Lot 1073 - A184 Decorative Arts - Donnerstag, 22. März 2018, 10.00 Uhr
ÄUSSERST SELTENER TISCHLEUCHTER,
Meissen, um 1727. Modell von Johann Gottlieb Kirchner (1706 - nach 1737), Bemalung wohl von Johann Gregorius Höroldt (1696-1775).
Über einer runden, konkav geschwungenen Basis, die von vier barocken Volutenfüssen, staffiert in Grün und Gold, getragen wird, mit einem Paar seitlich applizierten, geflügelten Delphinen, aus deren Maul Wasser fliest. Darüber zwei seitlich applizierte Kartuschen mit Chinoiserieszenen in Gold und Böttgerlüster. Der figürliche Leuchterschaft in Form einer stehenden Frau mit schwarzem Kopftuch, in einem weissen, grün gefütterten und gold geränderten Gewand mit eisenroten Rosetten bemalt, zusammengehalten von einer blauen Schärpe mit vergoldeter Reliefkante. In ihren beiden hoch erhobenen Händen haltend die zylindrische Kerzentülle mit gemuscheltem Ansatz in Gold und Lüster, modelliert mit zwei seitlichen, goldgeschuppten Lambrequinmotiven und ummantelt von einer Schärpe in Böttgerlüster gehöht in Gold mit Punktrosetten. Sockel sowie Tülle mit feinen Chinoiserieszenen, bemalt wohl von Höroldt. Ohne Marke. Ausstellungsetikette von 1979 auf der Unterseite.
H 22 cm. D Fuss 12,5 cm. Eines der kleinen Palmettenblätter am oberen Abschluss der Basis fehlt.
Provenienz: Deutsche Privatsammlung seit den 1960er Jahren.
Ausstellung:
Mittelrheinisches Landesmuseum Mainz - "Keramik aus Privatbesitz", Ausstellung der Gesellschaft der Keramikfreunde E.V. "KERAMOS" in Zusammenarbeit mit dem Mittelrheinischen Landesmuseum (Pavillion), 10. Mai - 4. Juni 1979, Nr. 108.
Illustration:
- Mitteilungsblatt der Keramikfreunde der Schweiz (KFS) Nr. 61, 1963 (Umschlagfoto).
- Sotheby's London, Continental Ceramics, 26. November 1985, Lot 290.
Einziges bekanntes Vergleichsstück: Rijksmuseum Amsterdam, seit 1976 (Inv. Nr. BK-1976-50).
Dieser Leuchter ist museal, da nur ein einziges weiteres, nahezu identisches Modell existiert, das sich seit 1976 im Rijksmuseum in Amsterdam befindet. Im Bestandskatalog der Museumssammlung Meissener Porzellans wird auf diesen hier angebotenen Leuchter verwiesen, der sich seit den 1960er Jahren in deutschem Privatbesitz befindet. (Abraham L. den Blaauwen, Meissen Porcelain in the Rijksmuseum, 2000, Kat. Nr. 51 S.102, 103)
Johann Gottlieb Kirchner (geb. in Merseburg 1706) kam nach Meissen als Modelleur am 29. April 1727 aus Dresden, wo er höchstwahrscheinlich mit seinem wesentlich älteren Bruder Johann Christian Kirchner lebte, der als Hofbildhauer dem Skulpturenmeister Balthasar Permoser (1651-1732) bei der Ausstattung des Dresdner Zwingers assistierte. Im gleichen Jahr, in dem der Tischleuchter entstanden sein muss, entwarf und modellierte er einen Tempel der Venus mit Nischen in Anlehnung an das Nymphenbad im Zwinger, in welchen er Figuren platzierte, die dem Typus der Schaftfigur des Leuchters entsprechen (Katalog Rijksmuseum, 2000, Kat. Nr. 50). Den Blaauwen verweist im Katalogtext zum Venustempel auf die Parallelen zu den Skulpturen von Permoser um 1705, die er für einen Garten eines Händlers in Leipzig geschaffen hatte (op.cit, S.101).
