Lot 3045* - A181 Schweizer Kunst - Freitag, 30. Juni 2017, 16.00 Uhr
ALBERTO GIACOMETTI
(Stampa 1901–1966 Chur)
Monte del Forno. Um 1923.
Öl auf Leinwand.
Unten rechts signiert und datiert: Alberto Giacometti 1923.
60 × 50 cm.
Gutachten:
Fondation Giacometti, Paris Dezember 2016, AGD 3679.
Provenienz:
Privatbesitz Deutschland, der Überlieferung nach bei Dr. Lucas Lichtenhan in Basel erworben.
Das vor kurzem in einer Privatsammlung wiederentdeckte Gemälde war der Giacometti-Forschung bis heute nicht bekannt. Gemäss familieninterner Überlieferung wurde das Werk von der Tante der heutigen Besitzerin über Alberto Giacomettis Jugendfreund und Förderer Lucas Lichtenhan, der gemeinsam mit dem angehenden Künstler die Jahre am Gymnasium in Schiers verbrachte, erworben.
Das Gemälde von Alberto Giacometti aus dem Jahr 1923 ist ein exzellentes Beispiel für die Verbindung zweier Welten, zwischen denen sich der damals noch junge Maler (1901-1966) ab 1920 bewegte. Zum einen die Grossstadt Paris, die zu Beginn der 1920er Jahre Metropole und Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle war, und zum anderen das heimatliche Gebirgstal Bergell in der Schweiz, das für ihn nicht nur Ort des Rückzugs und der Erholung war, sondern auch kreativer Schaffensort. „Aus der Polarität zwischen dem Land und der Stadt, zwischen der Metropole Paris mit ihrem unablässigen Treiben, den zahlreichen Freunden, Literaten und Künstlern, dem zwielichtigen Nachtleben und dem ruhigen, beschaulichen Bergell mit der Familie zog Alberto Giacometti zeitlebens das schöpferische Potential, um sich seiner selbst gestellten Aufgabe zu stellen: Das Erfassen geschauter Wirklichkeit“ (Stutzer, Beat: „… als hätte es zwei Albertos gegeben“: Giacometti zwischen Stampa und Paris In: Alberto Giacometti. Stampa – Paris, Bündner Kunstmuseum, Chur 2000, S. 18).
Seiner Heimat, der beeindruckenden Bergwelt um Maloja, widmet sich Alberto in seinen jungen Jahren und wird hier künstlerisch tätig, meist gemeinsam mit seinem Vater Giovanni Giacometti. Die grundlegende Prägung durch das Elternhaus und der für ihn hohe Stellenwert der Bergeller Bergwelt werden stets deutlich durch Albertos monatelange Aufenthalte in seiner Heimat während seiner Ausbildung in Paris und auch in späteren Jahren. Er setzt sich immer wieder intensiv mit der Landschaft bei Stampa und Maloja auseinander und nimmt über Jahre hinweg, trotz seiner mittlerweile internationalen Berühmtheit, an den Weihnachtsausstellungen der Bündner Künstler teil, denn diese Zugehörigkeit zur lokalen Künstlerschaft war ihm eine Selbstverständlichkeit und ein Bekenntnis zu seinen Wurzeln.
