ZÜLLE, JOHANNES
* 29.12.1841 SCHWELLBRUNN, † 17.3.1938 HERISAU
Maler und Zeichner.
Johannes Zülle ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater war Taglöhner, die im Appenzellischen «Ruchwercher» genannt werden, also Arbeiter für einfache, grobe Arbeit, die meistens schlecht bezahlt war. Die Familie zog mehrmals um, und zwar im Gebiet zwischen dem Dorf Schwellbrunn und der Grenze zu Herisau, ein Zeichen dafür, dass die knappen finanziellen Mittel dazu zwangen, eine möglichst billige Wohnung zu finden.
1852 bezog die Familie Zülle eine Wohnung auf Herisauer Gemeindegebiet im Weiler Aedelswil. Für Johannes war das ein Glücksfall, denn sein Lehrer im Schulhaus Einfang förderte seine Begabung im Zeichnen und Malen so, dass Johannes einmal den ersten Rang belegte mit der schönsten Osterschrift von ganz Herisau. Osterschriften waren bis um 1860 die Vorläufer des Schulzeugnisses. Die Kinder mussten auf Blättern Psalmentexte, Bibelsprüche, das Alphabet und die Zahlen aufschreiben. Die Arbeit der Schüler wurde von der Schulkommission bewertet, und der Rang wurde oben auf das Blatt geschrieben. Schöne Oster- oder Probschriften sind selten geworden und sind deshalb von Sammlern sehr gesucht. Mit zwölf Jahren wurde Johannes von seiner älteren Schwester Anna in die Kunst des Handwebens eingeführt.
Das wurde jahrzehntelang sein Haupterwerb. 1854 zog die Familie Zülle nach Waldstatt, einem Nachbardorf von Herisau und Schwellbrunn. Um 1870 erwachte das Interesse an der Malerei und an den sennischen Motiven. Johannes Zülle versuchte sich zuerst mit Wasserfarben, wandte sich aber sehr bald der Ölfarbe zu. 1871 lernte er Johannes Müller aus Stein kennen, der sein wichtigstes Vorbild wurde. Dank dem Nebenverdienst mit der Malerei, seiner Sparsamkeit und seinen bescheidenen Ansprüchen konnte er 1880 das Eggeli in Herisau an der Grenze zu Schwellbrunn erwerben, eine kleine Liegenschaft in der Nähe seines Geburtshauses im Harz. 28 Jahre lang wob und malte er dort in gemeinsamem Haushalt mit seinen Eltern, so lange sie lebten, und mit seiner Schwester bis zu ihrer Heirat.
1908 verkaufte er das Eggeli und erwarb ein Haus in der unteren Hueb in Herisau. Von da an gab er die Weberei auf und widmete sich der Malerei und der Sennensattlerei, die er sich zum Teil autodidaktisch beibrachte, unterstützt vom berühmtesten Riemensattler des Appenzellerlandes, Johannes Weishaupt, Herisau, (1869‒1939). 1932, mit mehr als 90 Jahren, verkaufte er sein Haus, behielt aber das Wohnrecht in den ebenerdigen Räumen, malte und zeichnete nur noch selten, bis er sich mit 94 Jahren wegen verschiedener Altersleiden ins Bürgerheim im Ebnet begeben musste. Am 17. März 1938 ist Johannes Zülle mehr als 96jährig im Bezirksspital Herisau gestorben. Johannes Zülle verehrte Johannes Müller, den Altmeister der Senntumsmalerei, von dem er die Motivwahl, die Technik und den Bildaufbau übernahm und später auf seine ihm eigene Art interpretierte.
Die feine Farbabstufung der Landschaften, die präzise gezeichneten Menschen und Tiere und die Freude an der Schilderung der täglichen Arbeit auf den Alpen haben zu Zülles Ruhm beigetragen. Besonders beliebt war bei den Kunden eine streng symmetrisch aufgebaute Darstellung von schellenschüttenden Sennen, die er vielfach wiederholte. Beim Schellenschütten werden die drei auf einander abgestimmten Senntumsschellen in einem vorgegebenen Rhythmus geschwenkt und dienen so als Bordunbegleitung zum traditionellen Naturjodel, dem Zauren. In einem Bereich ausserhalb der Tafelmalerei ist Zülle zum Vorbild geworden. Seine Vorlagen für den Messingbeschlag auf den Hosenträgern wurden von Johannes Weishaupt in Auftrag gegeben, und werden bis zum heutigen Tag von Brauchtumshandwerkern übernommen. Werke: Kunstmuseum St. Gallen; Stein, Appenzeller Volkskunde Museum; Urnäsch, Appenzeller Brauchtumsmuseum.
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Hans Hürlemann, 2018 https://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4006772
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