Lot 3058* - A138 Gemälde Alter Meister - Freitag, 22. September 2006, 15.00 Uhr
JOHANN CONRAD SEEKATZ
(Grünstadt 1719–1768 Darmstadt)
Bäuerliche Szene vor einem Ziehbrunnen. Um 1765.
Öl auf Leinwand.
Unten links signiert: C. Seekatz pinx.
49 x 63 cm
Enchère reservée. Provenienz: - (wahrscheinlich) Kaiserlicher Rath Johann Caspar Goethe (1710 - 1782), Haus am Hirschgraben, Frankfurt am Main. - Sammlung Georg Schäfer, Schweinfurt, Inv.-Nr. 4206. - Privatbesitz Deutschland, erworben 1982. Ausstellung: Darmstadt 1980. Darmstadt in der Zeit des Barock und Rokoko. Mathildenhöhe 1980, Kat.-Nr. 286, S. 217, m. Abb. Literatur: Emmerling, Ernst: Johann Conrad Seekatz 1719 - 1769, ein Maler aus der Zeit des jungen Goethe. Leben und Werk. Überarbeitet von Brigitte Rechberg und Horst Wilhelm, Landau 1991, S. 116, WVZ-Nr. 263, Abb. S. 160. Johann Georg Seekatz gehört zu den wichtigsten deutschen Malern des 18. Jahrhunderts. Seine Beiträge liegen sowohl im dekorativen Bereich der Raumausstattungen als auch im Bereich der Genre- und Landschaftskunst. Im letzteren hat er mit seinen pastoralen Landschaften aus der Spätzeit - wovon das hier angebotene und das folgende Gemälde (welche zusammen ein Paar bilden) charakteristische und qualitativ hochstehende Beispiele sind - seinen grössten Beitrag geleistet. Hier wird das neue Naturgefühl der Aufklärungszeit sichtbar, mit dem sich die wohlhabenden Bürger der Epoche gerne assoziierten. Wie Emmerling (op.cit., S. 205) schreibt, steht dieses Paar in Zusammenhang mit einer Gruppe von vergleichbaren Kabinettbildern in relativ kleinen Formaten, die alle um 1765 entstanden sind. Dazu gehören die signierte und 1765 datierte Landschaft mit Bettlerfamilie, Öl auf Leinwand, 15 x 20 cm im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg (Inv.-Nr. Gm.1045), Emmerling, op.cit., Nr. 267), das Gemälde, Öl auf Leinwand, 24 x 31 cm, im Kunstmuseum am Ehrenhof, Düsseldorf (Emmerling, op.cit., Nr. 269) und die Landschaft im Nationalmuseum, Oslo (Emmerling, op.cit., no. 260, Abb. S. 37). Im Vergleich zu den früheren Werken sind diese späteren Landschaften von einer grösseren Unbefangenheit. Der Pinselstrich ist jetzt flüssiger und freier. Statt der grossen Figuren der Früh- und Mittelzeit ist die Staffage relativ klein und in die Landschaft eingebettet. Nach wie vor bilden Bettler und Zigeuner die Staffagefiguren. Mit diesen "Freiwanderern" versuchten sich die intellektuellen Bürger zu identifizieren, denn sie galten als Personifikation des Naturgefühls. Stilistisch sind Seekatz' Landschaften von der Holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts beeinflusst. Dabei handelt es sich natürlich nicht um sklavische Nachahmungen sondern vielmehr um eine Neuinterpretation im Stil und Charakter des Rokoko. Damit folgt Seekatz den Tendenzen aus Frankreich, wo Maler wie François Boucher in ihren Landschaften ebenfalls von holländischen Prototypen - Boucher spezifisch von Abraham Bloemaert - ausgegangen sind. Anders als Boucher, versucht Seekatz mit seiner Kabinettmalerei die reiche kaufmännische Bürgerschaft zu bedienen, die inspiriert durch die aufklärerischen Ideen anfingen, sich mit Kunst zu beschäftigen. Selbe Ziele verfolgte auch Jacob Philip Hackert, als er um 1770 nach Paris zog und dort kleinformatige Landschaften für diesen neuen Markt