Anfang der 1920er Jahre ist der Einfluss des Vaters noch stark zu spüren. Besonders die Farbgebung und Maltechnik sind vom Vater und dessen Kunst geprägt. Überhaupt war Giovanni Giacometti der erste und vielleicht auch wichtigste Lehrer seines Sohnes (vgl. Ausst. Kat. Giacometti, Fondation Beyeler Riehen, Ostfildern 2009, S.12). Giovanni förderte und erfreute sich am Talent Albertos und schrieb im Mai 1919 an seinen Freund Cuno Amiet: „Alb. hat ein Quartal von der Schule geschenkt bekommen. Er kann, wenn er will, nach den Sommerferien wieder in seine Classe eintreten. Er hat nun einige schöne Monate vor sich, und es ist mir ganz recht für diese Zeit ihn bei mir zu haben. Wir arbeiten miteinander, und ich kann seine Anlagen und seine Entwicklung näher beobachten“ (Müller, Paul und Radlach, Viola: Giovanni Giacometti - Werkkatalog der Gemälde, Zürich 1997, Bd. 1, S. 175). Das enge miteinander mit seinem Vater zeigen zahlreiche Bilder, in denen z.B. Giovanni Giacometti 1921 seinen Sohn Alberto beim Malen im Freien porträtiert (vgl. Werkkatalog der Gemälde, 1997, Abb. 1921.04, S. 454f „Der Maler (Alberto)“) oder aber der Vater das gleiche Motiv wie der Sohn wählt und beide den Monte del Forno in der jeweils eigenen Manier malen (vgl. ebda. Nr. 1921.36, S. 464f).
Das Motiv des Gemäldes – der Monte del Forno – ist in der Tradition der Giacomettis ein mehrfach gewähltes Sujet und lässt die bedeutende künstlerische Entfaltung Albertos und auch dessen Loslösung vom Einfluss des Vaters und anderen bekannten Vorbildern, u.a. seines Patenonkels Cuno Amiet, der ein enger Freund des Vaters war, nachvollziehen.
Während das Gemälde des Vaters Giovanni Giacometti (Abb. 3) die Bergwelt rund um den Monte del Forno in einer lieblichen und für ihn bekannten Farblichkeit darstellt, so setzt Alberto die gleiche Szenerie auf eine moderne, graphische Art und Weise um, die jene karge Bergwelt in seiner Schroffheit und Widerspenstigkeit klar und genau wiederzugeben vermag. Deutlich wird hier bereits seine rasante Weiterentwicklung beeinflusst durch den Aufenthalt in Rom (1921) und vor allem durch seinen neuen Lebensmittelpunkt Paris ab 1922. Das Gemälde entsteht noch bevor sich Alberto dem Surrealismus zuwendet. Es symbolisiert sozusagen die Brückenphase zwischen der Loslösung von der Malerei des „Schweizer Kolorismus“ des Vaters und der Zeit seines Neubeginns.
Das Gemälde „Monte del Forno“ besitzt eine besondere, starke Ausstrahlung, die auf der kräftigen Umsetzung und den fast schon geometrischen Zügen beruht. Der karge, teilweise schneebedeckte Fels ragt dem Himmel entgegen – diesem unendlichen Himmel, welchem Alberto zwei Drittel seines Gemäldes widmet. Die besondere Aufteilung des Bildes und seine flächige Gestaltung der Natur lassen seine Prägung durch postimpressionistische Maler wie Segantini und Hodler (der wiederum Patenonkel seines Bruders Bruno war) erkennen, obwohl sich nun auch Albertos eigener Stil durchzusetzen vermag. In einem Brief vom Juni 1918 an seinen ehemaligen Mitschüler und langjährigen Freund Lucas Lichtenhan (vgl. Angaben zur Provenienz) berichtet Alberto von der Faszination, die jene Bergwelt in ihm auszulösen vermag: „Diese Berge, die die feinsten schönsten Farben zeigten, standen in einer Art glänzenden, seidenen Nebel gehüllt, und die Lichter und Schatten der entferntesten Schneen schmolzen mit den Lichtern und Schatten der rosigen, bläulichen und vielgestalteten Wolken zusammen“ (Brief Alberto Giacomettis an Lucas Lichtenhan, zitiert nach: Die Sammlung der Alberto Giacometti-Stiftung, Zürich 1990, S. 28). Albertos Betrachtung der Natur und sein eigener, unverkennbarer und intellektueller Ansatz werden hier bereits deutlich und auch von seinem engen und langjährigen Freund Christoph Bernoulli eindrücklich beschrieben: „Albertos zeichnerische Methode gleicht einem steten Abwägen. Jeder Strich wird mit äußerster Vorsicht gezogen und liegt unter der ständigen Kontrolle eines überstrengen und wachsamen Auges. Das merkwürdige Hin und Her zwischen Gestaltungsdrang und prüfend selbstkritischen Blick bildet im leidenschaftlichen Suchen nach dem adäquaten Ausdruck und dem Formfinden – fortschreitend – den unverkennbaren Stil des Künstlers“ (Bernoulli, Christoph: Alberto Giacometti. Erinnerungen und Aufzeichnungen, Bern 1974, S.14).