Die Kombination figürlicher Skulptur mit Höroldt Chinoiserien findet sich bei diversen Arbeiten Kirchners, so auch bei erwähntem Venustempel, dessen Sockelunterbau mit ebenso feinen Höroldt Chinoiserien bemalt ist, wie auf dem Tischleuchter und bei einem Deckelpokal ebenso im Rijksmuseum Amsterdam (op.cit. S. 100 Kat. Nr.50 und 49); vgl. ebenso Kirchners Uhrgehäuse u.a. aus den Königlichen Sammlungen in Dresden (Inv. Nr. P97) und in der Sammlung Arnhold (Cassidy-Geiger, The Arnhold Collection of Meissen Porcelain 1710-50, 2008, Kat. Nr. 33) und ein weiteres Uhrengehäuse von 1727, eine Kooperation zwischen George Fritzsche und Kirchner und den Höroldtchinoiserien (Rijksmuseum, Kat. Nr. 48).
Im Oktober 1727 hatte Kirchner an "eine gewisse Façon Tisch Leuchter mit Zierrathen" gearbeitet, Modelle in Ton, die von George Fritzsche, dem "geschicktesten und besten Former und Bossierer" nach Aussagen Kirchners, weiter bearbeitet wurden. (Zimmermann, Kirchner. Der Vorläufer Kaendlers an der Meissner Manufaktur, Berlin, 1929, S. 5; Walcha, Das Charakterbild Kirchners im Spiegel der Meissner Archivalien', Mitteilungsblatt KFS 53/54 1961, S. 24). Dass es sich bei den Notizen von Kirchner um genau diesen Leuchter handelt, dessen zentrale weibliche Stützfigur stilistisch dem Figurentypus Kirchners am Venus Tempel aus demselben Jahr gleicht, ist sehr wahrscheinlich (op.cit. Kat. Nr. 50).
Werke von Johann Gottlieb Kirchner sind selten. Er ist verglichen mit den beiden anderen berühmten Künstlern der Manufaktur, J. J. Kaendler (tätig 1731-1775) und J. G. Höroldt (tätig 1720-1765), nur kurze Zeit in der Manufaktur; zunächst von 1727 bis 1728 und nach einer zweijährigen Unterbrechung - die Manufaktur hatte ihn aufgrund seiner 'unordentlichen Lebens-Arth' entlassen - wieder von 1730 bis 1733 und nochmals 1737, als Modellmeister. Zu seinen prominentesten Werken gehören die grossen Tierfiguren für die lange Galerie im Japanischen Palais in Dresden. Kirchners Stil war für seinen Nachfolger Kaendler, der ihm zunächst unterstellt war, aber auch für die nachfolgende europäische Porzellanplastik wegweisend. So schrieb die Kommission von Kaendler im März 1732, er werde von Kirchner "nach seinen inventionen und sonst übertroffen" (R. Rückert, Biographische Daten der Meissener Manufakturisten des 18. Jahrhunderts, 1990, S. 113, 114).
Ausstellung:
Mittelrheinisches Landesmuseum Mainz - "Keramik aus Privatbesitz", Ausstellung der Gesellschaft der Keramikfreunde E.V. "KERAMOS" in Zusammenarbeit mit dem Mittelrheinischen Landesmuseum (Pavillion), 10. Mai - 4. Juni 1979, Nr. 108.
Illustration:
- Mitteilungsblatt der Keramikfreunde der Schweiz (KFS) Nr. 61, 1963 (Umschlagfoto).
- Sotheby's London, Continental Ceramics, 26. November 1985, Lot 290.
Einziges bekanntes Vergleichsstück: Rijksmuseum Amsterdam, seit 1976 (Inv. Nr. BK-1976-50).
