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Lot 3041* - A168 Gemälde Alter Meister - Freitag, 28. März 2014, 15.00 Uhr

JAN VAN KESSEL d. Ä.

(1626 Antwerpen 1679)
Vier Szenen aus den Fabeln von Aesop: a) Der Hirsch und das Schaf. b) Der Löwe und der Eber. c) Der Bär und die Bienen. d) Der kranke Rehbock. 1672.
Öl auf Kupfer.
a) Unten links monogrammiert: I.V.K. b) Unten mittig monogrammiert: I.V.K. c) Mittig links monogrammiert: I.V.K. d) Unten rechts signiert und datiert: I.V.Kessel. fecit ao. 1672.
Je 15,6 x 21,6 cm.

Gutachten: Dr. Klaus Ertz, 23.6.2000.

Provenienz:
- Auktion Sotheby's, New York, 25.5.2000, Los 108.
- Galerie d'Art St. Honoré, Paris.
- Europäische Privatsammlung.

Literatur:
Ertz, Klaus und Nietze-Ertz, Christa: Die Maler Jan van Kessel, Lingen 2012, Kat. Nr. 258-261, Abb. 50-53.

Jan van Kessel war äusserst vielseitig interessiert. Wie ebenfalls bei dem in dieser Auktion angebotenen Stillleben "Rosenzweig mit Heuschrecke, Schmetterling und Ameisen" (Los 3046) deutlich wurde, verband er grosses malerisches Können mit einem geradezu enzyklopädischem Interesse an allem, dessen er habhaft werden konnte. Kompendien über Geographie, Geschichte, Völkerkunde und Naturwissenschaft muss er verschlungen und als Inspiration für seine Kunst genutzt haben. Auch der antiken Literatur, die seit dem 15. Jahrhundert wiederentdeckt worden war, galt seine Faszination. 1668, also vier Jahre vor der Datierung der hier angebotenen Werke, veröffentlichte der französische Schriftsteller Jean de La Fontaine eine zweibändige Sammlung von Fabeln, für die er zahlreiche antike und zeitgenössische Motive verarbeitet hatte. Fabeln sind kurze Erzählungen, die entweder in Versform oder Prosa formuliert sind und in denen Pflanzen, Tiere oder Gegenstände typisch menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen übernehmen. Die geschilderten Begegnungen haben häufig einen belehrenden Charakter.

Unsere vier kleinformatigen Kupfertafeln mit Tierdarstellungen wurden von Dr. Klaus Ertz als malerische Umsetzung verschiedener Fabeln erkannt. Er vermutet, dass der Künstler durch die Werke La Fontaines angeregt und auf die antiken Autoren Äsop und Phaedrus aufmerksam wurde. Über den legendären Äsop, dessen Name zur Bezeichnung einer ganzen, in der abendländischen Kunst und Literatur wirkungsmächtigen Literaturgattung wurde, ist nicht viel bekannt. Er soll aus dem Gebiet der heutigen Türkei stammen und um 600 v. Chr. als griechischer Sklave gelebt haben, bis ihn Witz und Klugheit zu seiner Freilassung und später gar in den Diplomatendienst geführt haben sollen. Die ihm zugeschriebene aesopische Fabelsammlung soll zunächst nur mündlich weiter gegeben und um 300 v. Chr. erstmals schriftlich gefasst worden sein. Sie ist uns daher nur bruchstückhaft und über die metrische, also in Versen vorgenommene Fassung späterer Autoren wie Phaedrus oder Babrios erhalten. Eine Ursache für diese lückenhafte Tradierung könnte darin zu sehen sein, dass Fabeln aus dem Horizont des "kleinen Mannes" verfasst wurden und daher in der Antike als Literaturgattung des "niederen Volks" galten. Das änderte sich spätestens im Zeitalter des Humanismus, als Autoren wie Martin Luther die Fabeln als literarisches Transportmittel erkannten, mit dessen Hilfe den Menschen unbequeme Wahrheiten vermittelt werden konnten. Zahlreiche Autoren führten die Fabeltradition später fort; der bereits erwähnte La Fontaine würzte seine Fabeln mit weniger Moral, dafür mehr Witz und Eleganz.