Das Gemälde des Monte del Forno ist eines der seltenen Landschaftsgemälde von Alberto Giacometti und besitzt zusätzlich eine besondere, persönliche Geschichte, da es auf seinem Verkaufsweg von einem guten Freund Albertos, Dr. Lucas Lichtenhan, zur heutigen Besitzerfamilie begleitet und vermittelt wurde. Alberto Giacometti, Lucas Lichtenhan, der spätere Direktor der Kunsthalle Basel und Christoph Bernoulli, bedeutender Kunsthändler und Innenarchitekt waren seit dem gemeinsamen Besuch des Gymnasiums in Schiers eng befreundet und hielten den freundschaftlichen Kontakt auch in den Folgejahren, wie von Bernoulli in seinen „Erinnerungen und Aufzeichnungen“ über Alberto Giacometti ausführlich beschrieben wird.
Das Motiv des Monte del Forno und weiteren Bergansichten rund um Maloja nahm Alberto Giacometti in unterschiedlichen Schaffensphasen immer wieder auf, so auch in seinen späten, sehr graphisch anmutenden Landschaftsmalereien und Lithographien (vgl. Kornfeld, Eberhard W. und Fondation Giacometti, Paris: Alberto Giacometti – Catalogue raisonné des estampes, Paris/Bern 2016, S. 257, Nr. 157 oder S. 365 Nr. 218 und 219). In den fünfziger Jahren beschäftigte sich Alberto wieder intensiv mit der heimischen Umgebung, nachdem er vorher während vieler Jahre darauf verzichtet hatte (vgl. Stutzer 2000, S. 38). Diese späten Landschaften sind ungeachtet der vielschichtigen und fein nuancierten Farbgebung hauptsächlich in grauen Tönen gehalten und von einem dichten Liniennetz sich überlagernder und kreuzender Pinselstriche geprägt. Damit geht Giacometti den elementaren Strukturen der Landschaft auf den Grund: „Mit dem zeichnerischen Mittel der Linie ermittelt er die komplexen Raumbezüge. Mit dem Insistieren auf bestimmte Stellen schafft er eigentliche Kraftfelder, welche als dynamische Bewegungsströme das Bild vibrierend durchpulsen“ (Stutzer 2000, S. 38f). In der Lithographie "Berg in Maloja" aus dem Jahr 1957 fliessen seine Erfahrungen der vorangegangenen Landschaftsstudien zusammen und bringen eine herausragende druckgraphische Leistung hervor, die den Blick auf die Konturen des Bergmassivs konzentriert und den Berg der klassischen Raumdefinition entzieht.
Alberto Giacometti gehört zu den bedeutendsten Künstlern der Moderne und sein Einfluss ist bis in die Kunst der Gegenwart spürbar. So schreibt Jean Genet sehr berührend über Alberto Giacometti als einen der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts: „An der Schönheit ist nur die Wunde ursprünglich, die jeder Mensch in sich hütet, einzigartig, für jeden verschieden, sichtbar oder versteckt – die er wahrt und zu der er sich zurückzieht, wenn er die Welt für eine vorübergehende, aber tiefe Einsamkeit verlassen will. Dieser Kunst liegt fern, was man „Miserabilismus“ nennt. Giacomettis Kunst scheint mir diese geheime Wunde jedes Wesens und selbst jedes Dinges aufdecken zu wollen, damit sie erleuchte“ (Genet, Jean: Alberto Giacometti, Zürich 1962, S. 6).