Dieser Leuchter ist museal, da nur ein einziges weiteres, nahezu identisches Modell existiert, das sich seit 1976 im Rijksmuseum in Amsterdam befindet. Im Bestandskatalog der Museumssammlung Meissener Porzellans wird auf diesen hier angebotenen Leuchter verwiesen, der sich seit den 1960er Jahren in deutschem Privatbesitz befindet. (Abraham L. den Blaauwen, Meissen Porcelain in the Rijksmuseum, 2000, Kat. Nr. 51 S.102, 103)
Johann Gottlieb Kirchner (geb. in Merseburg 1706) kam nach Meissen als Modelleur am 29. April 1727 aus Dresden, wo er höchstwahrscheinlich mit seinem wesentlich älteren Bruder Johann Christian Kirchner lebte, der als Hofbildhauer dem Skulpturenmeister Balthasar Permoser (1651-1732) bei der Ausstattung des Dresdner Zwingers assistierte. Im gleichen Jahr, in dem der Tischleuchter entstanden sein muss, entwarf und modellierte er einen Tempel der Venus mit Nischen in Anlehnung an das Nymphenbad im Zwinger, in welchen er Figuren platzierte, die dem Typus der Schaftfigur des Leuchters entsprechen (Katalog Rijksmuseum, 2000, Kat. Nr. 50). Den Blaauwen verweist im Katalogtext zum Venustempel auf die Parallelen zu den Skulpturen von Permoser um 1705, die er für einen Garten eines Händlers in Leipzig geschaffen hatte (op.cit, S.101).
Die Kombination figürlicher Skulptur mit Höroldt Chinoiserien findet sich bei diversen Arbeiten Kirchners, so auch bei erwähntem Venustempel, dessen Sockelunterbau mit ebenso feinen Höroldt Chinoiserien bemalt ist, wie auf dem Tischleuchter und bei einem Deckelpokal ebenso im Rijksmuseum Amsterdam (op.cit. S. 100 Kat. Nr.50 und 49); vgl. ebenso Kirchners Uhrgehäuse u.a. aus den Königlichen Sammlungen in Dresden (Inv. Nr. P97) und in der Sammlung Arnhold (Cassidy-Geiger, The Arnhold Collection of Meissen Porcelain 1710-50, 2008, Kat. Nr. 33) und ein weiteres Uhrengehäuse von 1727, eine Kooperation zwischen George Fritzsche und Kirchner und den Höroldtchinoiserien (Rijksmuseum, Kat. Nr. 48).
Im Oktober 1727 hatte Kirchner an "eine gewisse Façon Tisch Leuchter mit Zierrathen" gearbeitet, Modelle in Ton, die von George Fritzsche, dem "geschicktesten und besten Former und Bossierer" nach Aussagen Kirchners, weiter bearbeitet wurden. (Zimmermann, Kirchner. Der Vorläufer Kaendlers an der Meissner Manufaktur, Berlin, 1929, S. 5; Walcha, Das Charakterbild Kirchners im Spiegel der Meissner Archivalien', Mitteilungsblatt KFS 53/54 1961, S. 24). Dass es sich bei den Notizen von Kirchner um genau diesen Leuchter handelt, dessen zentrale weibliche Stützfigur stilistisch dem Figurentypus Kirchners am Venus Tempel aus demselben Jahr gleicht, ist sehr wahrscheinlich (op.cit. Kat. Nr. 50).
Werke von Johann Gottlieb Kirchner sind selten. Er ist verglichen mit den beiden anderen berühmten Künstlern der Manufaktur, J. J. Kaendler (tätig 1731-1775) und J. G. Höroldt (tätig 1720-1765), nur kurze Zeit in der Manufaktur; zunächst von 1727 bis 1728 und nach einer zweijährigen Unterbrechung - die Manufaktur hatte ihn aufgrund seiner 'unordentlichen Lebens-Arth' entlassen - wieder von 1730 bis 1733 und nochmals 1737, als Modellmeister. Zu seinen prominentesten Werken gehören die grossen Tierfiguren für die lange Galerie im Japanischen Palais in Dresden. Kirchners Stil war für seinen Nachfolger Kaendler, der ihm zunächst unterstellt war, aber auch für die nachfolgende europäische Porzellanplastik wegweisend. So schrieb die Kommission von Kaendler im März 1732, er werde von Kirchner "nach seinen inventionen und sonst übertroffen" (R. Rückert, Biographische Daten der Meissener Manufakturisten des 18. Jahrhunderts, 1990, S. 113, 114).
CHF 40 000 / 70 000 | (€ 41 240 / 72 160)
Verkauft für CHF 78 500 (inkl. Aufgeld)
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