produzierte. Die Holländische Malerei lernte Seekatz am Darmstadter Hof kennen, als er 1753 vom Landgrafen Ludwig VIII. zum Hofmaler berufen wurde. Hier traf er auf eine erlesene Sammlung holländischer Kunst u. a. auch auf Werke des bei den deutschen Fürsten besonders beliebten Philips Wouwerman. Der Einfluss der Holländer zeigt sich besonders ausgeprägt in den früheren Arbeiten wie im Gemälde "Gefechtspause" aus dem Jahr 1654 (Öl auf Leinwand, 35 x 38,5 cm, im Städel, Frankurt; B. Brinkmann, J. Sander, Deutsche Gemälde vor 1800 im Städel, 1999, S. 53, Abb. 73.). Im hier angebotenen Paar wird der Einfluss von Wouwerman v. a. in den Figuren und im Pferdegespann offensichtlich. Die Holzbrücke ist ein Haarlemer Motiv und kommt in vielen Landschaften von Jan van Goyen und Pieter Molijn vor. In der Gruppe von Kinder- und Genreszenen aus der Zeit Ende Fünfziger- Anfang Sechzigerjahre (vgl. Lot 3062) zeigt sich der Einfluss von Godfried Schalcken, dem eigentlichen holländischen Spezialisten des Kerzenlichtes. Auch Schalcken gehörte zu den Lieblingen des deutschen Fürstentums und war in deutschen Sammlungen gut vertreten. 1753, als Seekatz gerade Hofmaler in Darmstadt geworden war, besuchte er zum ersten mal die Frankfurter Messe. Der Maler sah sich nach neuen Betätigungsfeldern um, da der Hof nur Aufträge für Portraits und Jagdstücke vergab und diese auch noch unter den verschiedenen Malerkollegen verteilte. In Frankfurt lernte Seekatz den kaiserlichen Rath Johann Caspar Goethe, den Vater von Johann Wolfgang, kennen, der einer der grössten Liebhaber seiner Gemälde werden sollte. Wie Emmerling bestätigt (op.cit.), notiert Goethe's Ausgabenbuch die Lieferung von 16 Gemälden von Seekatz in den Jahren 1758 - 1767. Auf Grund der Tatsache, dass sich die Vorzeichnungen für dieses und das folgende Lot in Goethe's Sammlung befand (heute aufbewahrt in der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätte der klassischen Deutschen Literatur, Weimar, Inv.-Nr. 1890) nimmt Emmerling an, dass sich auch das hier angebotene Paar in Goethes Besitz befunden haben müsste. Fünf Jahren nach Seekatz' erstem Besuch wird Frankfurt von der französischen Armee besetzt. Auf Empfehlung von Johann Caspar Goethe beauftragt der französische Verwalter François Comte de Thoranc Seekatz mit der Ausstattung seiner Wohnung in Grasse in Südfrankreich. Dieser Auftrag war für Seekatz von grosser Bedeutung und brachte ihn an die Spitze seiner Kunst, zunächst im Bereich der dekorativen Malerei, später auch im Bereich der Kabinettkunst. Seinen grössten Beitrag im Bereich der dekorativen Kunst lieferte Seekatz in den Jahren ab 1762, als er endlich für die Familie des Landgrafen das Schloss Braunshardt ausstatten durfte. Die späten pastoralen Landschaften, zu denen das hier angebotene Paar gehört, bestätigen die internationale Sicht von Seekatz in seiner letzten Schaffensperiode. Seine Gemälde sind nicht nur auf dem höchsten Niveau deutscher Rokokokunst, sie werfen auch einen voraussehenden Blick auf die Landschaften der nächsten Generation, zu der Jean Louis Demarne (1752 - 1829) und François Louis Joseph Watteau, genannt Watteau de Lille (1758 - 1823) gehörten.
CHF 80 000 / 100 000 | (€ 82 470 / 103 090)
Verkauft für CHF 177 500 (inkl. Aufgeld)
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