Lot 504 - A192 Buchmalerei & Autographen - Montag, 15. Juni 2020, 16.00 Uhr
Anonymer südfranzösischer Buchmaler.
Buchminiatur aus einem juristischen Kodex (Raimond von Pennaforts Decretales Gregorii IX?). Rechtsgelehrte und Kanoniker präsentieren dem Papst einen juristischen Text. Goldgehöhte und in Farben illuminierte Miniatur auf Pergament.
Avignon, ca. 1370-80. Bildmass 7,5 x 7,7 cm; Blattgrösse 8,5 x 9 cm. Unter Samt-Passepartout, geschnitzter Holzrahmen des 19. Jahrhunderts (17 x 18 cm).
Literatur:
- Manzari, Francesca. La miniatura ad Avignone al tempo dei Papi. Modena, 2006.
- Bilotta, Maria Alessandra. "Nuovi elementi per la storia della produzione e della circolazione dei manoscritti giuridici miniati nel Midi della Francia tra XIII e XIV secolo: alcuni frammenti e manoscritti ritrovati", in: Dies. (Hrsg.). Medieval Europe in motion. The circulation of artists, images, patterns and ideas from the Mediterranean to the Atlantic coast (6th-15th centuries). Palermo, 2018, S. 319-392.
Dieses bislang unveröffentlicht gebliebene Fragment einer juristischen Handschrift, zeigt vor einem Quadratmustergrund aus einem Diagonalnetz in Gold und Blau, einen auf einem räumlich wohl konstruierten Thron sitzenden Papst, wie er von einer Gruppe Rechtsgelehrten und Kanoniker ein mächtiges Manuskript in Empfang nimmt. Die Zugehörigkeit zu einem aufgebrochenen juristischen Codex ergibt sich aus der Ikonographie des Bildes und dem Text der Rückseite.
Da es sich bei den das Buch übergebenden Persönlichkeiten um Gelehrte und Kanoniker handelt, dürfte es ein Manuskript mit Dekretalen des kanonischen Rechtes sein, das hier überreicht wird. Bei der Person auf dem Thron könnte es sich um Papst Gergorius IX. handeln, der von Raimund von Pennafort, die von ihm verfassten Dekretalen and Gregorius IX überreicht. Raimund studierte in Barcelona Philosophie und in Bologna Rechtswissenschaften. Danach wurde er im Jahr 1195 Professor für Kanonisches Recht. Von Papst Gregor IX. (1227–1241) wurde er um 1230 nach Rom berufen, wo er beauftragt wurde, die päpstlichen Dekretalen, die sich über die Jahrhunderte angesammelt hatten, durchzusehen und zu ordnen.
Trifft es zu, dass die Bildminiatur einem aufgebrochenen Manuskript der Dekretalen Gregorius IX von Raimund von Pennaforts entstammt, hätte die Bildminiatur vermutlich das Prooemium "In nomine domini nostri Gregorius episcopum servus servorum dei..." ausgeschmückt. Der Stil dieser französischen Miniatur, insbesondere die gute räumliche Artikulierung des Papstthrons und die plastisch wohl durchformten Figuren gleich wie deren fleischigen Gesichter, die eine letztlich im plastischen naturalistischen Kunstwollen Italiens fussende Materialität erkennen lassen, erscheinen als Indiz, dass es sich beim in Frage stehenden unbekannten Buchmaler um einen aus Südfrankreich stammenden, vermutlich in Avignon tätigen Künstler handelt. Dort trafen sich italienische Künstler mit französischen und katalanischen Malern, gleich wie sich in der Bibliothek des päpstlichen Hof nebst französischen auch italienische, insbesondere bolognesische und neapolitanische Codices befanden und so den lokalen Illustratoren Anschauungsunterricht über die neue in Italien entwickelte Kunst lieferten. Dekretalen wurden in Avignon zur Zeit des dortigen Papsthofes in grosser Zahl niedergeschrieben und illuminiert (Bilotta, 2018). Der hier in Rede stehende Buchmaler, der französische Komponenten mit einem italienischem Figurenverständnis erneuert, könnte auf einer ähnlichen, und einer etwas späteren Stilstufe stehen wie der avignonesische Illustrator von Ms lat 5221 oder jener kultiviertere von Valencia Archivio della Catedral MS 119 (Manzari, 2006, S. 162-167), was auf eine Datierung um 1370-80 schliessen liesse. Die hier angebotene, prächtige kleine Bildminiatur bezeugt das kosmopolitische Klima der Kunst am päpstlichen Hof in Avignon, die in Südfrankreich eine hybride Formensprache hervorgebracht hatte, wo italienische Einflüsse sich mit der graphischen Gotik französischer Tradition verbanden. Ein Vergleich unserer Bildminiatur mit Raphaels berühmten, gross angelegten Wandgemälde gleichen Bildthemas an der Südwand der Stanze della Segnatura im Vatikan, mag vor Augen führen, wo, und wie weit zurück die ultimativen Bildquellen für den Renaissance Künstler liegen.
(Prof. emer. Dr. Gaudenz Freuler, Universität Zürich)
Auf Trägerkarton montiert. Leicht gewölbt, stellenweise leichter Farbabrieb (insbesondere bei den Tonsuren und Gesichtern der Mönche), unten zwei kleine Wurmlöcher mit minimalem Bildverlust. Dennoch farbkräftig und frisch in der Erhaltung.
Provenienz: Schweizer Privatbesitz.
- Manzari, Francesca. La miniatura ad Avignone al tempo dei Papi. Modena, 2006.
- Bilotta, Maria Alessandra. "Nuovi elementi per la storia della produzione e della circolazione dei manoscritti giuridici miniati nel Midi della Francia tra XIII e XIV secolo: alcuni frammenti e manoscritti ritrovati", in: Dies. (Hrsg.). Medieval Europe in motion. The circulation of artists, images, patterns and ideas from the Mediterranean to the Atlantic coast (6th-15th centuries). Palermo, 2018, S. 319-392.
Dieses bislang unveröffentlicht gebliebene Fragment einer juristischen Handschrift, zeigt vor einem Quadratmustergrund aus einem Diagonalnetz in Gold und Blau, einen auf einem räumlich wohl konstruierten Thron sitzenden Papst, wie er von einer Gruppe Rechtsgelehrten und Kanoniker ein mächtiges Manuskript in Empfang nimmt. Die Zugehörigkeit zu einem aufgebrochenen juristischen Codex ergibt sich aus der Ikonographie des Bildes und dem Text der Rückseite.
Da es sich bei den das Buch übergebenden Persönlichkeiten um Gelehrte und Kanoniker handelt, dürfte es ein Manuskript mit Dekretalen des kanonischen Rechtes sein, das hier überreicht wird. Bei der Person auf dem Thron könnte es sich um Papst Gergorius IX. handeln, der von Raimund von Pennafort, die von ihm verfassten Dekretalen and Gregorius IX überreicht. Raimund studierte in Barcelona Philosophie und in Bologna Rechtswissenschaften. Danach wurde er im Jahr 1195 Professor für Kanonisches Recht. Von Papst Gregor IX. (1227–1241) wurde er um 1230 nach Rom berufen, wo er beauftragt wurde, die päpstlichen Dekretalen, die sich über die Jahrhunderte angesammelt hatten, durchzusehen und zu ordnen.
Trifft es zu, dass die Bildminiatur einem aufgebrochenen Manuskript der Dekretalen Gregorius IX von Raimund von Pennaforts entstammt, hätte die Bildminiatur vermutlich das Prooemium "In nomine domini nostri Gregorius episcopum servus servorum dei..." ausgeschmückt. Der Stil dieser französischen Miniatur, insbesondere die gute räumliche Artikulierung des Papstthrons und die plastisch wohl durchformten Figuren gleich wie deren fleischigen Gesichter, die eine letztlich im plastischen naturalistischen Kunstwollen Italiens fussende Materialität erkennen lassen, erscheinen als Indiz, dass es sich beim in Frage stehenden unbekannten Buchmaler um einen aus Südfrankreich stammenden, vermutlich in Avignon tätigen Künstler handelt. Dort trafen sich italienische Künstler mit französischen und katalanischen Malern, gleich wie sich in der Bibliothek des päpstlichen Hof nebst französischen auch italienische, insbesondere bolognesische und neapolitanische Codices befanden und so den lokalen Illustratoren Anschauungsunterricht über die neue in Italien entwickelte Kunst lieferten. Dekretalen wurden in Avignon zur Zeit des dortigen Papsthofes in grosser Zahl niedergeschrieben und illuminiert (Bilotta, 2018). Der hier in Rede stehende Buchmaler, der französische Komponenten mit einem italienischem Figurenverständnis erneuert, könnte auf einer ähnlichen, und einer etwas späteren Stilstufe stehen wie der avignonesische Illustrator von Ms lat 5221 oder jener kultiviertere von Valencia Archivio della Catedral MS 119 (Manzari, 2006, S. 162-167), was auf eine Datierung um 1370-80 schliessen liesse. Die hier angebotene, prächtige kleine Bildminiatur bezeugt das kosmopolitische Klima der Kunst am päpstlichen Hof in Avignon, die in Südfrankreich eine hybride Formensprache hervorgebracht hatte, wo italienische Einflüsse sich mit der graphischen Gotik französischer Tradition verbanden. Ein Vergleich unserer Bildminiatur mit Raphaels berühmten, gross angelegten Wandgemälde gleichen Bildthemas an der Südwand der Stanze della Segnatura im Vatikan, mag vor Augen führen, wo, und wie weit zurück die ultimativen Bildquellen für den Renaissance Künstler liegen.
(Prof. emer. Dr. Gaudenz Freuler, Universität Zürich)
Auf Trägerkarton montiert. Leicht gewölbt, stellenweise leichter Farbabrieb (insbesondere bei den Tonsuren und Gesichtern der Mönche), unten zwei kleine Wurmlöcher mit minimalem Bildverlust. Dennoch farbkräftig und frisch in der Erhaltung.
Provenienz: Schweizer Privatbesitz.
CHF 8 000 / 12 000 | (€ 8 250 / 12 370)
Verkauft für CHF 10 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr