveröffentlicht gebliebenen Tafel müsste uns die Identität des Apostels verschlossen bleiben. Es handelt sich um den Apostel Matthäus, der zuweilen, wie hier, nicht mit seinem Evangelisten Symbol, dem Engel, sondern mit einem Dolch oder Messer dargestellt wird. Dies begründet sich damit, dass Matthäus mitunter mit Legenden in Zusammenhang gebracht wurde, laut denen er – im Gegensatz zu jenen, die ihm einen natürlichen Tod zuschreiben – erdolcht worden sei. Die grosse, nach den eleganten ästhetischen Prinzipien der internationalen Gotik gemalte, sich durch beschwingt fliessende Draperien und ein markantes, etwas kantiges, leicht mürrischen Antlitz auszeichnende Apostelfigur des Matthäus kann schlüssig der Hand des spanischen Malers Pere Lembrí zugewiesen werden. Ursprünglich wurde sein Œuvre unter dem Notnamen des Meisters von Albocàsser geführt, dem Chandler Rathfon Post eine Werkgruppe zugewiesen hatte (siehe Chandler Rathfon Post: A History of Spanish Painting, Bd. III: The Italo-Gothic and International Style, Cambridge, Mass. 1930, S. 112 ff.). A. José i Pitarch gelang es 1987 und 2004 überzeugend den Künstler Pere Lembri zu identifizieren (zitiert in: Josep Guidiol und Santiago Alcolea i Blanch: Pintura Gotica Catlana, Barcelona 1987, S. 109–111 und Ausst.-Kat. Una memoria concreta, Pere Lembrí: Pintor de Morella y Tortosa (1399–1421), hrsg. von Antoni José I Pitarch, Morella 2004, S. 20 ff.)
Über Lembrís frühe Karriere ist wenig bekannt, obwohl traditionell angenommen wird, dass er in der Werkstatt von Lluís Borrassà (um 1360–um 1426), einem führenden katalanischen Maler des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts, ausgebildet wurde. Ab 1399 ist Lembrí durchwegs in der Region Maestrazgo dokumentiert, hauptsächlich in den Städten Morella und Tortosa, wo er als höchst produktiver und hoch bezahlter Maler großformatiger Retabel in Erscheinung trat (siehe Nicholas Herman, in: Late Medieval Panel Paintings, hrsg. von Susie Nash, Bd. II, London 2015, S. 15–16). Allerdings ist keiner seiner zahlreichen durch Archivdokumente überlieferten Grossaufträge sicher identifizierbar. Der jüngsten Ausstellung zu unserem Maler (siehe Pitarch, 2004) gelang es, einen Grossteil seines Œuvres auf aufgebrochene Altarwerke gigantischer Dimensionen zu verteilen.
Zu einem dieser riesigen hypothetisch, gleich wie arbiträr rekonstruierten Altarwerke (siehe Pitarch, 2004, S.187 ff.), nämlich zum grossen Altar des Credos, gehörte zweifellos auch das hier in Rede stehende Tafelbild mit dem Apostel Matthäus, dessen Schriftrolle sich auf das 9. Glaubensbekenntnis bezieht. Er fügt sich zyklisch, stilistisch, und was das Rahmenwerk und seine Dimensionen betrifft, nahtlos ein in die übrigen bisher bekannten Apostel Darstellungen, welche mit ihren Schriftrollen ebenfalls auf die Artikel des Credos hinweisen.
Diese vermutlich über die zwei untersten Geschosse des höchstwahrscheinlich fünfgeschossigen Altarwerks verteilten Apostel dürften jeweils nach den ihnen zugeordneten Artikel des Credos angeordnet gewesen sein, genauso wie die in der oberen Hälfte figurierenden Bilder der zwölf Glaubensbekenntnisse. Der Altar setzte offenbar ausführlich Raimondo Martìs textliche Vorlage seiner im katalanischen Gebiet verfassten und dort besonders beliebten Schrift des Apostel-Credos, der Explanatio simboli apostolorum ad institutionem fidelium (1256–57) ins Bild (siehe Joseph M. March: “En Ramón Martí et la seva Explanatio simboli apostolorum”, in: Anuari de l’Institut d’Estudis Catalans 1908, S. 442–496). Mit der Wiederentdeckung unseres Apostels steht die Identifikation von nunmehr fünf weiteren Tafeln mit den restlichen Aposteln aus. Nach Martìs Text müsste unser Apostel in der Apostelreihe an 9. Stelle figuriert haben. Dort verbindet Marti diesen mit Matthäus, sodass die Identität unserer Apostelfigur als Matthäus schlüssig gesichert ist. Dabei kann zyklisch wohl von 12 Aposteldarstellungen aber nicht von ebenso vielen Szenen für die zwölf Glaubensbekenntnisse ausgegangen werden. Diese Erkenntnisse müssten dereinst bei einem neuerlichen Versuch, dieses gigantische Altarwerk zu rekonstruieren, in die Überlegungen einfliessen. Die neu entdeckte, hier erstmals präsentierte Tafel mit dem Apostel Matthäus ist ein weiterer Schritt hin zu der Rekonstruktion eines der bedeutendsten Altarwerke Pere Lembrís und eines der Meisterwerke der spanischen Malerei der internationalen Gotik.
CHF 30 000 / 50 000 | (€ 30 930 / 51 550)
Verkauft für CHF 36 900 (inkl. Aufgeld)
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