Lot 1302* - A142 Möbel, Porzellan & Dekoration - Donnerstag, 20. September 2007, 10.00 Uhr
KÖNIGLICHE TISCHPSYCHE "AU FLORE ET ZEPHIRE",
Empire/Restauration, von M.G. BIENNAIS (Martin Guillaume Biennais, Lacochère 1764-1843 Paris), Paris um 1820.
Bronze matt- und glanzvergoldet sowie punziert. Schwenkbarer, bogenförmig abschliessender Spiegelrahmen mit Allianzwappen des Herzoglichen und Königlichen Württembergischen Hauses als Aufsatz, auf mit Lorbeerkranz beschmücktem Postament mit kauernden Sphingen. Das Wappen wird flankiert von 2 liegenden Frauenfiguren mit Lorbeerkranz, der Rahmen von 2 vollplastisch gestalteten, stehenden Figuren; Flora und Zephyr. Ausserordentlich feine Bronzeziselierung und -punzierung mit Eierstab, Pfeifenfries mit eingestellten Blumen, Perlstab und Blütenband, Lotus- und Akanthusblatt sowie Wellenranken und die Reliefdarstellungen von Abundantia, Apollo mit Lyra und Minerva mit Schild und Lanze. Originales Spiegelglas. Zum Freistellen. H 100 cm, B 79 cm.
Provenienz: - Geschenk von König Wilhelm I. (1781-1864) an seine Gemahlin Pauline von Württemberg (1800-1873) anlässlich ihrer Hochzeit im April 1820. - Ausgestellt als bedeutendes Paradestück im Trousseau der Königin. - Durch private Erbfolge in den Besitz von König Karl von Württemberg (1823-1891), danach von Wilhelm II. von Württemberg (1842-1921) gelangt. - Nach 1921 weiterhin im Besitz des Hauses Württemberg. - Sammlung Henschel, Kassel. - Schweizer Sammlung. Hochbedeutende, als "Rarissima" zu bezeichnende Tischpsyche, deren Bedeutung nicht nur in der königlichen Provenienz, sondern vor allem auch in der perfekten Ausarbeitung des Repräsentanzobjektes liegt, das den von C. Percier charakterisierten "goût Empire" in beispielhafter Weise evidenziert. Sie ist abgebildet und ausführlich beschrieben in: A. Huber, Vier Toilettenspiegel von Martin-Guillaume Biennais, Weltkunst 8 (2001); S. 1272-1274. Die folgenden historischen Quellenhinweise basieren auf Arbeiten von A. Huber aus dem Jahr 2000. HISTORISCHER ÜBERBLICK Das hier vorzufindende Allianzwappen, welches das Haus Württemberg zweifach repräsentiert, setzt die Tischpsyche in einen historischen Kontext um Königin Pauline von Württemberg. Pauline Theresie Louise war das dritte Kind des Herzogs Ludwig von Württemberg (1756-1817) und seiner Gemahlin Henriette, geb. Prinzessin von Nassau-Weilburg (1780-1857). Im Alter von neunzehn Jahren heiratete sie am 15. April 1820 ihren Vetter, König Wilhelm I. von Württemberg. Dieser wählte die Tochter seines verstorbenen Onkels als dritte Gemahlin, nachdem seine zweite Frau, Grossfürstin Katharina Pawlowna von Russland (1788-1819), 1819 plötzlich verstorben war. Erst aus der Ehe mit Pauline sollte der Thronfolger Friedrich Alexander (1823-1891) hervorgehen. Am 1. März 1820 beauftragte der König den Staatsminister für auswärtige und Königliche Haus-Angelegenheiten, Graf von Wintzingerode, einen detaillierten Ehevertrag entwerfen zu lassen, der dann dem Königlichen Geheimen Rat zur Begutachtung vorgelegt werden sollte. Diese sogenannten Ehepakten sicherten traditionell die finanziellen und rechtlichen Verhältnisse der in eine neue Familie einheiratenden Prinzessin als Gemahlin eines Fürsten oder