Dr. Ertz identifizierte in seinem Gutachten zu unseren Tafeln das Werk "Wolf, Hirsch und Schaf" (a) als Umsetzung einer aesopischen Fabel, wonach ein Hirsch von einem Schaf einen Scheffel Getreide forderte und das Schaf, das nichts schuldete, nur deshalb die Leistung des Getreides versprach, weil der Hirsch sich auf den gefährlichen Wolf als Bürgen berufen hatte. Ebenfalls auf Aesop zurück führt Ertz das Gemälde "Löwe und Eber" (b). Nach der literarischen Vorlage stritten sich die Tiere in der Sommerhitze um eine kleine Wasserquelle und fochten auf Leben und Tod, bis sie beim Anblick der auf sie wartenden Geier gewahr wurden, dass sie nur gemeinsam stark sind. "Bär und Bienen" (c) ist nach Ertz´ Forschung von einer Erzählung des deutschen Fastnachtsautoren und Fabeldichters Burkhard Waldis (1490 -1556) inspiriert, der 1548 seine berühmt gewordene Sammlung "Esopus" herausgegeben hatte. Im Mittelpunkt dieser Fabel steht ein Bär, der aus Wut über einen einzigen Bienenstich den Bienenkorb zerstörte und daraufhin vom ganzen Schwarm zerstochen wurde. Für "Der kranke Rehbock" (d) dagegen konnte bisher keine literarische Vorlage entdeckt werden; Jan van Kessel, so Ertz, könnte sich selbst als Autor einer neuen Fabel versucht haben, wonach der durch seinen Schellenring leicht als Dieb auszumachende Rehbock vom reich gedeckten Tisch naschte und dabei verletzt wurde. Währenddessen machten sich die anderen Tiere, die den Rehbock zum Diebstahl angestiftet hatten, über ihn lustig und über die Beute her. Jan van Kessel entfaltet auf diesen hervorragend erhaltenen Kupfertafeln das ganze Können seiner Reifezeit. Die Protagonisten der Fabeln sind in ihrer überaus detailgenauen Darstellung und die durch den Kupferuntergrund besonders leuchtenden Farben nicht nur technisch überragend gelungen. Van Kessel hat ihnen in den ihnen zugeschriebenen Emotionen wie Wut, Verzweiflung, Häme, Angst oder Nachdenklichkeit geradezu menschliche Züge verliehen, in denen die "Moral von der Geschicht´" überzeugend zum Ausdruck kommt. "Löwe und Eber", der "Bär" und der "Rehbock" zeichnen sich überdies durch eine ausgesprochene bildfüllende Dynamik aus, die an Jan van Kessels grosses Vorbild Peter Paul Rubens erinnert. Diese Bewegtheit kontrastiert van Kessel mit winzigsten, exquisiten Stillleben, so zum Beispiel schimmernden Gläsern und Früchten auf dem gedeckten Tisch und dem zerbrochenen Römer mit ausgegossenem Rotwein in "Der kranke Rehbock" oder die umgeworfenen Bienenkörbe mit den zerstörten Waben in "Bär und Bienen", aus denen zäh der Honig fliesst, während sich die rasenden Bienen auf den um sich schlagenden Bären stürzen. Ebenso bemerkenswert ist die Auflockerung der Umgebung der Tiere durch kleinste Blumenarrangements wie die Blüten, die unter den Tatzen des rasenden Löwen zertrampelt zu werden drohen oder die sich hinter den Beinen des prachtvollen Hirschs finden. Auf die extreme Nahsicht im Vordergrund folgt nach hinten eine jeweils unterschiedlich gestaltete Landschaft als Hintergrund der Tierszenen. Hier werden dem Betrachter höchst effektvoll komponierte Himmelsausschnitte und weite Ausblicke in die Natur bis zum bläulichen Horizont gewährt.

CHF 150 000 / 200 000 | (€ 154 640 / 206 190)


Verkauft für CHF 168 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr