Lot 3047* - A166 Gemälde Alter Meister - Freitag, 20. September 2013, 15.00 Uhr
HIERONYMUS FRANCKEN d. J.
(1578 Antwerpen 1623)
Interieur eines Sammlers.
Öl auf Holz.
52,5 x 73 cm.
Provenienz: Europäische Privatsammlung. Dieses hier angebotene Gemälde ist ein charakteristisches Beispiel des Antwerpener Malers Hieronymus Francken d. J. Dabei geht der Bildtypus der Preziosenwand auf seinen Bruder Frans Francken d. J. zurück, von dem ab 1605 einige Beispiele bekannt sind, und später auch von weiteren Künstlern, beispielsweise von Jan Brueghel d. Ä. (1568-1625) und Peter Paul Rubens (1577-1640) in der "Allegorie des Gesichtssinns" aus dem Zyklus der fünf Sinne von 1617, aufgegriffen wurde (Prado, Inv. Nr. P01394, siehe Härting, Ursula: Frans Francken II, Freren 1989, S. 83-91). Dabei geht es bei dieser neuen Gattung um die allegorische Darstellung der Kunstkennerschaft. Die Gegenüberstellung von "artificialia" (Gemälde, Skulpturen, Münzen) und "naturalia" (Blumen, Muscheln und Tiere) spielt bei der Komposition eine zentrale Rolle. So ist die Darstellung von Stillleben-Elementen wie in unserem Gemälde einige Muscheln, Porzellangegenstände und Kleinplastiken, aber auch Blumen, Glasgefässen, Münzen, Miniaturen, Büchern, Druckgrafiken und zusätzlichen Raritäten auf einen Tisch oder einer Anrichte im Bildvordergrund charakteristisch für diesen Bildtypus (siehe beispielsweise Härting 1989, Kat. Nr. 441-442 und 444-446). Dahinter finden sich an einer Wand dicht gehängte Gemälde in unterschiedlichen Grössen. Meist öffnet sich der Blick rechts des Tisches in einen angrenzenden Raum, vornehmlich in eine Bibliothek mit Gelehrten, die in ein Gespräch vertieft sind, wie auch in unserem Gemälde. Mit Verstand und grosser Sachkenntnis haben die Kunstliebhaber die Raritäten und Kostbarkeiten zusammen getragen und tauschen sich hierüber in Gesprächen mit Besuchern der Sammlung aus. Die dargestellten Gemälde spiegeln nur selten eine real existierende Sammlung wider, sondern orientieren sich meist an ausgewählten Gemälden zeitgenössischer Sammlungen, wie es die Inventare Antwerpener Bürger belegen. Meist hatte dabei das zentral platzierte Gemälde die erkenntnisvermittelnde Funktion. Hier offenbart sich dann im Thema, wie etwa bei der "Geburt Christi" in unserem Beispiel, eine zusätzliche, inhaltsbedingte Aussage des Bildes: Wie die Heilige Familie und die Heiligen Drei Könige in Christus den Sohn Gottes erkannten, so bemühten sich die Gelehrten um die christliche Heilserkenntnis durch ihr Studium der Schöpfung, die sich in jedem einzelnen Objekt ihres Kunstkabinetts offenbart. Damit wird die Malerei zu einem Erkenntnisinstrument und zu einem Teil der "virtus", des angestrebten tugendhaften Lebens. Kompositorisch vergleichbar mit unserem Gemälde ist das "Galerieinterieur mit Gelehrten und ânes iconoclastes" von Frans Francken d. J. aus der Sammlung Seilern im Courtauld Institute of Art, London (Inv. Nr. 47, siehe ebd., Kat. Nr. 449, Abb. 77), das noch vor 1615 entstanden sein muss und wohl zu Beginn der 1650er Jahre mit einer Figurenstaffage von David Teniers d. J. im Vordergrund ergänzt wurde. Bei diesem Gemälde vermutet Ursula Härting ein Mitwirken des Bruders Hieronymus Francken d. J. So könnte Hieronymus III. diese in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Frans d. J. um 1615 ausgeführte Komposition als Vorbild und Übungsstück für das hier angebotene Gemälde gedient haben. Jan Briels vermutet, dass es sich bei dem Interieur aus dem Besitz der Familie Seilern um die Darstellung der Sammlung des Tuchhändlers Pieter Stevens handeln könnte, denn Jan van Eycks Bildnis des "Kardinal Niccolo Albergati" von 1438, welches vorn im Raum platziert aber in unserem Gemälde nicht dargestellt ist, befand sich nachweislich in dessen Sammlung (siehe Briels, Jan: Amator pictoriae artis, De Antwerpse kunstverzamelaar Peeter Stevens (1590 bis 1668) en zijn Contkamer. In: Jaarboek van het Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen 1980, S. 137ff). Auch die zentral dargestellte "Geburt Christi" soll Stevens laut Briels von Aertgen van Leyden (1498-1564) aus Rubens' Nachlass erworben haben (siehe ebd., S. 223). Härting sieht zu wenig Anhaltspunkte für diese Theorie und versteht die Darstellung vielmehr als Vision einer fiktiven Kunstkammer, die ihren Gehalt aus der Konfrontation von Gelehrsamkeit und Verstand bezieht (siehe Härting 1989, S. 91). Auf diese Deutungsart weisen insbesondere die ungelehrten Esel, die "ânes iconoclastes" hin, welche die Kunstwerke links im Bildausschnitt mit Füssen treten und ein charakteristisches Element einer fiktiven Kunstkammer mit allegorischem Inhalt darstellen. Auch der Affe im Vordergrund kann als Symbol für Torheit und Vernunftlosigkeit gedeutet werden. So steht die positive Auslegung der Gelehrten als Vorbild eines gottgläubigen Studiums in Kontrast zur negativen Haltung der ungelehrten Esel und des Affen im linken Bildteil des hier angebotenen Gemäldes.
CHF 50 000 / 80 000 | (€ 51 550 / 82 470)
Verkauft für CHF 66 000 (inkl. Aufgeld)
Angaben ohne Gewähr