Prinzen und für den nach dessen vorzeitigem Ableben eintretenden Witwenstand. Als wesentliche Bestimmungen gab Wilhelm I. an, sowohl die noch festzulegende Summe des „Heirathgutes“ wie auch die Kosten des „Trousseau“ aus seiner Privatkasse begleichen zu wollen. Ergänzend wurde die rechtliche Eigenschaft des Privateigentums, zu dem auch der Trousseau und damit auch die hier angebotene Tischpsyche gehörte, bestimmt. Die Hochzeit war auf den 15. April festgesetzt. Die Erwerbung des Trousseau hatte der König jedoch bereits früher veranlasst. Am 17. Januar 1820 erging an den HofCammerdirector von Kohlhaas die Weisung, für den Gesandten des Königreiches Württemberg am Pariser Hof, Graf von Gallatin, einen Kreditbrief über 20'000 Gulden zu eröffnen (HStAS; E 14 Kabinettsakten IV, Büschel 39, 5). Mit dem grössten Teil der Erwerbung der Brautausstattung war der Obersthofmeister Freiherr von Seckendorff unter Beteiligung seiner Gemahlin betraut worden; die wichtigsten Objekte erwarb er in Paris. Die Ausgaben der Madame Emilie de Palis in Paris betrugen nach einer übergebenen Rechnung 43'900 francs oder 20'372 Gulden 21 Kreuzer. Die Zahlungen in Stuttgart, Frankfurt, Nancy, Mannheim und Lyon beliefen sich bis dahin auf 20'376 Gulden 34 Kreuzer. Als eigenen Punkt führte von Seckendorff im Bericht an den König die Toilettengarnitur auf: „Die Rechnung des GoldArbeiters Biennais in Paris für den Toilettespiegel, zwei Girandoles und mehrere Flacons von Krystall mit vergoldetem Beschläg betrug 7487 fr 50 cent. oder 3474 (fl.) 40 x.“ Für die übrigen, bereits gefertigten oder nächstens vollendeten Toilette-Gegenstände sei ein weiterer Rechnungsbetrag von etwa 5'600 Gulden zu erwarten (HStAS, E 14, Kabinettsakten IV, Büschel 39, 6). Am 10. April 1820 stellte Martin Guillaume die erste Lieferung zur Toilettenausstattung für Prinzessin Pauline in Rechnung, offenbar mit gleichzeitiger Lieferung von Teilen eines Tafelaufsatzes. Die erhaltene Rechnung enthält die ausführlichste überlieferte Beschreibung der Tischpsyche und der dazugehörigen Girandolen. Als weitere Bestandteile sind Flacons aus geschnittenem Kristallglas mit vergoldeter Fassung aufgeführt, als letzte Position das wohl separat angefertigte bekrönende Wappen der Psyche. Da der Obersthofmeister eine separate Rechnung benötigte, hatte Graf von Gallatin die zur Toilette gehörenden Teile mit einem Kreuz in Bleistift gekennzeichnet: FABRIQUE D'ORFEVRERIE. BIENNAIS TIENT FABRIQUE ET MAGASIN D'ORFEVRERIE, BIJOUTERIE ET TOUS LES ORDRES FRANCAIS ET ETRANGERS, FABRIQUE AUSSI DES NECESSAIRES ET OBJETS DE FANTAISIE, RUE ST. HONORE, No 283, AU SINGE VIOLET A PARIS Fourni pour le Service de Sa Majesté le Roi de Wurtemberg, par ordre de Son Excellence Monsieur Le Comte Gallatin. 1820 10. Avril Savoir: 1 Grand Miroir de toilette ceintré de 38 p° de hauteur sur 26 p° de largeur, soutenu par Deux Figures en pied de 14 p° de hauteur représentant Flore & Zephire, ciselé rond de bosse, avec Deux Chimeres de Femme au pied. Le couronnement avec Deux Femmes Drapées ciselées rond de bosse, supportant les armes; le dit miroir posé sure des galêts avec des ornements ciselés en relief ayant une glace de chaque côte le tout en bronze doré au mat. 2 Girandoles à trois branches pieds traingulaires portés par des griffes avec feuilles d'accanthes et d'eau ciselées en relief. Le dit miroir et les Girandoles du prix de 7000 X 1 Paire de Flacons en Cristal taillé avec garnitures en Vermeil ornées de têtes d'apollon du prix de90 X 2 Paires idem garnitures pareilles avec lions ciselés du prix de 75 francs la paire 150 X 2 Plateaux de table forme huit pans portés par des griffes avec frise a Chevaux marin Cornêts d'abondances, palmettes, Thyrses, lyres et ornements intérieurement et extérieurement avec glace au fond pésant 35m 1° 6g 1/2 a 52 f 1831 77 Controle 105 76 facon ciselure & glace à 800 f 1600 (verso) 2 Corbeilles en argent portées par des Figures de Femmes Drapées et ciselées en reliéf et rond de bosse pied rond avec feuilles d'eau osier au pourtour ciselé & découpé ayant chacune une Doublure pésants 57m 7° 0 (?)g 1/2 3009 90 Controle 173 64 Facon & Ciselure à 1050 francs 2100 6 Armes en reliéf sur les Plateaux et la Corbeille à 8 francs 48 1 Grande arme en bronze doré pour la toilette ciselée en reliéf du prix de 110 X Caisses et emballages compris tout et porte 275 X Total 16493 Fr 98c Il a été payé sur ce mémoire à M. Biennais la somme de 7487 fr 50 ctm. p. les articles de toilette 7487 Fr 50c Il lui reste dû fr. 9006 Fr 48 dont j'ai la facture séparé, ayant envoyé à M. le Baron de Seckendorf celle de 7487 fr. 50 ctm acquittée. Paris 28 Mai 1820. G. (für Gallatin) (HStAS, E 70a, Akten der Württembergischen Gesandtschaft in Paris 1801- 1870, Büschel 57). König Wilhelm hatte früher auch schon in Paris Objekte einkaufen lassen. Im März 1817, wenige Monate nach seinem Regierungsantritt, liess er beim Königlichen Geschäftsträger in Paris anfragen, von welchem Silberschmid das silberne Reise-Tafelservice gefertigt worden sei, das er 1812 als dem Marschall Ney gehörig gesehen habe. Der König wolle ein solches Service für 24 Personen „in Paris verfertigen lassen, weil man daselbst in derlei Arbeiten mehr gewandt als hier zu Lande“ sei (HStAS, E 70a, Büschel 55). Weiterhin wünschte er auch Zeichnungen von Tafelservicen nach dem neuesten Geschmack zu erhalten. Bestellt wurde das Reise-Service bei Jean Baptiste Odiot, im Wert von 10'000 Francs. 1819 gab Wilhelm I. beim prominentesten der Pariser Goldschmiede, Martin Guillaume Biennais, ein Vermeil-Tafelservice in Auftrag, das in den folgenden Jahren ergänzt wurde. Die erste schriftliche Darstellung der gesamten vergoldeten Toilettengarnitur der Königin Pauline, zu der nun auch ein Tisch gehörte, ist in dem von Obersthofmeister Baron von Seckendorff erstellten „Inventarium über die Ausstattung Ihrer Durchlaucht der Prinzessin Pauline von Württemberg vom Monat April 1820“ zu finden. Nach der noch nicht ausgefüllten Rubrik „I. An Juwelen“ ist unter „II. An Gold und Silber“ das Toilette-Ensemble verzeichnet. In diesem Inventar sind unter „III. Garderobe“ reiche und seidene Kleider (davon waren 32 Stück Kleider und weitere 13 Stück Mäntel, Überröcke und Unterkleider), Seidenstoffe, weisse Kleider und Negligés, Röcke und Jäckchen, Che
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Verkauft für CHF 371 747 (inkl. Aufgeld)
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