Fondation Giacometti, Paris Dezember 2016, AGD 3679.
Provenienz:
Privatbesitz Deutschland, der Überlieferung nach bei Dr. Lucas Lichtenhan in Basel erworben.
Das vor kurzem in einer Privatsammlung wiederentdeckte Gemälde war der Giacometti-Forschung bis heute nicht bekannt. Gemäss familieninterner Überlieferung wurde das Werk von der Tante der heutigen Besitzerin über Alberto Giacomettis Jugendfreund und Förderer Lucas Lichtenhan, der gemeinsam mit dem angehenden Künstler die Jahre am Gymnasium in Schiers verbrachte, erworben.
Das Gemälde von Alberto Giacometti aus dem Jahr 1923 ist ein exzellentes Beispiel für die Verbindung zweier Welten, zwischen denen sich der damals noch junge Maler (1901-1966) ab 1920 bewegte. Zum einen die Grossstadt Paris, die zu Beginn der 1920er Jahre Metropole und Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle war, und zum anderen das heimatliche Gebirgstal Bergell in der Schweiz, das für ihn nicht nur Ort des Rückzugs und der Erholung war, sondern auch kreativer Schaffensort. „Aus der Polarität zwischen dem Land und der Stadt, zwischen der Metropole Paris mit ihrem unablässigen Treiben, den zahlreichen Freunden, Literaten und Künstlern, dem zwielichtigen Nachtleben und dem ruhigen, beschaulichen Bergell mit der Familie zog Alberto Giacometti zeitlebens das schöpferische Potential, um sich seiner selbst gestellten Aufgabe zu stellen: Das Erfassen geschauter Wirklichkeit“ (Stutzer, Beat: „… als hätte es zwei Albertos gegeben“: Giacometti zwischen Stampa und Paris In: Alberto Giacometti. Stampa – Paris, Bündner Kunstmuseum, Chur 2000, S. 18).
Seiner Heimat, der beeindruckenden Bergwelt um Maloja, widmet sich Alberto in seinen jungen Jahren und wird hier künstlerisch tätig, meist gemeinsam mit seinem Vater Giovanni Giacometti. Die grundlegende Prägung durch das Elternhaus und der für ihn hohe Stellenwert der Bergeller Bergwelt werden stets deutlich durch Albertos monatelange Aufenthalte in seiner Heimat während seiner Ausbildung in Paris und auch in späteren Jahren. Er setzt sich immer wieder intensiv mit der Landschaft bei Stampa und Maloja auseinander und nimmt über Jahre hinweg, trotz seiner mittlerweile internationalen Berühmtheit, an den Weihnachtsausstellungen der Bündner Künstler teil, denn diese Zugehörigkeit zur lokalen Künstlerschaft war ihm eine Selbstverständlichkeit und ein Bekenntnis zu seinen Wurzeln.
Anfang der 1920er Jahre ist der Einfluss des Vaters noch stark zu spüren. Besonders die Farbgebung und Maltechnik sind vom Vater und dessen Kunst geprägt. Überhaupt war Giovanni Giacometti der erste und vielleicht auch wichtigste Lehrer seines Sohnes (vgl. Ausst. Kat. Giacometti, Fondation Beyeler Riehen, Ostfildern 2009, S.12). Giovanni förderte und erfreute sich am Talent Albertos und schrieb im Mai 1919 an seinen Freund Cuno Amiet: „Alb. hat ein Quartal von der Schule geschenkt bekommen. Er kann, wenn er will, nach den Sommerferien wieder in seine Classe eintreten. Er hat nun einige schöne Monate vor sich, und es ist mir ganz recht für diese Zeit ihn bei mir zu haben. Wir arbeiten miteinander, und ich kann seine Anlagen und seine Entwicklung näher beobachten“ (Müller, Paul und Radlach, Viola: Giovanni Giacometti - Werkkatalog der Gemälde, Zürich 1997, Bd. 1, S. 175). Das enge miteinander mit seinem Vater zeigen zahlreiche Bilder, in denen z.B. Giovanni Giacometti 1921 seinen Sohn Alberto beim Malen im Freien porträtiert (vgl. Werkkatalog der Gemälde, 1997, Abb. 1921.04, S. 454f „Der Maler (Alberto)“) oder aber der Vater das gleiche Motiv wie der Sohn wählt und beide den Monte del Forno in der jeweils eigenen Manier malen (vgl. ebda. Nr. 1921.36, S. 464f).
Das Motiv des Gemäldes – der Monte del Forno – ist in der Tradition der Giacomettis ein mehrfach gewähltes Sujet und lässt die bedeutende künstlerische Entfaltung Albertos und auch dessen Loslösung vom Einfluss des Vaters und anderen bekannten Vorbildern, u.a. seines Patenonkels Cuno Amiet, der ein enger Freund des Vaters war, nachvollziehen.
Während das Gemälde des Vaters Giovanni Giacometti (Abb. 3) die Bergwelt rund um den Monte del Forno in einer lieblichen und für ihn bekannten Farblichkeit darstellt, so setzt Alberto die gleiche Szenerie auf eine moderne, graphische Art und Weise um, die jene karge Bergwelt in seiner Schroffheit und Widerspenstigkeit klar und genau wiederzugeben vermag. Deutlich wird hier bereits seine rasante Weiterentwicklung beeinflusst durch den Aufenthalt in Rom (1921) und vor allem durch seinen neuen Lebensmittelpunkt Paris ab 1922. Das Gemälde entsteht noch bevor sich Alberto dem Surrealismus zuwendet. Es symbolisiert sozusagen die Brückenphase zwischen der Loslösung von der Malerei des „Schweizer Kolorismus“ des Vaters und der Zeit seines Neubeginns.
Das Gemälde „Monte del Forno“ besitzt eine besondere, starke Ausstrahlung, die auf der kräftigen Umsetzung und den fast schon geometrischen Zügen beruht. Der karge, teilweise schneebedeckte Fels ragt dem Himmel entgegen – diesem unendlichen Himmel, welchem Alberto zwei Drittel seines Gemäldes widmet. Die besondere Aufteilung des Bildes und seine flächige Gestaltung der Natur lassen seine Prägung durch postimpressionistische Maler wie Segantini und Hodler (der wiederum Patenonkel seines Bruders Bruno war) erkennen, obwohl sich nun auch Albertos eigener Stil durchzusetzen vermag. In einem Brief vom Juni 1918 an seinen ehemaligen Mitschüler und langjährigen Freund Lucas Lichtenhan (vgl. Angaben zur Provenienz) berichtet Alberto von der Faszination, die jene Bergwelt in ihm auszulösen vermag: „Diese Berge, die die feinsten schönsten Farben zeigten, standen in einer Art glänzenden, seidenen Nebel gehüllt, und die Lichter und Schatten der entferntesten Schneen schmolzen mit den Lichtern und Schatten der rosigen, bläulichen und vielgestalteten Wolken zusammen“ (Brief Alberto Giacomettis an Lucas Lichtenhan, zitiert nach: Die Sammlung der Alberto Giacometti-Stiftung, Zürich 1990, S. 28). Albertos Betrachtung der Natur und sein eigener, unverkennbarer und intellektueller Ansatz werden hier bereits deutlich und auch von seinem engen und langjährigen Freund Christoph Bernoulli eindrücklich beschrieben: „Albertos zeichnerische Methode gleicht einem steten Abwägen. Jeder Strich wird mit äußerster Vorsicht gezogen und liegt unter der ständigen Kontrolle eines überstrengen und wachsamen Auges. Das merkwürdige Hin und Her zwischen Gestaltungsdrang und prüfend selbstkritischen Blick bildet im leidenschaftlichen Suchen nach dem adäquaten Ausdruck und dem Formfinden – fortschreitend – den unverkennbaren Stil des Künstlers“ (Bernoulli, Christoph: Alberto Giacometti. Erinnerungen und Aufzeichnungen, Bern 1974, S.14).
Das Gemälde des Monte del Forno ist eines der seltenen Landschaftsgemälde von Alberto Giacometti und besitzt zusätzlich eine besondere, persönliche Geschichte, da es auf seinem Verkaufsweg von einem guten Freund Albertos, Dr. Lucas Lichtenhan, zur heutigen Besitzerfamilie begleitet und vermittelt wurde. Alberto Giacometti, Lucas Lichtenhan, der spätere Direktor der Kunsthalle Basel und Christoph Bernoulli, bedeutender Kunsthändler und Innenarchitekt waren seit dem gemeinsamen Besuch des Gymnasiums in Schiers eng befreundet und hielten den freundschaftlichen Kontakt auch in den Folgejahren, wie von Bernoulli in seinen „Erinnerungen und Aufzeichnungen“ über Alberto Giacometti ausführlich beschrieben wird.
Das Motiv des Monte del Forno und weiteren Bergansichten rund um Maloja nahm Alberto Giacometti in unterschiedlichen Schaffensphasen immer wieder auf, so auch in seinen späten, sehr graphisch anmutenden Landschaftsmalereien und Lithographien (vgl. Kornfeld, Eberhard W. und Fondation Giacometti, Paris: Alberto Giacometti – Catalogue raisonné des estampes, Paris/Bern 2016, S. 257, Nr. 157 oder S. 365 Nr. 218 und 219). In den fünfziger Jahren beschäftigte sich Alberto wieder intensiv mit der heimischen Umgebung, nachdem er vorher während vieler Jahre darauf verzichtet hatte (vgl. Stutzer 2000, S. 38). Diese späten Landschaften sind ungeachtet der vielschichtigen und fein nuancierten Farbgebung hauptsächlich in grauen Tönen gehalten und von einem dichten Liniennetz sich überlagernder und kreuzender Pinselstriche geprägt. Damit geht Giacometti den elementaren Strukturen der Landschaft auf den Grund: „Mit dem zeichnerischen Mittel der Linie ermittelt er die komplexen Raumbezüge. Mit dem Insistieren auf bestimmte Stellen schafft er eigentliche Kraftfelder, welche als dynamische Bewegungsströme das Bild vibrierend durchpulsen“ (Stutzer 2000, S. 38f). In der Lithographie "Berg in Maloja" aus dem Jahr 1957 fliessen seine Erfahrungen der vorangegangenen Landschaftsstudien zusammen und bringen eine herausragende druckgraphische Leistung hervor, die den Blick auf die Konturen des Bergmassivs konzentriert und den Berg der klassischen Raumdefinition entzieht.
Alberto Giacometti gehört zu den bedeutendsten Künstlern der Moderne und sein Einfluss ist bis in die Kunst der Gegenwart spürbar. So schreibt Jean Genet sehr berührend über Alberto Giacometti als einen der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts: „An der Schönheit ist nur die Wunde ursprünglich, die jeder Mensch in sich hütet, einzigartig, für jeden verschieden, sichtbar oder versteckt – die er wahrt und zu der er sich zurückzieht, wenn er die Welt für eine vorübergehende, aber tiefe Einsamkeit verlassen will. Dieser Kunst liegt fern, was man „Miserabilismus“ nennt. Giacomettis Kunst scheint mir diese geheime Wunde jedes Wesens und selbst jedes Dinges aufdecken zu wollen, damit sie erleuchte“ (Genet, Jean: Alberto Giacometti, Zürich 1962, S. 6).
CHF 300 000 / 400 000 | (€ 309 280 / 412 370)
Verkauft für CHF 940 500 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr